Jean Asselborn au sujet des perspectives financières de l'Union européenne pour la période 2007-2013

Dirk-Oliver Heckmann: Herr Asselborn, wie groß sind denn aus Ihrer Sicht denn die Chancen für einen Kompromiss bis zum Gipfel kommende Woche?

Jean Asselborn: Ja, also heute werden wir ja zusammenkommen, heute Abend wird es nicht anders aussehen als heute Morgen, glaube ich. Aber wir müssen uns als Außenminister jetzt sehr klug anlegen, damit die englische Präsidentschaft einen weisen Entschluss vorlegt. Ich hoffe, dass die das fertig bringen bis nächste Woche. Also dieser Vorschlag, wie er jetzt daliegt, wird meines Erachtens nicht rutschen, sonst riskiert die EU auszurutschen. Die Alternative dieses Paket - also sonst nichts -, da wird es sehr, sehr viele Unzufriedene geben, sehr, sehr viel Frust. Die Reicheren, denen wird man nachsagen, dass sie ihre Schäflein im Trockenen haben, und die Ärmeren stehen mit einer mageren Ziege im Stoppelfeld. Also wir müssen noch sehr, sehr viel Tiefenwirkung und den Teig der Engländer noch kneten, damit wir zu einem besseren Resultat kommen.

Dirk-Oliver Heckmann: Das heißt, aus Ihrer Sicht, aus der Sicht Luxemburgs, ist dieser Vorschlag unannehmbar oder wäre er für Sie noch akzeptabel?

Jean Asselborn: Ja also in der Diplomatie, der groberen Diplomatie - wenn Sie diesen Ausdruck erlauben -, lernt man sehr schnell, auch Evidenzen in positive und negative Elemente zu zerlegen. Also ich glaube, es ist ja schon vorteilhaft und positiv, dass die Briten überhaupt das Tabu gebrochen haben, über den Rabatt zu reden. Dass auch Zahlen, englische Zahlen jetzt auf dem Tisch liegen. Dass dieser Vorschlag, das glaube ich auch, weiterhin keine Endstation ist in den Augen der Briten. Aber negativ ist - und da antworte ich Ihnen direkt auf Ihre Frage -, dass mit einem Briten-Rabatt, wo keine definitive Lösung drin enthalten ist, kann man nicht leben. Denn wenn dann Länder aus dem Balkan oder die Türkei in einigen Jahren vor der Tür stehen, wird man das ganze Theater wieder anfangen müssen. Vor allem aber - das ist mein Hauptpunkt -, wissen Sie die EU, in ihrer Essenz, ist ja auf Solidarität aufgebaut. Das haben wir wunderbar gemacht zu 15 mit Griechenland, mit Spanien, mit Portugal. Der Transfer der Wohlhabenderen zu den weniger Betuchten - wenn ich so sagen darf -, das ist Kohäsionspolitik. In diesem Vorschlag wird das Gegenteil gemacht. In einem gewissen Sinne fußt er ja auf Antikohäsionspolitik. Das müssen wir zusammen ändern und den Briten auch das, glaube ich, diese, diese, ihren Willen zu einem Erfolg zu kommen, glaube ich, besteht, aber da müssen wir noch viel mit ihnen arbeiten.

Dirk-Oliver Heckmann: Die Solidarität ist gut und schön, würde sicherlich auch jeder unterschreiben. Aber kann es so sein, dass der EU-Haushalt von Jahr zu Jahr immer größere Ausmaße annimmt, so wie es die EU-Kommission gefordert hatte und so wie es auch die luxemburgische Ratspräsidentschaft vorgeschlagen hatte? Besteht nicht die Notwendigkeit, wirklich auch mal Kürzungen vorzunehmen? Hier in Deutschland sehen wir ja gerade auch, dass es irgendwie sein muss.

Jean Asselborn: Ja, Sie haben, Sie haben Recht. Aber wenn wir von Zahlungen reden - ich will das nur einige Sekunden machen -, das sind astronomische Zahlen: 800, 850, 900 Milliarden, um sieben Jahre Europapolitik zu machen - sieben Jahre Europapolitik zu machen. Nehmen Sie die USA: Die verzehren 400 Milliarden im Jahr an Militärausgaben - nur an Militärausgaben im Jahr. Also man muss das immer in einen Kontext stellen. Und das Gesamtpaket - die Kommission hatte ja, ist von 999 Milliarden ausgegangen, Luxemburg hat reduziert auf 871, jetzt sind wir bei 846 Milliarden Euro. Damit könnte man etwas anfangen, da bin ich nicht dagegen, aber wir müssen schauen, dass das, was ich gesagt habe, dass wir die Solidarität, dass wir die in Europa behalten. Zum Beispiel, nehmen wir noch eine Zahl: der Rabatt. Das ist ein Gewächs. Und ein Gewächs per Definition wächst. Wenn nichts geschieht, sind wir in sieben Jahren bei 50 Milliarden Euro. Wir wollten den Rabatt runterschrauben auf 31,5 - das ist ja noch akzeptabel. Die Briten wollen wieder höher gehen. Die Kohäsion alleine - die Kohäsion alleine - kostet für Großbritannien 11,5 Milliarden. Sie wollen aber nur 7,7 Milliarden in die Kasse geben, also nur zwei Drittel davon. Die Briten waren ja - sagen wir - sehr, sehr erpicht auf die Erweiterung - da haben Sie auch Recht, aber da müssen sie auch verstehen, dass die Kosten der Kohäsionspolitik auch von diesen mitgetragen werden.

