Luc Frieden: Keine unnötigen Ausgaben

Marc Glesener: Sie hatten bei der Vorstellung der Haushaltsvorlage für dieses Jähr "schwierigere Zeiten" angekündigt. Wie hat sich die Schuldenlage des Staates denn nun entwickelt?

Luc Frieden: Der Staatshaushalt weist seit 2002 ein Defizit auf. Grund dafür sind die hohen Investitionsausgaben, die wir zum Teil aus der Reservekasse gegenfinanzieren. Im Haushaltsjahr 2004 lag die Defizitquote - auf das Bruttoinlandprodukt berechnet - bei 0,6 Prozent. In diesem sowie in den nächsten Jahren wird sich diese Quote, wie es aussieht, bei rund zwei Prozent einpendeln. Wobei man mit Prognosen immer vorsichtig sein muss. Schließlich ist die genaue Entwicklung der Steuereinnahmen zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar.

Marc Glesener: Was bedeutet diese Defizitlage Luxemburgs im europäischen Kontext? Nähern wir uns nicht auf gefährliche Weise der ominösen Maastricht-Marke von drei Prozent?

Luc Frieden: Die Lage ist ernst. Aber der Vergleich mit unseren Nachbarländern belegt, dass es keinen Grund zur Panik gibt. Immerhin bewegen wir uns noch deutlich unter der Drei-Prozent-Grenze. Wir befinden uns ebenfalls unter dem Durchschnittswert der Eurozone, der zwischen 2,5 und drei Prozent liegt. Doch in einer mittelfristigen Perspektive ist dieser Defizit-Zustand nicht haltbar. Man sollte allerdings das Thema Budgetdefizit nicht getrennt von der Schuldenlage eines Landes sehen. Hier ist laut Maastricht ein Höchstwert von 60 Prozent des nationalen Reichtums, also des Bruttoinlandproduktes erlaubt. Die Schuldenlast Luxemburgs beträgt sieben Prozent.

Marc Glesener: Sie sagten, längerfristig sei die aktuelle Defizitlast nicht tragbar. Wie kann gegengesteuert werden? Oder sind wir als Land vollends der allgemein negativen Konjunkturentwicklung ausgeliefert?

Luc Frieden: Sicher spielt die Konjunktur eine gewichtige Rolle. Für die angespannte Lage der Staatsfinanzen gibt es aber auch hausgemachte Ursachen oder Gründe. Da wäre zum einen das extrem hohe Niveau der Investitionsausgaben. Hinzu kommt die überaus starke Belastung der öffentlichen Finanzen durch Kranken- und Pensionskassen. 25 Prozent aller Budgetausgaben fließen in eben diese beiden Kassen. Aber, um auf Ihre Frage zurückzukommen: Wir müssen es fertig bringen, an der Politik des sozialen Ausgleichs festzuhalten, ohne auf wichtige Investitionen in die Zukunft zu verzichten. Parallel dazu muss die Steuerlast erträglich bleiben. Die Steuern zu erhöhen, wäre ein Fehler. Täten wir das, würden wir der Wettbewerbsfähigkeit des Landes schaden.

Marc Glesener: Kein Sozialabbau, niedrige Steuern, eine hohe Investitionsquote - das klingt nach der Quadratur des Kreises. Wo soll denn gespart werden?

Luc Frieden: Meines Erachtens nach müssen die Ausgaben des Staates verstärkt auf deren Zweckmäßigkeit hin überprüft werden. Es heißt Abstand nehmen von vorgefassten Meinungen und Überzeugungen. Auch was den Sozialetat anbelangt. Was wiederum nicht bedeutet, dass der Sozialstaat von heute auf morgen umgekrempelt oder gar abgebaut werden soll. Wir müssen uns nur gemeinsam mit den Sozialpartnern überlegen, wie wir neue Wege beschreiten können. Wir müssen überprüfen, ob tatsächlich alle Ausgaben, in der Praxis auch den gewünschten Effekt haben. Was für den Sozialstaat gilt, gilt auch für die Investitionspolitik im Allgemeinen. Wir müssen uns mehr denn je auf das Notwendige beschränken. Dazu gehören meiner Meinung nach vor allem Investitionen in den Bereichen Schule und Gesundheitsversorgung.

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