"Ich muss nicht everybody's darling sein!". Jeannot Krecké au sujet de la situation économique au Luxembourg

Lëtzebuerger Journal: Herr Minister, man hat den Eindruck, je mehr Sie sich im Land um die Schaffung von Arbeitsplätzen bemühen, je mehr Sie an wirtschaftliche Vernunft appellieren, und je mehr Sie durch die Welt reisen, um neue Unternehmen anzulocken, desto mehr Prügel beziehen Sie sowohl in der Regierung als auch in Ihrer eigenen Partei. Tut Ihnen das nicht weh?

Jeannot Krecké: Selbstverständlich schmerzt das, umso mehr sogar, als ich das Gefühl habe, meine Arbeit keineswegs auf irgendwelche Schnapsideen auf zu bauen, sondern mich darum bemühe, reelle Schwächen unseres Landes zu beheben. Dazu gehört auch, dass man bisweilen weniger bequeme Aussagen machen muss, über die sich der eine oder andere nicht unbedingt freut. Ich verstehe meine Arbeit jedoch so, dass ich mich im Sinne dessen, was meine Partei auch vor den Wahlen schon zur notwendigen wirtschaftlichen Entwicklung geäußert hatte, dafür einsetze, dass für Luxemburg tatsächlich eine optimale Situation geschaffen werden kann. Sollte dieser Einsatz unglücklicherweise nicht als solcher gesehen werden, dann habe ich kein Problem damit, bei einer nächsten Regierungsbildung, sofern meine Partei daran beteiligt sein sollte, auf ein erneutes Regierungsamt verzichten zu müssen. Um meine Karriere mache ich mir da keine allzu großen Sorgen. Ich tue das, was ich für richtig halte im Rahmen der Ideen, die von meiner Partei entwickelt wurden und ich bin auch späterhin bereit, alle Konsequenzen aus meiner Handlungsweise zu tragen.

Weil ich aus innerer Überzeugung heraus meine Arbeit mache, habe ich vielleicht das eine oder andere weniger Angenehme gesagt. Ich könnte mir das Leben selbst auch wesentlich einfacher machen und mich bis 2009 möglichst ruhig verhalten. Allerdings wäre das von meiner Seite aus eine wenig verantwortliche Haltung, umso mehr als eine Reihe von Themen wirklich brennend sind und man diese prioritär aufgreifen muss. Luxemburg wird nicht weiterkommen dadurch, dass wir Probleme weiter vor uns herschieben und darauf warten, dass andere sich die Finger daran verbrennen. Das ist nicht meine Art und ich werde das auch in Zukunft nicht tun.

Eines Ihrer wesentlichen Anliegen, seit Sie das Amt des Wirtschaftsministers übernommen haben, ist die Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit unseres Landes. Haben Sie den Eindruck, dass dieses Anliegen von allen betroffenen Gesprächspartnern mit der notwendigen Ernsthaftigkeit gesehen wird?

Wir mussten leider feststellen, dass wir nicht einmal bei der Analyse der Situation auf einen gemeinsamen Nenner gekommen sind. Eine Einigkeit über die Einschätzung der Wettbewerbssituation besteht keineswegs, die klare Erkenntnis in die eine oder andere Richtung gibt es nicht. Die Meinungen sind sehr verschieden je nachdem ob sie aus Kreisen von Gewerkschaften, Arbeitgebern, Politikern oder Experten kommen. Das führt zu einer Polarisierung der Diskussion und damit verbunden auch zu überspitzten Meinungsäußerungen.

Wenn man sich aber nicht einmal in der Diagnose einig ist, dann erscheint es umso schwieriger, sich über die zu verabreichenden Medikamente zu einigen. Dazu kommt, dass Regierungsvertreter sehr oft bemüht sind, eine Situation besser dar zu stellen, als sie in Wirklichkeit ist. Hier ist es aber umgedreht: wenn man als Minister versucht, den Ernst der Lage zu vermittein, selbst wenn die Auswirkungen erst in den nächsten Wochen oder vielleicht erst in einem Jahr spürbar werden sollten, gibt es massig Leute die einem weismachen wollen, die Situation wäre im Grunde doch sehr viel günstiger. Damit wird die Welt etwas auf den Kopf gestellt.

Hat dieses Phänomen denn nicht auch etwas damit zu tun, dass der von Ihrer Partei und auch von Ihnen selbst für den Herbst 2004 in Aussicht gestellte "sommet de la relance" noch immer nicht stattgefunden hat. Hätte eine solche Veranstaltung nicht dazu beitragen können, zu einer einheitlichen Diagnose zu kommen und damit auch eine bessere Grundlage für die Verhandlungen zu schaffen?

Dieser "sommet de la relance" hat an sich stattgefunden, auch wenn er nicht wörtlich so genannt wurde. Die neue Runde der nationalen Tripartite, die abgehalten wurde zur Erstellung eines nationalen Aktionsplans, den wir mittlerweile nach Brüssel geschickt haben, war m.E. doch ein Ansatz in diese Richtung. Auch die Gespräche, die wir im Rahmen der Tripartite noch bis zu Mai kommenden Jahres führen werden, sind nichts anderes als das, was auch ein "sommet de la relance" hätte bringen sollen, nämlich zu sehen, wie man Luxemburg nicht nur budgetär, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht fit machen kann, um den Herausforderungen der nächsten Jahre begegnen zu können. Zumindest inhaltlich sehe ich dabei keinen Unterschied.

Auch als Energieminister sind Sie in den eigenen Reihen zuletzt stark kritisiert worden. Nun haben Sie zum Wochenbeginn die Ergebnisse der im vergangenen Jahr bereits in Auftrag gegebenen Studie über eine mögliche Steigerung der Versorgungssicherheit für elektrischen Strom vorgestellt, die klar beweisen, dass etwas geschehen muss und auch was getan werden muss. Werden die neuen Erkenntnisse nicht doch, wenigstens bei Ihren Regierungskollegen, zu einer gewissen Einsicht fuhren?

