"Dort Einfluss nehmen, wo wir es noch können". Jeannot Krecké au sujet de la compétitivité des entreprises luxembourgeoises

d'Handwierk: Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass in Luxemburg einige Themen nicht nüchtern zu diskutieren sind. Werden diese "schwachen Sicherungen" in unseren Entscheidungsmechanismen nicht langsam zum Wettbewerbsproblem?

Jeannot Krecké: Es stimmt, dass wir uns teilweise schwer damit tun, konkreten Problemen eine einheitliche Diagnose gegenüberzustellen. Das gilt sowohl für die Beurteilung des Ist-Zustands, als auch was die wirtschaftlichen Perspektiven Luxemburgs betreffen. Als Wirtschaftsminister habe ich in den vergangenen Monaten öfters darauf hingewiesen, dass die Regeln der globalisierten Marktwirtschaft sogar bei uns ihre volle Gültigkeit besitzen, auch wenn wir die ersten konkreten Auswirkungen dieses Phänomens erst jetzt zu spüren bekommen.

Der luxemburgische Markt ist offen. Unsere Unternehmen operieren im Ausland, ausländische Unternehmen kommen zu uns. Wie jedes andere Land auch, bewegen wir uns in Abhängigkeiten. Wir können nicht mehr alle Entscheidungen selbstständig treffen, sondern unsere Unternehmen und unser Standort müssen sich in einem stark konkurrenzierten Umfeld behaupten. Ich hoffe, dass sich diese Erkenntnis so schnell wie möglich durchsetzt, und dass man sich losgelöst von der rein luxemburgischen Perspektive über die Herausforderungen aber auch über die Lösungspisten, die sich auftun, unterhalten kann.

d'Handwierk: Politische Baustellen gibt es zurzeit so einige. Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?

Jeannot Krecké: Mit den öffentlichen Finanzen, der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und der Arbeitslosigkeit sehe ich drei Situationen, die man im Auge behalten muss.

Wir haben ein Problem bei den öffentlichen Finanzen, ganz besonders bei den staatlichen Ausgaben. Dort gibt es strukturelle Abhängigkeiten, die wir durch gezielte Maßnahmen abschwächen müssen. Die Arbeitslosigkeit in Luxemburg steigt weiter, obwohl die Zahl der Arbeitsplätze jedes Jahr um drei Prozent zunimmt. Wir haben also Probleme, die neu geschaffenen Arbeitplätze mit Luxemburgern und im Land wohnenden Ausländern zu besetzen. Darüber hinaus müssen wir natürlich den verbleibenden Handlungsfreiraum dazu nutzen, um die Wettbewerbssituation der Unternehmen zu verbessern.

Zu diesen Themen liegen eine Reihe von Vorschlägen auf dem Tisch. So wie in Luxemburg üblich, werden wir im Dialog mit den Sozialpartnern nach Lösungen suchen. Wenn nötig, wird sich die Regierung ihrer Verantwortung aber nicht entziehen.

d'Handwierk: In der Tripartite diskutieren die Sozialpartner teilweise schon seit Jahren, ohne dass man sich zu einer gemeinsamen Einschätzung der Lage hat durchringen können. Wird die Regierung Verantwortung übernehmen und Fakten schaffen, falls sich die Sozialpartner nicht auf eine gemeinsame Marschroute festlegen können?

Jeannot Krecké: Es kommt ein Punkt an dem man Diskussionen abschließen muss. Die Regierung hofft, dass es bis Anfang Mai, also vor der "État de la Nation"- Rede des Premierministers, zu einer Einigung über den Reformprozess kommen wird. Falls das nicht der Fall sein sollte, muss die Regierung ihre Verantwortung übernehmen und sagen in welche Richtung es gehen soll.

d'Handwierk: Um kurz auf die Kompetitivitätsdebatte zurückzukommen. Die Arbeitgeberseite warnt, dass die wirtschaftlichen Indikatoren zu Luxemburgs Ungunsten umzuschlagen drohen, während die Gewerkschaftsseite die aktuelle Lage und auch die Entwicklungschancen sehr positiv einschätzen...

Jeannot Krecké: Wie ich eingangs sagte, beurteilen die Sozialpartner die Perspektiven unterschiedlich. Wie wir uns tatsächlich entwickeln werden, hängt zu einem großen Teil von jenen Wettbewerbsfaktoren ab, die wir in einem globalisierten Umfeld noch selber beeinflussen können. Die Luxemburger Regierung hat keinen Einfluss auf die internationale Konjunktur oder auf den Ölpreis. Es bleiben uns aber eine Reihe von Rädern an denen wir drehen können.

d'Handwierk: In welchen Bereichen können wir noch konkret Einfluss ausüben?

