Jean-Marie Halsdorf au sujet de l'aménagement du territoire

Raymond Klein: Das Integrative Verkehrs- und Landesplanungskonzept IVL untersucht Entwicklungsperspektiven für Luxemburg. Was sind für Sie die wichtigsten Schlussfolgerungen ?

Jean-Marie Halsdorf: Wir brauchen eine Planung, die Wohnen, Arbeiten und Verkehr in Einklang bringt. In der Vergangenheit hat man den Entwicklungen zu sehr ihren Lauf gelassen. Mittlerweile wird beim Planen besser daran geachtet, wohin was gebaut wird.

Aber das tiefe Bewusstsein dafür, dass bis zum Jahr 2020 ein Viertel des Verkehrs vom öffentlichen Transport übernommen werden muss, fehlt. Das IVL sagt: Wenn wir den Modal-Split von 25 Prozent nicht hinbekommen, bricht das ganze System zusammen.

Raymond Klein: Warum geht es so langsam voran? Belval-West wird derzeit erschlossen, doch mit der Zuganbindung hapert es noch.

Jean-Marie Halsdorf: Wir hätten der Schiene gerne eine höhere Priorität eingeräumt, doch das Transportministerium hat provisorisch eine Bus-Lösung auf der Brache favorisiert. Das hat unter anderem finanzielle Gründe.

Romain Diederich (Conseiller de gouvernement im Bereich Landesplanung): Neue Eisenbahnstrecken müssen frühzeitig geplant und erschlossen werden. Es ist einfacher, auf die Schnelle eine Anschlussstraße zu bauen. So bleibt der Schienenverkehr auf der Strecke, wenn man ihm nicht von vorneherein eine hohe Priorität einräumt. Durch solche Erfahrungen bildet sich ein Bewusstsein dafür, wie man vorgehen muss, wenn man ein Hinterherhinken des öffentlichen Transports vermeiden will.

Raymond Klein: Das IVL dürfte auch zu handfesten Interessenkonflikten führen. Zum Beispiel soll in bestimmten Gemeinden dichter gebaut werden, in anderen dagegen überhaupt nicht mehr.

Jean-Marie Halsdorf: Landesplanung bedeutet harmonische Entwicklung des Ganzen. Da können nicht alle Gemeinden in der ersten Reihe stehen. Die Verteilung wurde festgelegt. Es gibt drei große und mittlere Zentren - Luxemburg, Esch und Nordstad - sowie zwölf regionale Zentren. Wichtig ist allerdings, dass die Gemeindeverantwortlichen den Sinn dieser Planungen einsehen.

Raymond Klein: Das kann dauern. Kritiker sehen im IVL einen weiteren ministeriellen Papiertiger.

Jean-Marie Halsdorf: Von außen betrachtet mag es so aussehen, als ob in Sachen IVL nicht viel passiert. Doch die Ausarbeitung der "Plans régionaux" und "Plans sectoriels" bedeutet sehr viel Arbeit für die wenigen Mitarbeiter der ministeriellen Landesplanungsabteilung. Die jeweiligen Projekte sind wie kleine, einzelne Mosaiksteine. Zusammengesetzt werden sie das Bild unseres Landes ergeben, so wie es von Programme directeur und IVL vorgezeichnet wird.

Raymond Klein: Und wie sieht so ein Mosaikstein aus?

Jean-Marie Halsdorf: Wir haben diese Woche die Konvention zwischen der Stadt Luxemburg, den Randgemeinden im Westen und Südwesten und dem Ministerium unterzeichnet. Das ist angewandte Regionalpolitik. Aktionen wie die Einführung des Parking residentiel werden dort künftig nicht im Alleingang vorgenommen sondern gemeinsam mit den Nachbargemeinden. So kommt regionale Zusammenarbeit vor allem den Bürgern zugute.

Raymond Klein: Was tun Sie, wenn Gemeinden nicht auf ihre guten Worte hören wollen?

Jean-Marie Halsdorf: Über die "Plans sectoriels" können wir auch Dinge vorschreiben. Doch die Gemeinden müssen das Gefühl behalten, unsere Partner zu sein. Hilfreich ist es, über regionale Strukturen Gelder verteilen zu können, wie das bereits für die Leader-Fonds im ländlichen Raum geschieht.

Romain Diederich: Unsere Vorschläge zur Gemeindereform beinhalten auch eine Anpassung des Systems der Finanzierung der Kommunen. Das würde es ermöglichen, qualitatives Wachstum auch ohne substanzielles Wachstum der Einwohnerzahl oder der Arbeitsplätze anzustreben. Nicht zu den Boom-Gemeinden zu gehören, darf nicht mehr als Strafe empfunden werden.

Raymond Klein: Was heißt das konkret?

