Unter Druck. Marie-Josée Jacobs au sujet des maisons-relais

Stefan Kunzmann: Was ist neu an den "maisons-relais" im Vergleich zu den bisherigen Betreuungseinrichtungen?

Marie-Josée Jacobs: Sie funktionieren vor allem flexibler. In den bisherigen Crèches werden die Kinder entweder ganztags oder halbtags aufgenommen. In den "maisons-relais" zahlen die Eltern nach Stunden und nicht einen monatlichen Pauschalbetrag. Sie sind eigentlich für Kinder ab drei Jahren vorgesehen. Hinzu kommt, dass die Kinder auch von jemand aus der Gemeinde betreut werden können, wenn sie krank zu Hause bleiben müssen, zum Beispiel von einer Tagesmutter. Andererseits können die Kinder in die "maisons-relais" kommen, wenn ihre Tagesmutter krank ist.

Stefan Kunzmann: In dem betreffenden großherzoglichen Reglement ist die Rede von Jugendlichen bis zu 18 Jahren, in der Praxis sind in den "maisons-relais" aber nur Kinder bis zwölf Jahre.

Marie-Josée Jacobs: Selbstverständlich sind sie vor allem für diese Kinder gedacht. Das Familienministerium ist darüber hinaus zuständig für Jugendliche. So streben wir auch eine Vernetzung der Strukturen an, zu denen auch die Jugendhäuser zählen.

Stefan Kunzmann: Treten die "maisons-relais" in Konkurrenz zu den privaten Crèches?

Marie-Josée Jacobs: Nein, die privaten Crèches werden weiterhin für Kinder bis zum Alter von drei Jahren zuständig sein. Das Problem ist vielmehr, dass es auch zu wenig private Betreuungsplätze gibt.

Stefan Kunzmann: Ist die Qualität der Betreuung noch gewährleistet, wenn 40 Prozent des Personals aus schnell angelernten Hilfskräften und 20 Prozent aus ungelernten besteht?

Marie-Josée Jacobs: Zuerst geht es um die Definition der Aufgaben, die angeboten werden. Wir hatten bis jetzt in den konventionierten Crèches nur "éducatrices graduées", "éducatrices" und Kinderkrankenschwestern. Auch für die Hausaufgabenbetreuung von Schülern braucht man qualifiziertes Personal. Es müssen aber nicht immer nur hoch ausgebildete Leute sein, wenn es z. B. darum geht, in den Mittagsstunden das Essen zu verteilen. Das können weniger Qualifizierte übernehmen.

Stefan Kunzmann: Verschiedentlich wurde kritisiert, dass auf diese Weise vor allem Frauen schlecht bezahlte Arbeiten übernehmen müssen.

Marie-Josée Jacobs: Diese Frauen haben die Möglichkeit, sich weiterzubilden. Wer bisher keine Qualifikation hatte, kann so zum Beispiel "aide socio-familiale" werden und sich – bei geeigneter Ausgangslage – weiter zur "aide soignante" oder später sogar zur "éducatrice" ausbilden lassen. Für manche ist dieses die Möglichkeit für den beruflichen Wiedereinstieg.

Stefan Kunzmann: Inwiefern werden die Gemeinden in die Pflicht genommen?

Marie-Josée Jacobs: Bisher galt die Kinderbetreuung in sehr vielen Gemeinden nicht als Priorität. In den letzten Jahren hat jedoch ein Mentalitätswandel stattgefunden. Wenn man die teuren Eigenheime und die hohen Mieten in Betracht zieht, dann ist es für viele Familien unmöglich, mit einem einzigen Gehalt auszukommen. So ist der Bedarf an Betreuungsplätzen gestiegen und der Druck auf die Gemeinden größer geworden.

Stefan Kunzmann: Welche Rolle spielt die Kinderbetreuung in Zusammenhang mit der Lissabon-Strategie der EU?

Marie-Josée Jacobs: Im Rahmen der Lissabon-Strategie soll die Beschäftigungsquote der Frauen auf 60 Prozent erhöht werden. Wir sind in Luxemburg zurzeit laut Statec-Berechnungen bei 50,6 Prozent. Dies liegt nicht zuletzt am Mangel an Kinderbetreuungsplätzen.

Dernière mise à jour