Jeannot Krecké: Zu den Faktoren, die wir beeinflussen können, gehören Löhne und Lohnnebenkosten, unser steuerliches Umfeld, unsere Energiepolitik, die Infrastrukturen, die wir bereitstellen können, unsere staatlichen Finanzen und natürlich auch das, was als "gouvernance" bezeichnet wird, also wie unsere staatlichen und kommunalen Instanzen handeln. Das sind Aspekte auf die wir als Gesellschaft noch Einfluss ausüben können. Das setzt natürlich einen gewissen Konsens voraus.

d'Handwierk: Gerade in der Energiepolitik, oder im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Interessen scheint dieser Konsens zu fehlen?

Jeannot Krecké: Bei der Energiepolitik gibt es mehrere Faktoren zu beachten. Da wäre zum einen die Versorgungssicherheit, was Elektrizität, Gas und Erdöl betrifft. Wir müssen unseren Zugang zu den verschiedenen Märkten verbessern. Bis jetzt ist z.B. so, dass wir unsere Erdölprodukte exklusiv über Belgien beziehen. Das muss nicht so bleiben.

Auch was die Gebühren betreffen, müssen wir vernünftig bleiben. Wir können Energiepolitik nicht exklusiv auf dem Rücken der Wirtschaft betreiben, sondern brauchen eine gerechte Verteilung der Kosten. Über die Neugewichtung im Kompensationsfonds wurden beispielsweise mittelständische Unternehmen entlastet.

d'Handwierk: Unsere Verpflichtungen im Rahmen des Kyoto-Protokolls sind in der Öffentlichkeit ein heißes Eisen. Inwieweit beeinträchtigen die dort verankerten Reduktionsziele unsere wirtschaftliche Entwicklung?

Jeannot Krecké: Die Regierung ist sich ihrer Verantwortung in diesem Zusammenhang bewusst. Wir müssen aber berücksichtigen, dass bis dato vor allem in der Industrie und in den Unternehmen grosse Anstrengungen im Bereich der CO2-Reduzierung unternommen wurden. Weiteres Einsparungspotential und der entsprechende Handlungsbedarf bestehen bei den Privathaushalten und natürlich im Personen- und Warenverkehr.

Mit der Umsetzung der Wärmeschutzverordnung werden für Neubauten aber auch bei Renovationsarbeiten strengere Energierichtlinien gelten. Diese Maßnahme birgt zudem Entwicklungspotential für Handwerksunternehmen und für die Beschäftigung in diesem Sektor.

d'Handwierk: Mit den erneuerbaren Energien haben wir bereits einen Zukunftssektor durch fehlende Rechtssicherheit so gut wie wieder eingestampft...

Jeannot Krecké: Die Regierung hat nach einer Kosten-Nutzenanalyse ihre Förderpolitik angepasst. Solarenergie ist, im Vergleich zu ihrem Nutzen, unverhältnismäßig teuer. In Biogas und Biodiesel sehen wir das viel größere Potential und wir brauchen unsere finanziellen Ressourcen, um diese Technologien fördern zu können. Doch es stimmt, dass die Unternehmen eine gewisse Rechts- und Planungssicherheit brauchen und ich gebe zu, dass es zu Beginn des vergangenen Jahres in dieser Hinsicht nicht optimal gelaufen ist.

d'Handwierk: Wie steht die Regierung zum Vorstoß einiger Gemeinden, die auf ihrem Territorium eine eigene Abgabe auf Treibstoffen erheben wollen?

Jeannot Krecké: Der juristische Aspekt muss geklärt werden. Vom politischen her finde ich diesen Vorschlag eher abwegig. Die Treibstoffpreise werden über den Weg eines Rahmenabkommens auf nationaler Ebene festgelegt. Darüber hinaus besitzt die Preisgestaltung in diesem Bereich einen eminent politischen Charakter in Bezug auf unsere Wettbewerbsfähigkeit aber auch im Hinblick auf die dort entstehenden Steuereinnahmen, auf die wir angewiesen sind.

