Zu den Gemeindewahlen: Ein Ausdruck von Demokratie auf lokaler Ebene. Le ministre de l'Intérieur Jean-Marie Halsdorf aus sujet des élections communales 2005.

D'Wort: Herr Halsdorf, weshalb kommt den Gemeindewahlen eine solch große Bedeutung zu?

Jean-Marie Halsdorf: Die Kommunalwahl ist ein Ausdruck der Demokratie auf lokaler Ebene. Wir haben in unserem Land zum Glück die Möglichkeit, uns lokal zu organisieren. Im Gegensatz zu den Nachbarländern Frankreich und Deutschland, wo es noch die Departements- respektiv die Länderebene gibt, kennen wir im Großherzogtum nur die nationale und die lokale Entscheidungsebene. Der lokalen Ebene kommt daher eine weitaus größere Bedeutung zu, da es nur zwei Ebenen gibt, wo wir Entscheidungen fällen können. In Luxemburg sind die Gemeinden daher ein wichtiger Partner des Staates, wenn es darum geht, die Ansprüche der Bürger zu erfüllen.

Die Bedeutung der Gemeinden wird in Zukunft noch steigen. Wir brauchen in Zukunft sehr leistungsfähige Gemeinden, um den steigenden Ansprüchen gerecht zu werden. Die Kommunen werden zunehmend die Rolle eines effizienten Dienstleistuhgsanbieters übernehmen müssen. Die einfache Verwaltungsarbeit wird längst nicht mehr ausreichen.

Aus diesem Grund habe ich eine territoriale Neuordnung vorgeschlagen. Die Reform würde es erlauben, dass sämtliche Gemeinden des Landes optimal funktionieren können und Basisleistungen anbieten können, die sich die Bürger von ihren Kommunen erwarten.

D'Wort: Welches werden die großen Herausforderungen sein, mit denen sich die Gemeinden in den nächsten Jahren auseinander setzen müssen?

Jean-Marie Halsdorf: Die Herausforderungen werden sich nicht wesentlich verändern. Vor allem im schulischen Bereich müssen die Kommunen imstande sein, ein vollständiges Angebot zu unterbreiten. Das reicht von der Früherziehung über die Kinderbetreuung und die Hausaufgabenhilfe bis hin zu Schulrestaurants usw. Dieses Angebot muss in allen Gemeinden zu vergleichbaren Preisen möglich sein.

Wichtig sind auch die Infrastrukturen. Ich denke dabei z. B. an die verschiedenen Gebäude wie Sporteinrichtungen und Vereinshäuser, aber auch an den Straßenbau und an die Abwassersysteme. Vor allem bei der Kanalisation sind wir gefordert, da wir im Kontext der Wasserrahmenrichtlinie verpflichtet sind, bis zum Jahr 2015 ökologisch einwandfreie Gewässer vorzuweisen. Vor allem den Kläranlagen kommt in diesem Bereich eine herausragende Bedeutung zu. Bei der Trinkwasserversorgung muss ebenfalls nachgebessert werden. Rohrleitungssysteme mit Blei oder Asbest müssen beispielsweise endgültig der Vergangenheit angehören.

Ein Punkt, den wir nicht vergessen dürfen, ist die Mobilität der modernen Gesellschaft. Zwar ist es zunächst die Aufgabe der Gemeinden, sich um die Belange auf ihrem Territorium zu kümmern, doch durch die Mobilität der Menschen reicht der Impakt der Gemeindepolitik schon heute weit über die Grenzen der einzelnen Kommunen hinaus. Früher lebten und arbeiteten die Menschen in ein und derselben Kommune. Heute arbeiten die meisten Bürger längst nicht mehr in ihrem Heimatdorf. Dieser Vernetzung wird man in Zukunft verstärkt Rechnung tragen müssen.

D'Wort: Welche Neuerungen gibt es bei der Gemeindewahl 2005?