Jean-Marie Halsdorf: Wir müssen wegkommen von der jetzigen "voie royale" zur Gemeindeentwicklung. Um mehr Steuern einzunehmen, wollen Bürgermeister mehr Bevölkerung und eine eigene Aktivitätszone. Wir möchten für Gemeinden über 3.000 Einwohner einen Sockelbetrag einführen. Das macht ein Weiterwachsen weniger interessant. Für die Gewerbesteuer wird es einen Höchstbetrag geben. Der Rest wird regional verteilt. Dann brauchen wir keine 117 Gewerbezonen.

Raymond Klein: Was ist mit Gemeinden, die laut IVL wachsen sollen, in denen aber nicht genug Wohnungen gebaut werden?

Jean-Marie Halsdorf: Derzeit liegen 3.800 Hektar ausgewiesene Wohnflächen brach. Es sind Privatbesitzer, Makler und sogar Gemeinden, die die Grundstücke zurückhalten. Eine Grundsteuer, die sich gegen solche Verhaltensweisen richtet, könnte helfen, die Bauflächen auf den Markt zu bekommen.

Romain Diederich: Wir können das Siedlungsverhalten auch über die Wohnungsbeihilfen steuern, zum Beispiel indem wir sie nach geografischer Lage staffeln. Um eine dichtere Besiedlung zu erreichen können wir auch bestimmte Wohnformen fördern. So konzentrieren wir das Bevölkerungswachstum dort wo es laut IVL wünschenswert ist: etwa da, wo es eine gute Anbindung an den öffentlichen Transport gibt.

Raymond Klein: Das IVL skizziert sowohl ein Pendler- als auch ein Einwohnerszenario. Die Menschen, die die in Luxemburg entstehenden Arbeitsplätze besetzen, können entweder hierher ziehen oder in den umliegenden Grenzgebieten wohnen. Die Experten haben sich für das Einwohnerszenario ausgesprochen. Werden Sie versuchen, eine Mehrheit der bis 2020 hinzu kommenden Arbeitskräfte in Luxemburg anzusiedeln?

Jean-Marie Halsdorf: Wir können die Menschen nicht zwingen, nach Luxemburg zu ziehen. Wir versuchen, erschwinglichen Wohnraum zu schaffen. Unklar ist, in welchem Maße das gelingen wird.

Philippe Peters (Attaché de gouvernement): Wir wissen, dass das Einwohnerszenario gewaltige Anforderungen an unsere Raumplanung stellt. Die sind zwar theoretisch zu bewältigen, ich glaube aber nicht, dass wir schon dafür bereit sind. Was den Modal-Split angeht, so ist der Unterschied zwischen beiden Szenarien nicht groß. Die Prinzipien, nach denen die Regionen entwickelt werden sollen, sind bei beiden Szenarien die gleichen. Sollten besonders viele Menschen nach Luxemburg ziehen, müssen wir vielleicht in zehn Jahren weitere regionale Zentren ausweisen.

Raymond Klein: Mehr Pendlerverkehr bedeutet mehr Straßen. Nur zwei der 31 von der Straßenbauverwaltung eingereichten Projekte wurden im IVL abgelehnt.

Philippe Peters: Solche Rechnungen werden den Aussagen des IVL nicht gerecht. Bei vielen der nicht abgelehnten Projekte werden mögliche Konfliktpunkte angemerkt. Außerdem gilt dieser Ausbau in der Hypothese, dass 100.000 Arbeitsplätze hinzu kommen. In den meisten Fällen ist sowieso noch eine Raum- und Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig.

Romain Diederich: Grundsätzlich sollen Straßen nur gebaut werden, wenn die bestehende Situation untragbar ist - zum Beispiel die Lärmbelastung oder die Stau- und Unfallgefahr. Außerdem muss klar sein, dass es keine alternative Lösung gibt, wie Verkehrsberuhigung oder Ausbau des öffentlichen Transportes.

Raymond Klein: Bei 29 von 31 Straßen war dies nicht der Fall?

Jean-Marie Halsdorf: Endgültige Entscheidungen stehen, wie gesagt, noch aus. Wir wissen zum Beispiel nicht genau, wie sich nach Eröffnung der Nordstraße die Verkehrssituation im Alzettetal verändert. Möglicherweise wird dann die geplante Straße Kopstal-Walferdange überflüssig.

Raymond Klein: Straßen wie die West-Tangente werden neuen Verkehr anziehen. Ist ein Modal-Split von 25 Prozent da überhaupt noch erreichbar?

Romain Diederich: Man muss vermeiden, dass durch eine Aneinanderreihung von Umgehungsstraßen eine Schnellstraße entsteht. Dann bleibt nämlich der Autoverkehr attraktiv. Jede neue Straße ist eine potenzielle Konkurrenz für den öffentlichen Transport.

Philippe Peters: Allerdings wurden Straßen wie die West-Tangente in die Modellberechnungen einbezogen. Nichtsdestotrotz sind wir auf 22 Prozent öffentlichen Transport gekommen.

Jean-Marie Halsdorf: Wir müssen uns anspruchsvolle Ziele setzen. Sollen wir etwa sagen, nur 22 Prozent? Was zählt ist, dass wir den Anteil des öffentlichen Transports in etwa verdoppeln. Daran halte ich fest.

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