"Hier kann sich Europa beweisen". Jean Asselborn au sujet de l'OPA lancée par Mittal Steel sur Arcelor

Tageblatt: Herr Asselborn, Thema Nummer eins, das Sie selbst überall angesprochen haben und auf das auch Sie angesprochen worden sind, war das Übernahmeangebot auf Arcelor. Wie reagierten Ihren deutschen Gesprächspartner?

Jean Asselborn: Ich habe ihnen erklärt: Luxemburg war vor 150 Jahren ein Land, das man nicht als reich bezeichnen kann. Die Stahlindustrie hat den Aufschwung gebracht. Während der Stahlkrise hat sich der Banken- und Finanzplatz entwickelt. Aber kein anderes Land hat das so gemacht wie wir: Wir haben eine Solidaritätssteuer von 7,5 Prozent erhoben, um die negativen Folgen der Stahlkrise zu überwinden.

Dann kam - für die Luxemburger Regierung absolut unvorbereitet - das Übemahmeangebot, das wir als feindlich ansehen. Das war für uns völlig unvorbereitet, weil es auf einer SMS-Mitteilung basierte. Bis heute sind wir nicht informiert, was eigentlich der Nutzen davon sein soll. Wir wissen nicht, welche Konsequenzen, welche tiefen Einschnitte in die soziale Struktur unseres Landes das haben würde. Hier in Deutschland beschäftigt Arcelor auf vier Standorten ungefähr 9.000 Menschen. Die spanische und die französische Regierung sind mit der Luxemburger auf einer Linie, in Berlin hat man sich noch Auszeit erbeten. Ich habe den Deutschen auch gesagt: Es geht nicht nur um die Luxemburger Interessen. Politisch gesehen muss man sich wirklich fragen, ob die Politik hier zusehen kann, ohne dass sie wirklich handfeste Garantien bekommt, damit diese Operation nicht einige wenige Leute auf der Welt sehr reich macht und die ganze Stahlproduktion trotzdem zusammenbricht. Dafür haben wir in Berlin auch Verständnis gefunden.

"Verständnis gefunden" – mehr nicht?

Jean Asselborn: Wir wollen zwar nicht so weit gehen, dass wir den Deutschen sagen, was sie tun sollen. Aber wichtig ist, ihnen zu übermitteln, dass man bei einer solchen Operation überlegen muss, ob die Politik nur zusieht. Oder ob sie wirklich Garantien verlangt, dass wir nach der Operation nicht vor unlösbaren sozialen Konsequenzen stehen. Die Optimierung der Aktionärsinteressen darf nicht auf Kosten unserer sozialpolitischen Kultur gehen. In Luxemburg ist der Reichtum nicht ohne Schweiß entstanden. Dieser Reichtum kann nicht einfach im Namen der Globalisierung zerschlagen werden, damit vielleicht anonyme Pensionsfirmen irgendwo auf der Welt davon profitieren.

Welche Konsequenzen hätte das für Europa?

Jean Asselborn: Wenn das schief geht, dann wird wieder Europa zum Sündenbock gestempelt. Obwohl Europa damit überhaupt nichts zu tun hat. Das Problem ist: niemand nimmt uns das ab. Wenn wir sagen, wir bauen ein starkes Europa, dann müsste dieses Europa auch die Kraft haben, nicht nur zu sagen, Konkurrenz ist das Beste zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Hier besteht konkret das Risiko, dass Arbeitsplätze abgebaut werden. Hier kann sich Europa beweisen. Es kann zeigen, dass wir in Zukunft Barrieren und Abwehrmittel gegen solche Operationen aufbauen müssen."

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