Jean-Marie Halsdorf: In den Majorzgemeinden wird diesmal erstmals nicht mehr nach Sektionen abgestimmt. Die Gemeinde zählt nur noch als Ganzes. Dies geht in die gleiche Richtung wie das, was ich vorhin schon angedeutet hatte: Wir müssen in Zukunft über die Grenzen der Gemeinden hinausschauen. Viele Projekte reichen mittlerweile bereits über die Grenzen der Kommunen hinaus und nehmen fast schon nationalen Charakter an. In den nächsten Monaten müssen wir daher genau definieren, welche Leistungen eine Gememde anbieten muss.

D'Wort: Wie steht es zur Zeit um die Fusionen der einzelnen Gemeinden?

Jean-Marie Halsdorf: Es gibt zur Zeit keine wirklich neuen Momente in diesem Bereich. Einige Kommunen haben sich ja bekanntlich in der Vergangenheit zu einer Fusion entschlossen, wie etwa Kautenbach und Wilwerwütz. Die Gemeinde Eschweiler war damals nicht zu einer Fusion bereit. Allerdings wird im Rahmen der Kommunalwahl ein Referendum abgehalten, bei dem die Einwohner um ihre Meinung gefragt werden. Demnächst ist deshalb auch eine große Bürgerversammlung angesagt.

Mein Reformvorschlag liegt ja zur Zeit in der zuständigen Kammerkommission, die nach den Gemeindewahlen darüber befinden wird. Es besteht in dieser Angelegenheit akuter Handlungsbedarf, denn die Gemeinden müssen handlungsfähiger werden. Bis zum Sommer kommenden Jahres soll ein endgültiger Entwurf vorliegen.

Ziel ist es, wie gesagt, die Arbeit der Gemeinden zu optimieren. Lösungsansätze gibt es viele. Es können Fusionen sein, es kann aber auch ein neues Finanzierungssystem sein... Wie auch immer das Gesetz am Ende aussehen wird, es wird tief greifende Veränderungen nach sich ziehen. Es könnte sogar sein, dass wir die Verfassung ändern müssten.

D'Wort: Welches Konfliktpotenzial beinhalten die angestrebten Fusionen?

Jean-Marie Halsdorf: Die Fusionen sind und bleiben freiwillig. Keine Gemeinde wird zur Fusion gezwungen. Es bringt nichts, wenn man bei dieser Angelegenheit mit dem Knüppel arbeitet. Deshalb habe ich auch ein doppeltes Modell vorgeschlagen. Zur Wahl stehen die Fusion oder die "Communaute de commune". Egal welche Entscheidung die kleinen Kommunen treffen, es geht im Endeffekt darum, dass die Leistungen, die sie erbringen, stimmen, und dass sie preislich akzeptabel sind. Außerdem müssen die Kommunen Sorge tragen, dass ihre Leistungen auf dem gesamten Gemeindegebiet angeboten werden.

Der Unterschied zwischen den Gemeindesyndikaten und der Communaute de communes besteht erstens darin, dass das Syndikat nach dem Prinzip der Zweckmäßigkeit funktioniert. Auch bei der Verantwortung gibt es Unterschiede. Bei den Syndikaten ist jede Gemeinde verantwortlich. Beim Modell der Communaute de communes liegt die Kompetenz bei diesem Gremium. Die Verantwortung liegt also nicht mehr in den einzelnen Gemeinden, sondern eine Stufe darüber. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass die Communaute de communes längerfristig eine Vorstufe zu einer Fusion sein kann.

D'Wort: Wie sieht es mit dem Engagement der Bürger auf kommunalpolitischer Ebene aus?

Jean-Marie Halsdorf: In kleinen Gemeinden soll es heute schon Probleme geben, genügend Bürger für die kommunalpolitische Arbeit zu motivieren. Auch aus diesem Grund bietet sich die Fusion respektiv der Gemeindeverbund an. Da das Potenzial größer wird, wird es auch zu einer Professionalisierung bei den Ämtern kommen. Damit will ich nicht unbedingt sagen, dass der Bürgermeister beispielsweise das Amt hauptberuflich ausüben sollte. Allerdings muss man erst einmal abwarten, wie die neue Gemeindegesetzgebung aussehen wird, bevor man sich endgültig entscheidet. Ziel muss es sein, die Lokalpolitiker stärker in die Verantwortung einzubinden.

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