"Die EU hat ein seriöses Angebot im Agrarbereich gemacht". Nicolas Schmit au sujet des négociations lors de la conférence ministérielle de l'OMC à Hong Kong

Steffen Klatt: Seit vier Tagen wird hier in Hongkong verhandelt. Hat sich schon etwas bewegt?

Nicolas Schmit: Es bewegt sich relativ wenig. Die Verhandlungen sind in vielen Bereichen festgefahren. Es gibt einige Lichtblicke, aber in andern Bereichen scheint es eher rückwärts zu gehen. Das ist für das allgemeine Resultat hier in Hongkong etwas beunruhigend. Die Zeit drängt.

Steffen Klatt: Was sind die Lichtblicke?

Nicolas Schmit: Das ist hauptsächlich das Paket über die Entwicklungsländer. Wir haben da einige Fortschritte erzielt, obwohl es dort auch Probleme gibt. Bisher ist das Paket an der Bereitschaft unter anderem der Amerikaner gescheitert, den Freihandel für alle ärmsten Länder und für alle Produkte zu gewähren. Die ärmsten Länder bestehen darauf, dass alle Produkte einbezogen werden. Denn wenn einzelne Produkte herausgenommen werden, dann sind das immer diejenigen, bei denen diese Länder besonders konkurrenzfähig sind.

Steffen Klatt: In welchen Bereichen geht es in den Verhandlungen rückwärts?

Nicolas Schmit: Bei den Industrieprodukten wollen die Brasilianer unbedingt eine Verbindung zu den Agrarprodukten herstellen. Die ganzen Verhandlungen werden als Geisel für das Agrardossier genommen.

Steffen Klatt: War es seitens der EU klug, in der Landwirtschaft so viele Vorleistungen zu erbringen?

Nicolas Schmit: Ich meine, dass es klug war. Hätten wir das nicht gemacht, wäre das ein leichtes Spiel gewesen für diejenigen, die immer die EU-Agrarpolitik dämonisieren. Die Europäische Union hat gut daran getan, eine glaubwürdige Initiative beim Marktzugang, aber auch beim Abbau von Exportsubventionen zu unternehmen. Wir haben ein seriöses Angebot im Agrarbereich gemacht, auch wenn die andern sagen, dass es nicht genügt.

Steffen Klatt: Die EU ist bereit, die Exportsubventionen aufzugeben. Warum ist sie nicht bereit, den nächsten Schritt zu tun, dafür ein Enddatum zu geben?

Nicolas Schmit: Wir sind nicht dagegen, über Daten zu reden. Aber das Datum allein genügt nicht. Es muss klar sein, dass alles damit gemeint ist, wenn man von Exportsubventionen redet. Die Amerikaner können nicht danach sagen, dass ihre Lebensmittelhilfe nichts damit zu tun hat, dass ihre Exportkredite nichts damit zu tun haben. Die Kanadier können nicht danach sagen, dass ihre Exportgesellschaften für Getreide nicht unter Exportsubventionen fallen.

Steffen Klatt: Warum steht gerade Europa am Pranger?

Nicolas Schmit: Wir sind noch immer in einem Stadium, in dem die europäische Agrarpolitik dämonisiert wird. Man könnte glauben, dass alle eine liberale Agrarpolitik haben außer den Europäern. Die Amerikaner subventionieren viele Bereiche. Baumwolle ist ein Beispiel. Die Japaner sind hier sehr still. Aber sie haben auch Probleme mit Subventionen, etwa beim Reis. Wir müssen aus dieser Situation herauskommen. Deshalb war es ja so wichtig, dass wir diese Vorleistungen erbracht haben. Sonst wäre die Situation noch viel schlimmer.

Steffen Klatt: Ist Handelskommissar Peter Mandelson ein guter Interessenvertreter Europas?

Nicolas Schmit: Ja, absolut. Ich finde ihn sehr engagiert. Er verhandelt klar auf der Basis des Mandats, das er vom Rat bekommen hat. Er macht seine Sache sehr gut.

Steffen Klatt: Luxemburg ist kein Agrarstaat mehr. Trotzdem dreht sich hier vieles um die Landwirtschaft. Geht das nicht auf Kosten der exportorientierten Industrie und des Finanzplatzes?

Nicolas Schmit: Das ist das große Problem hier. Als Europäer sagen wir, dass die Runde umfassend sein muss. Es geht auch um Entwicklung, es geht um den Abbau der Industriezölle und natürlich auch um die weitere Öffnung im Dienstleistungssektor. Luxemburg will wie die ganze EU ein umfassendes, ausgeglichenes Paket. Es kann nicht sein, dass nur etwas bei den Agrarfragen herauskommt, aber nichts bei den Dienstleistungen. Das ist für Luxemburg, für die Europäische Union nicht annehmbar.

Steffen Klatt: Angenommen, es kommt zu einem Ergebnis. Was kann Luxemburg in dieser Liberalisierungsrunde gewinnen?

Nicolas Schmit: Wir können vieles gewinnen, beim Abbau von Zöllen, bei Marktzugang zu Ländern wie Indien und Brasilien. Wir haben sehr viel bei den Dienstleistungen zu gewinnen. Die luxemburgische Dienstieistungsindustrie, der Finanzplatz, aber auch die Unternehmen der Telekommunikation sind daran interessiert, neue Märkte zu öffnen. Das gilt besonders für Asien, aber auch für Lateinamerika.

Steffen Klatt: Bilden bilaterale Freihandelsabkommen eine Alternative? Die EU hat in bilateralen Verhandlungen ja eine viel größere Verhandlungsmacht als in der WTO.

Nicolas Schmit: Ja und nein. Bilaterale und multilaterale Verhandlungen schließen sich nicht aus. Als Europäer sind wir noch immer sehr an einer weiteren Entwicklung des multilateralen Rahmens interessiert.

Wenn wir nur noch auf den Bilateralismus übergehen, gibt es die Gefahr, dass wir die Weltwirtschaft regionalisieren, und dass wir zu neuem Protektionismus übergehen. Dann würden auch die Amerikaner versuchen, große, wichtige Märkte an sich zu reißen.

Damit entstehen Ungleichgewichte in den internationalen Handelsströmen.

Steffen Klatt: Mit welchem Ergebnis rechnen Sie bis Sonntag?

Nicolas Schmit: Man muss im Minimum erreichen, dass die Standpunkte nicht noch weiter auseinander gehen.

Steffen Klatt: Kann die Liberalisierungsrunde noch rechtzeitig abgeschlossen werden?

Nicolas Schmit: Das ist noch möglich. Aber dazu braucht es den politischen Willen aller Parteien.

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