Jean Asselborn s´exprime sur l´ouverture des négociations d´adhésion avec la Turquie

Bayerischer Rundfunk: Die Türken dürfen nun hoffen in mindestens 10 Jahren zur EU zu gehören. Einer der an den Verhandlungen der EU-Außenminister beteiligt war, das ist Jean Asselborn. Er ist der Außenminister Luxemburgs und ihn begrüße ich jetzt am Telefon der Bayern 2 Radiowelt. Guten Morgen, Herr Asselborn.

Jean Asselborn: Guten Morgen.

Bayerischer Rundfunk: Wie bewerten Sie denn das Verhalten Österreichs sich zunächst gegen die Aufnahme der Verhandlungen zu sperren, und dann doch zuzustimmen?

Jean Asselborn: Also, ich muss eingestehen, dass ich nicht alles verstanden habe. Gut, es gibt diese innenpolitischen Ramifikationen, aber wenn wir jetzt den Text sehen - was herausgekommen ist - haben wir ja eigentlich einen doppelten Boden für das, was die Österreicher verhindern wollen, nämlich dass das gemeinsame Ziel der Verhandlungen die Mitgliedschaft ist. Wir haben jetzt den Satz [über den Beitritt als Verhandlungsziel] drin und zuvor eine Referenz auf Artikel  49 der Verträge, der ja von der Mitgliedschaft spricht. Die Österreicher haben also etwas bewirkt, sie haben eine Textänderung erreicht, aber in der Substanz ist ja nun wirklich kein Jota geändert worden. Es ist wirklich keine Schande in der Europäischen Union, wenn ein Land eine andere Meinung vertritt als 24 andere. Was ich jetzt schade finde ist, dass dann wieder diese Waffe des Referendums eingesetzt wird. Volksbefragungen scheinen jetzt zur ultimativen Waffe zu werden in der Europäischen Union, um Beschlüsse zu fassen. Aber da sind wir ja - wie Sie gesagt haben - erst in 10, 12, 15 Jahren.

Bayerischer Rundfunk: War das Verhalten Österreichs vielleicht auch so etwas wie die ganz große Symbolik, vielleicht auch stellvertretend sogar für andere Mitgliedsstaaten, die zwar offiziell Beitrittsgespräche wünschen, vielleicht aber doch darauf setzen, dass die Türkei die Bedingungen nie und nimmer erfüllen wird?

Jean Asselborn: Ja, aber es gilt ja jetzt nicht zu bewerten, ob die Türkei Mitglied werden kann am heutigen Tag. Es geht darum, dass wir Verhandlungen anfangen und feststellen, rund um einen Tisch, dass diese Verhandlungen schwierig werden, konfliktreich werden, sogar leidenschaftlich, glaube ich. Sie werden lange, sehr lange dauern, aber das ist doch unter zivilisierten Leuten der einzige Weg, um festzustellen, ob die Türkei zur Europäischen Union gehört, oder ob die Europäische Union auch wirklich an einer europäischen Türkei interessiert ist.

Lassen wir doch die Herzen ein wenig sprechen und auch den Verstand. Dann muss man doch einsehen, was alles im 2004 im Dezember beschlossen wurde, das heißt zuerst ein Datum, dann das offene Ende dieser Verhandlungen, dann die Kriterien von Kopenhagen, dann die Alternative, die ja auch drin steht, diese berühmte privilegierte Partnerschaft, wenn Sie das so wollen. Diese Alternative ist vorgesehen, für den Fall, dass die Türkei nein sagt oder die EU nein sagt, dass wir dann eine möglichst enge Bindung zwischen der Türkei und der Europäischen Union beschließen. Die Einsicht hat gewonnen, auch in Österreich, dass wir diese Verhandlungen endlich anfangen sollten, um festzustellen, ob Türkei und Europa zusammengehören.

Bayerischer Rundfunk: Trotzdem, Herr Asselborn, es stand Spitz auf Knopf. Es hätte auch schief gehen können, wenn Österreich hart geblieben wäre. Oder die Türken hätten die Nerven verloren und hätten gesagt, unter diesen Umständen verhandeln wir auf gar keinen Fall. Was hätte das für Konsequenzen für die EU gehabt?

Jean Asselborn: Die Konsequenzen eines negativen Beschlusses? In einem Wort: die Glaubwürdigkeit der Union wäre ganz ganz arg zerzaust geworden.

Bayerischer Rundfunk: Herr Asselborn, Sie sind ein Befürworter einer Vollmitgliedschaft für die Türken, warum? Wo liegen die Gründe dafür?

Jean Asselborn: Ich bin ein Befürworter, dass man anfängt zu verhandeln mit den Türken, an erster Stelle. Und zweitens, wenn ich jetzt ein wenig über die Nasenspitze hinaus schaue, muss ich feststellen, dass eine Bindung zwischen Europa und der Türkei, nicht nur wirtschaftlich interessant ist, sondern dass es auch interessant ist in Sachen Menschenrechte zum Beispiel. Was wurde nicht schon alles bewirkt in den drei letzen Jahren unter dem Druck der Europäischen Union in der Türkei? Was bleibt noch alles zu tun? Viel, das stimmt. Aber das wird nicht geschehen, wenn wir diese Bindung zwischen der Türkei und der Union abgebrochen hätten. Dann das Dritte, und das ist auch sehr wichtig: geostrategisch gesehen ist es doch unheimlich wichtig, wenn wir im 21. Jahrhundert - als Europäer - mit den Amerikanern und mit den Chinesen, den Indern mitspielen wollen auf dem Planeten, dann müssen wir ja auch ein Gewicht haben. Dann müssen wir in der Region, die das Pulverfass ist unserer Erde, im Nahen Osten, im Mittleren Osten, präsent sein. Das kann doch nur etwas Positives sein, dass man mitreden kann und nicht nur erdulden muss.

Es gibt durchaus viele Punkte, wo man sagt: gut, Europa und Türkei sind schwierig auf einen Nenner zu bringen. Aber es gibt auch viele Argumente, die geostrategisch, geopolitisch, auch menschenrechtlich gesehen, überwiegen werden. Diese werden letzten Endes gewinnen. Das ist meine Meinung.

Bayerischer Rundfunk: Jean Asselborn, der Außenminister Luxemburgs. Ich bedanke mich ganz herzlich für dieses Gespräch.

Jean Asselborn: Bitte sehr.

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