Ich hoffe zunächst einmal, dass die ganze Debatte etwas sachlicher geführt wird.

In dieser Studie sind zumindest eine Reihe von Vorschlägen gemacht worden, was man tun muss, um künftige Pannen zu vermeiden. Das muss man wenigstens zur Kenntnis nehmen. Ich war und ich bin kein Anhänger der Atomenergie und werde es auch nicht sein. Ich werde auch nicht verlangen, wir sollten den Atomstrom privilegieren. Ich stelle lediglich fest, dass wir zur Zeit eine Strommischung in unserem Netz haben, die auch Atomstrom beinhaltet. Wenn wir es ablehnen, uns an ein Netz anzuschließen, das eventuell einen höheren Anteil an Atomstrom führt, dann können wir über kurz oder lang – und das beweist eben diese Studie -einen erneuten "blackout" nicht ausschließen. Aber dann sollte doch bitte niemand mir vorwerfen, ich hätte nichts getan, um das zu verhindern.

Symptomatisch für Luxemburg?

Sehr oft. Ich würde mir wünschen, dass wir auch in Luxemburg losgelöst von reinen Gefühlsausbrüchen über solche Probleme diskutieren könnten. Wenn Greenpeace fordert, Arcelor müsse ihre Elektroofen mit Strom aus erneuerbaren Energien betreiben statt aus Kohle, Gas oder auch Atom, dann ist das einfach weltfremd.

Man kann diese Anlagen nämlich nicht mit Photovoltaik oder Windkraft betreiben. Ich verstehe die Sorge und würde deshalb auch begrüßen, wenn man eine möglichst starke Reduzierung des Atomstroms verlangen würde. Aber hier werden direkt Personen visiert, statt dass sachlich die Probleme angesprochen und auch die Gutachten von Experten berücksichtigt werden. Eine Versachlichung der Debatte würde uns vielen Problemlösungen näher bringen.

Auf Ihren Promotionsreisen treffen Sie mit vielen Unternehmern zusammen. Ist Luxemburg als Standort überhaupt noch auf der Höhe der Zeit und besteht nicht auch ein gewisses Mentalitätsproblem bei uns, das einen künftigen wirtschaftlichen Ausbau eher erschwert?

Wir sind bekanntlich in vielen Bereichen, beispielsweise in der Kommodo-Gesetzgebung, z.T. sicherlich auch mit guten Gründen, ziemlich streng, strenger jedenfalls als manche Nachbarn. Wir haben höhere Kosten, höhere Löhne und teurere Grundstücke, wobei jeder einzelne Punkt seine Berechtigung haben mag. In der Summe wird das allerdings insofern zu einem Problem, als man sich fragen muss, was noch irgendein Unternehmen bewegen soll, in Luxemburg zu investieren. Unternehmen haben eine Reihe von Kriterien, nach denen sie über einen künftigen Standort entscheiden, bevor es überhaupt zu einer engeren Auswahl kommt. Luxemburg ist in letzter Zeit mehrfach nicht in diese engere Auswahl gekommen und konnte damit auch nicht seine spezifischen Vorteile – Flexibilität und kurze Wege – ausspielen. Bei Unternehmen, die das Land und seine spezifischen Gegebenheiten nicht näher kennen, haben wir kaum noch eine Chance. Diese Tatsache kann man leider nicht aus der Welt reden.

Wird sich der nötige Mentalitätswandel denn vollziehen können?

Hier ist ganz einfach ein pädagogischer Prozess erforderlieh, den ich, entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten, in meinem jüngsten "Kéiséker"-Interview selbst vielleicht nicht beachtet habe. Ich habe in der Vergangenheit immer wieder versucht, den Leuten zu erklären, um was es geht, Zusammenhänge aufzuzeigen, um gegen pauschale Urteile an zu treten. Es gibt nun einmal einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung, Lebensqualität und sozialen Leistungen. Wenn ein Element verändert wird, dann hat das auch Auswirkungen auf die anderen. Wer das leugnet, sagt den Menschen nicht die Wahrheit.

Ich will aber eben die Wahrheit, oder die Wahrheit, von der ich überzeugt bin, sagen, ein Vorsatz, dem ich mich auch in Oppositionszeiten verpflichtet fühlte. Schon vor 10 Jahren habe ich betont, dass wir vor die Wahl einer Gesellschaft gestellt seien, in der wir entscheiden müssten, in welche Richtung die Entwicklung gehen soll. Auch die Beschlüsse des Rententisches basieren auf der Prämisse, dass wir weiterhin ein Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 4% brauchen. Das wiederum bedingt eine Reihe anderer Konsequenzen, u.a. auch einen höheren Energieverbrauch, der aber, wie andere Elemente, gerne geleugnet wird.

Fühlen Sie sich denn mit Ihrer Sicht der Dinge nicht etwas allein gelassen?

Nein, immerhin gibt es ja auch eine Menge Leute, die mir zustimmen und mir Mut machen, die anerkennen, dass auch unangenehme Dinge gesagt werden müssen, auch wenn das in der öffentlichen Meinung manchmal schlecht ankommt. Ich will ja auch nicht unbedingt "everybody's darling" sein, ich halte mehr darauf, mir selbst in die Augen schauen zu können in der Überzeugung, das richtige gesagt und getan zu haben, auch wenn niemand vor einem Irrtum gefeit ist.

Meine Aussagen werden aber nicht unbedingt geprägt davon, ob sie weiterhin meiner Karriere als Minister zuträglich sind.

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