Dirk-Oliver Heckmann: Aber London argumentierte, dass die neuen Länder, die Beitrittsländer, mehr Zuwendungen bekommen als die bisherigen Mitglieder jemals.

Jean Asselborn: Nein, das, das stimmt nicht. Also das ist, das ist falsch. Wenn wir Europa als ein Stabilitätsprojekt und ein Friedensprojekt sehen, dann müssen wir teilen. Das ist ja auch im Interesse der alten europäischen Länder - wenn ich mal diesen Ausdruck benutzen darf -, dass die Wirtschaft, dass die Stabilität und auch die Sozialpolitik in den neuen Ländern auf einen anderen Level gestellt wird. Das ist auch unser Interesse. Und um das zu erreichen, müssen wir diesen Ländern entgegenkommen. Und diese Vorschläge, die wir als Luxemburger gemacht haben, sahen ja schon viel, viel weniger als die, die Kommission gemacht hat. Und hier glaube ich sogar, dass auch mit den Deutschen, denn Bundeskanzler Schröder hat damals im Juni unseren Vorschlag, den Luxemburger Vorschlag, sehr stark unterstützt. Und ich glaube, dass wir auch einen Konsens finden könnten mit Frankreich und auch heute mit der Bundesregierung auf dem Niveau, das Luxemburg vorgeschlagen hat.

Dirk-Oliver Heckmann: Jetzt zeigt alles auf London. Großbritannien ist quasi ein bisschen der Buhmann. Aber nicht nur Großbritannien besteht ja auf seine Vorteile, sondern auch Frankreich im Zusammenhang mit den Agrarsubventionen, Deutschland möchte nicht mehr zahlen als bisher und auch die neuen Länder möchten auf die Zuwendung nicht verzichten. Ist da nicht Kompromissbereitschaft auf allen Seiten gefragt?

Jean Asselborn: Sicher. Also ich glaube, man muss den Briten helfen. Man muss den Briten wirklich helfen. Sie haben jetzt einen wichtigen Schritt getan. Und ich glaube, wenn wir heute unter uns Außenminister - was ich am Anfang gesagt habe - wieder versuchen, ihnen einzureden, dass wirklich eine Lösung für die Crédibilität, die Glaubwürdigkeit, Europas sehr, sehr wichtig ist, dass jeder selbstverständlich auch noch ein wenig geben muss und nicht alles bekommen kann. Aber dass die Engländer - und das sagt ja fast jeder der 24 anderen Länder -, dass die englische Präsidentschaft noch eine große Anstrengung machen muss, um die englische Regierung zu überzeugen, den richtigen Schritt noch zu machen. Das ist alles angedeutet. Der Briten-Rabatt muss definitiv werden, denn die Erweiterung ist ja auch definitiv. Die Lösung kann nur eine definitive Lösung sein. Und in Sachen Geld muss man die richtige Verteilung finden, damit die Solidarität - was ich Ihnen gesagt habe -, dass die respektiert wird.

Dirk-Oliver Heckmann: Wenn es jetzt zu keiner Einigung kommen sollte, in diesem Jahr noch, steckt dann die europäische Union vollends in der Krise, nach dem Debakel um die Verfassung?

Jean Asselborn: Ja also politisch ist das Bild, das wir dann abgeben, nachdem was in Frankreich und in Niederlanden geschehen ist, ist wirklich dann sehr alarmant, in meinen Augen. Zweitens muss man sehen, dass dann Artikel 272 des Vertrags spielt: Dass wir keine globale Politik auf fünf Jahre oder auf sieben Jahre mehr bewerkstelligen können, sondern dass Jahr für Jahr dann ein Entschluss gefasst werden muss und ...

Dirk-Oliver Heckmann: Wäre das so schlimm?

Jean Asselborn: Das wäre schlimm. Wir müssen uns immer in die Position der neuen Länder stellen. Die müssen ja Programme durchziehen. Diese Programme sind zum Teil vom Parlament, von der Kommission und vom Rat abgesegnet. Das kann man ja nicht Jahr für Jahr machen, wenn Ungewissheit besteht über den vollen Umfang solcher Programme, vor allem Investitionsprogramme.

Dirk-Oliver Heckmann: Am Anfang, Herr Asselborn, stand der britischen Ratspräsidentschaft schon eine starke Vision Tony Blairs von einem moderneren, effizienteren Europa. Wenn Sie kurz Bilanz ziehen würden der britischen Präsidentschaft, die jetzt zu Ende geht, wie würde die ausfallen?

Jean Asselborn: Also da würde ich mich zurzeit, also jetzt, wir haben ja zwei Wochen noch vor uns oder anderthalb Wochen, die extrem schwierig werden. ...

Dirk-Oliver Heckmann: Da kann noch viel passieren.

Jean Asselborn: Ja. Und ich glaube, Europa ist aufgebaut - was ich Ihnen gesagt habe - auch auf Solidarität, politische Solidarität. Es muss einer dem anderen helfen. Es nutzt nichts, wenn wir in der Öffentlichkeit einander schlecht machen. Das sollen wir nicht tun. Der Schlussstrich wird gezogen am Abend des 16. Dezember. Ich glaube noch immer, dass Tony Blair - wenn Sie ihn ansprechen -, er ist ein großer englischer Staatsmann, er wird in den nächsten anderthalb Wochen zeigen, dass er auch ein europäischer Staatsmann ist.

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