"Unsere Europapolitik geniesst grosses Vertrauen". Jean Asselborn au sujet de la politique européenne et étrangère du Luxembourg

Laurent Zeimet: Sie haben ein anstrengendes Jahr hinter sich. Die Ratspräsidentschaft ist zu Ende. Interessiert sich jetzt noch jemand für die luxemburgische Sichtweise in außenpolitischen Fragen?

Jean Asselborn: Es ist erstaunlich, wieviel Vertrauen man der Luxemburger Europapolitik jetzt entgegenbringt. Die gute Arbeit, die wir während der Ratspräsidentschaft geleistet haben, wird wirklich anerkannt. Im Gegensatz zu anderen Ländern stellen wir unsere nationalen Interessen bei der Ausübung eines EU-Vorsitzes zurück. Richtig ist natürlich auch, dass Luxemburger Interessen sich sehr oft mit europäischen Interessen überschneiden. Auf jeden Fall ist das Interesse an unserer Meinung weiterhin groß. Wir haben durch die Présidence an Gewicht gewonnen. Auch wenn unsere Rolle jetzt eine andere ist.

Laurent Zeimet: Welche Akzente konnten Sie während der Présidence setzen?

Jean Asselborn: Die transatlantischen Beziehungen konnten wesentlich verbessert werden. Dieses Verdienst bescheinigen uns Diplomaten und Politiker. Das Verhältnis zu Washington lag ja förmlich am Boden. Heute ist man auf beiden Seiten des Atlantiks wieder bereit, Probleme gemeinsam anzupacken. Wir haben die Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten gestärkt. Der Streit, der sich um den Irak-Krieg entfacht hatte, konnte beigelegt werden. Der Aufbau des Iraks ist jetzt ein neues, gemeinsames Anliegen der Union.

Laurent Zeimet: Ihr früherer Kollege Joschka Fischer meinte, die Aufgabe eines Außenministers bestehe darin, dafür zu sorgen, dass die Bürger ruhig schlafen können. Würden Sie Ihre Aufgabe auch so beschreiben?

Jean Asselborn: Zuerst muss ich bedauern, dass dem Ministerrat mit Joschka Fischer ein großes Talent verloren geht. Fischer hatte eine ausgeprägte Gabe, Zusammenhänge zu erkennen und darzustellen. Allerdings würde ich die Aufgabe eines Außenministers etwas weniger hochtrabend definieren. Ich orientiere mich eher an UN Generalsekretär Kofi Annan. Er meinte, es gebe auf der Welt keine Sicherheit ohne Entwicklung und keine Entwicklung ohne Beachtung der Menschenrechte.

So empfinde ich die Herausforderung, vor der wir stehen. Wenn wir in einer sicheren Welt leben wollen, müssen wir die Entwicklungspolitik vorantreiben und unsere Hilfe an die Beachtung der Menschenrechte koppeln. Unsere Kooperationshilfe geht in diese Richtung.

Laurent Zeimet: Wie kann die EU nach der Verfassungskrise weiterkommen? Erwarten Sie neue Impulse von der deutschen Bundeskanzlerin?

Jean Asselborn: Angela Merkel kann sicher Impulse geben. Die große Koalition hat viel Potenzial. Ich finde es sehr positiv, dass die neue deutsche Regierung Europa weiterentwickeln möchte. Der EU-Verfassungsvertrag wurde nicht auf den Schrottplatz der Geschichte verfrachtet, sondern die Chancen stehen gut, dass die Verfassung unter deutscher Präsidentschaft 2007 einen neuen Start nehmen wird. Europa bleibt die Antwort auf eine fortschreitende Globalisierung.

Laurent Zeimet: Sind Sie mit der britischen Ratspräsidentschaft zufrieden?

Jean Asselborn: Ich kann und will nicht alles schlachten, was unsere Nachfolger bisher gemacht haben. Bei den Finanzperspektiven werden die Vorschläge für die Briten "natürlich" meilenweit vom Luxemburger Kompromiss entfernt sein und doch auf dieser Grundlage fußen, sollte es zu einer Einigung kommen. Die Briten sind ja zum Erfolg beim Gipfel in zwei Wochen verdammt, sonst riskiert ihre Präsidentschaft eine Katastrophe zu werden. Tony Blair ist ein Staatsmann, der weiß, dass er kein weiteres Mal nur auf die britischen Interessen Rücksicht nehmen kann.

Laurent Zeimet: Warum tritt Luxemburg nicht offensiver für die Menschenrechte ein? Man wird das Gefühl nicht los, dass in den Beziehungen zur Volksrepublik China oder Russland, wirtschaftliche Interessen immer im Vordergrund stehen.

Jean Asselborn: Das kann man so nicht sagen. Wir blenden die Frage der Menschenrechte nie aus. Unter unserer Präsidentschaft kam es zum ersten Mal zu einer institutionellen Konsultation über die Menschenrechte mit Russland. In der Diskussion über die vier gemeinsamen Räume der Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation kommt selbstverständlich das Verständnis von Demokratie und Menschenrechten zur Sprache. Auch mit China und dem Iran steht die EU in einem Dialog über Menschenrechte.

Ich bin überzeugt, dass wir nur über einen intensiven Dialog etwas erreichen können. Was wäre denn die Alternative? Wir könnten zu allen Staaten den Kontakt abbrechen, in denen die Menschenrechtslage nicht unseren Vorstellungen entspricht. Das würde aber niemandem nützen.

Laurent Zeimet: Die europäische Sicherheitsstrategie steht unter dem Motto "Ein sicheres Europa in einer besseren Welt". Ist die Union auf dem guten Weg?

Jean Asselborn: Das strategische Ziel der EU ist es, Kriege zu verhindern, Konflikte frühzeitig zu entschärfen. Das erklärt unsere Missionen im Sudan, im Kongo, in Afghanistan und jetzt bei der Sicherung des Grenzübergangs in Rafah. Die schmerzhafte Erfahrung auf dem Balkan ist ja noch jedem bewusst. Wir Europäer müssen für unsere eigene Sicherheit Verantwortung übernehmen. Die Gefahr des Terrorismus wird uns noch lange beschäftigen. Ich bin mir aber sicher, dass wir den Kampf gegen den Terror nicht mit militärischen Mitteln gewinnen werden.

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