Falls es so ist, dass einige Gemeinden durch Tanktourismus übermäßigen Belastungen ausgesetzt sind, könnte man z.B. über den Verteilermodus der Gewerbesteuer nachdenken, so dass an jene Gemeinden, die eine rege wirtschaftliche Aktivität aufweisen und unterstützen, ein größerer Teil der Gewerbesteuer zurückfließt.

d'Handwierk: Sie haben es vorhin angesprochen. Das gesetzliche und reglementarische Umfeld ist zu den Wettbewerbsfaktoren einer Wirtschaft zu zählen. Dazu gehört zweifelsohne auch, wie man europäische Direktiven in nationales Recht umsetzt. Wird die Regierung in Zukunft von maximalistischen Umsetzungen, so wie sie in Luxemburg schon fast zu Regel wurden, absehen?

Jeannot Krecké: Die Regierung hat beschlossen Direktiven 1:1 umzusetzen. Wir müssen für faire Konkurrenzbedingungen sorgen und es kann nicht so sein, dass wir unseren Unternehmen mehr abverlangen, als ihren Konkurrenten aus der Großregion.

d'handwierk: Das gleiche gilt für den Verwaltungsaufwand. Nachdem die Regierung die Verringerung der administrativen Belastungen für die Unternehmen zu einer ihren Prioritäten erklärt hat, arbeitet ein Expertengremium nun an ersten Vorschlägen. Früher oder später müssen aber auch hier politische Entscheidungen fallen...

Jeannot Krecké: Die Verringerung des Verwaltungsaufwandes ist in meinen Augen ein klarer Wettbewerbsfaktor. Durch unsere sehr übersichtlichen Verhältnisse, könnten wir in Luxemburg auf dem Gebiet viel schneller Resultate erzielen, als z.B. unsere deutschen und französischen Nachbarn. An die Adresse der Unternehmen wäre ein Erfolg in diesem Bereich ein eindeutig positives Signal. Das eingesetzte Nationalkomitee für die administrative Vereinfachung ist mit den Vorbereitungsarbeiten beschäftigt. Ich erwarte mir nun konkrete Vorschläge, die wir in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Ministerien umsetzen können.

d'handwierk: Innovation ist ein Konzept, das sich nicht unbedingt nur auf die Hochtechnologie beschrankt, sondern in allen Sektoren Wettbewerbsvorteile bringen kann. Innovationsförderung ist deshalb eine weitere Priorität der Regierung. Wie könnte das z.B. für das Handwerk aussehen?

Jeannot Krecké: Aus einer ganzen Reihe von Ursachen haben wir in Luxemburg nun einmal die Kostenstruktur die wir haben. Um diesen Nachteil gegenüber unseren Konkurrenten auszugleichen, müssen wir mit unseren Produkten und Dienstleistungen auf Qualität setzten. Das gilt auch im Handwerk. Innovativ sein heißt in diesem Zusammenhang z.B. Produktionsprozesse, Vermarktung oder die innerbetriebliche Organisationsstruktur zu verbessern oder auf neuen Märkten Fuß zu fassen.

Gemeinsam mit den Handwerksorganisationen und Luxinnovation wollen wir die Unternehmen auf diesem Weg begleiten und auch konkret unterstützen. Diese Unterstützung kann die Form einer Investitionshilfe annehmen oder ein professionelles Beratungsangebot sein.

d'handwierk: Unsere Mitglieder sagen uns oft, dass es ausländischen Unternehmen sehr leicht gemacht wird, auf den luxemburgischen Markt zu kommen, ganz im Gegensatz zu luxemburgischen Unternehmen, die im benachbarten Ausland arbeiten wollen. Ist sich die Regierung dieser Tatsache bewusst?

Jeannot Krecké: Wir haben als kleiner Markt immer versucht, Grenzen zu öffnen und geschlossene Sektoren zu liberalisieren. Ohne diese Politik wären unser Finanzplatz und andere Erfolgsmodelle wie SES oder RTL gar nicht möglich gewesen. Aus diesen Gründen, aber auch vor dem Hintergrund des ohnehin offenen Binnenmarktes, macht es sehr wenig Sinn unseren Markt abzuschirmen. Wir sollten vielmehr versuchen in die Offensive zu gehen, auf unserem eignen Markt und auch darüber hinaus. Faire Bedingungen müssen aber auch für luxemburgische Unternehmen im Ausland gelten. Sollten Unternehmen auf Probleme stoßen, sollten sie uns das wissen lassen. In bilateralen Gesprächen mit den betreffenden Regierungen muss die Sache dann geklärt werden.

d'Handwierk: Herr Minister, wir danken für das Gespräch.

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