Presse- und Religionsfreiheit sind die höchsten Güter. Jean Asselborn au sujet de la visite officielle à Berlin

Tageblatt: Wie steht es um die einheitliche Reaktion Europas im Karikaturenstreit?

Jean Asselborn: Wir müssen als Europäer absolut solidarisch sein mit Dänemark. In Dänemark ist ein Impuls für eine Reaktion gekommen, die schwer zu verstehen und schwer zu akzeptieren ist. In Europa haben im Laufe der Jahrhunderte viele engagierte Bürger den Kopf hingehalten, um die Pressefreiheit zu erkämpfen. In der Demokratie sind die Pressefreiheit, aber auch die Religionsfreiheit die höchsten Güter. Das eine geht nicht ohne das andere. Die Reaktionen in der islamischen Welt darf man jetzt nicht überspitzt darstellen. In einigen Ländern steckten zweifellos die Regierungen hinter den Impulsen zur Gewalt. Ich nenne die Länder absichtlich nicht. Aber in vielen Ländern haben die Regierungen die diplomatischen Gebäude geschützt. Dort waren es ja eigentlich Demonstrationen auch gegen die eigene Polizei.

Haben Sie Verständnis für die Reaktionen im arabischen Raum?

Jean Asselborn: Ich war einmal in Gaza. Wenn man auf engstem Raum so viele Menschen ohne wirtschaftliche Perspektive für die jungen Leute leben lässt, muss man verstehen, dass die metaphysische Dimension anders ist als im aufgeklärten Europa. Wenn es dann Führer gibt, die Hass und Intoleranz predigen und sich auf harmlose Karikaturen beziehen, die politisch ausgelegt werden, muss eine Explosion kommen. Für solche Fanatiker reicht eine Karikatur, es könnte auch ein Lied oder sonst irgendetwas sein.

Es ist viel Schaden entstanden. Aber ich bin überzeugt, dass das abflauen wird. Ich rechne mit Abflauen und nicht mit einem Krieg der Kulturen. Wir dürfen uns auch nicht einschüchtern lassen und keine Abstriche in der Pressefreiheit machen. Aber: Der Dialog der Kulturen ist eine der Aufgaben des 21. Jahrhunderts. Diese Diskussion darf nicht nur in der Elite geführt werden. Das genügt nicht.

Es gab vereinzelt Kritik am österreichischen Krisenmanagement.

Jean Asselborn: Die österreichische Präsidentschaft hat das gemacht, was auch die Luxemburger Präsidentschaft gemacht hätte.

Wie sicher dürfen die Bulgaren und Rumänen sein, 2007 der EU beizutreten?

Jean Asselborn: Beide wissen, dass sie Fortschritte machen müssen. Man sollte jetzt nicht spekulieren. Ich mache absichtlich keine Prognose. Ich hoffe, dass beide Länder imstande sind, dass wir ihnen grünes Licht geben. Beide Länder haben Angst, dass die Diskussion in Europa in eine Richtung gezerrt wird, wo auch diese zwei Erweiterungsprozesse in Mitleidenschaft gezogen und sogar gestoppt werden kann. Das ist aber nicht der Fall. Beide wissen jedoch, dass sie in ihren Ländern noch sehr viel Arbeit haben. Ich hoffe, dass sie das bewerkstelligen.

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