"Katastrophe für den Weltfrieden". Jean Asselborn au sujet de la situation en Iran

Dirk-Oliver Heckmann: Ob es wirklich stimmt, dass der Iran über leistungsfähigere Zentrifugen zur Anreicherung von Uran verfügt als gedacht und damit wesentlich schneller in den Besitz von Atombomben kommen könnte, zu diesen Berichten wird sicherlich im Report des Leiters der IAEO, El Baradei, etwas zu lesen sein, den er Ende des Monats dem UNO-Sicherheitsrat übergeben wird. So oder so stellt sich aber die Frage, wie soll die internationale Gemeinschaft auf die Herausforderung reagieren und wird überhaupt eine einheitliche Linie zu finden sein? In Moskau haben gestern Vertreter der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder und Deutschlands über das weitere Vorgehen beraten, bisher allerdings ohne Ergebnis.

Am Telefon ist jetzt Jean Asselborn. Er ist der Außenminister und Vizepremier Luxemburgs. Guten Morgen!

Jean Asselborn: Guten Morgen, Herr Heckmann!

Dirk-Oliver Heckmann: Herr Asselborn, wie sehen Sie das? Wie groß ist die Gefahr, dass sich Russland, China und der Westen auseinanderdividieren lassen vom Iran?

Jean Asselborn: Ganz klar: Ich glaube, der Weltfrieden verträgt ja keine militärische Lösung im Iran. Das weiß man hüben wie drüben. Das wäre eine Katastrophe. Aber der Iran, ausgestattet mit einer Atombombe, könnte zurzeit eine Gefahr für den Weltfrieden darstellen, weil die Führer Fanatismus, Hass und Intoleranz predigen und das auch dann umsetzen werden.

Ich glaube, dass die EU die große Weitsicht hat, den Iran zum politischen Dialog, zum wirtschaftlichen Dialog einzuladen. Der Iran hat zurzeit jedenfalls abgeschlagen. Es führt kein Weg an der internationalen Solidarität vorbei. Sie haben es angesprochen: In den P5 gibt es einen, der treibt. Es gibt zwei, die das Gegenteil tun. Bleiben noch die zwei Europäer plus Deutschland, die EU3, und die haben die Aufgabe zusammenzuhalten. Ich glaube, dass am 28.4. nicht viel Brauchbares geschehen wird. Ich hoffe noch immer, dass wirklich China und Russland zu der internationalen Solidarität stehen und dass wir in der Europäischen Union, die drei Länder, zusammenstehen und auch die Amerikaner vor einer Katastrophe bewahren.

Dirk-Oliver Heckmann: Dialog ist gut und schön. Dagegen hat sicherlich niemand etwas einzuwenden, wenn dieser Dialog dem Iran weiterhin auch angeboten wird. Aber stehen die Zeichen jetzt nicht mittlerweile auch auf Androhung von Sanktionen, und da scheinen ja Moskau und Peking weiterhin nicht mitziehen zu wollen?

Jean Asselborn: Sanktionen können die Potenzialität, wenn ich das so sagen darf, des Fanatismus noch erhöhen, wenn die Sanktionen nicht solidarisch von der internationalen Gemeinschaft getroffen werden. Ich habe noch einen Hoffnungs- oder einen Lösungsschimmer, dass Russland die industriemäßige Urananreicherung auf russischem Territorium ermöglicht und dass diese dort stattfinden könnte. Das ist ein Vorschlag, der nicht immer von den Iranern abgewiesen wird. Aber ich habe mehr Hoffnung, dass die Iraner, das ist ein junges Volk, selbst einmal die Bürde der Kette der Intoleranz ablegen. Ich werde den Eindruck nicht los, dass in den kommenden Monaten, vielleicht in den kommenden Jahren dieses Thema der Schlüssel ist für den Weltfrieden.

Dirk-Oliver Heckmann: Sie sagen Geschlossenheit, internationale Geschlossenheit ist wichtig bei der Verhängung oder Androhung von Sanktionen. Was aber, wenn es eben keine Einigung auf eine Sanktionsandrohung geben wird?

Jean Asselborn: Das ist ja nicht unmöglich. Wir werden dann sehen, wie die Wirksamkeit im Weltsicherheitsrat sich zuspitzen wird. Ich gehe noch immer davon aus, dass weder Russland, noch China, noch irgendein anderes Land auf der Welt ein Interesse daran hat, dass zurzeit der Iran mit einer Atombombe ausgestattet wird. Wirtschaftliche Gründe, geostrategische Gründe dürfen nicht vor dieses Prinzip gestellt werden, und ich hoffe, dass die Weltgemeinschaft auf dieser Linie sich zusammenfindet.

Dirk-Oliver Heckmann: Dennoch bleibt die Frage: Was geschieht, wenn sich eben die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder eben nicht einigen können?

Jean Asselborn: Wenn sogar Präsident Bush sagt, dass die Amerikaner eine diplomatische Lösung bevorzugen, dürfen Sie nicht verlangen, dass ein Europäer irgendwie auch nur darüber nachdenkt, dass dieser Konflikt militärisch gelöst werden kann. Das wäre eine Katastrophe für den Weltfrieden. Dazu darf es nicht kommen. Ich glaube, wenn die Iraner sehen, dass sie isoliert sind, dass die sich dann auch bewegen.

Dirk-Oliver Heckmann: Herr Asselborn, was sind denn aus Ihrer Sicht die Gründe dafür, dass Peking und Moskau sich verweigern bei dem Thema Sanktionen? Ist das die Sorge um den Weltfrieden, oder sind das eigene Interessen, die dort vorwiegen?

Jean Asselborn: Aus eigener Erfahrung weiß ich, ich habe mit den zwei Außenministern kürzlich geredet: Ihre Position ist klar. Sie wollen nicht, dass Iran eine Nuklearmacht wird. Wenn sie das nicht wollen, müssen sie selbstverständlich auch im Rahmen der internationalen Organismen - das ist der Weltsicherheitsrat - mit bereit sein, darüber nachzudenken, wie man das, ohne militärisch einzugreifen selbstverständlich, verhindern kann. Aber ich wiederhole noch einmal: Wir sollten uns nicht jetzt schon wieder nur beschränken auf Sanktionen. Wir sollten den Iran wirklich weltpolitisch gesehen isolieren und dann den Druck noch erhöhen. Das ist möglich. Da gibt es andere Mittel, als nur Sanktionen auszusprechen.

Dirk-Oliver Heckmann: Ich möchte mal auf die Rolle Russlands zu sprechen kommen, Herr Asselborn. Der russische Präsident Putin verfolgt nicht nur beim Iran einen eigenen Kurs, sondern auch im Verhältnis zur radikal-islamischen Hamas, die sich ja jetzt erst positiv über Selbstmordanschläge geäußert hat. Und während die USA und Europa die Finanzhilfen für die Autonomiebehörde gekappt haben, hat Russland angekündigt einzuspringen. Ist also Putin außenpolitisch auf Abwegen?

Jean Asselborn: Ich glaube, auch hier muss man rationell sehen, die EU ist ja auf einer Linie, wo es überhaupt keine Alternative gibt. Wir können weder EU-Gelder, noch können Mitgliedsstaaten Gelder einer Organisation zur Verfügung stellen, die eine Regierung führt, die nicht auf Gewalt verzichtet. Das ist für Deutschland unmöglich, das ist für die EU unmöglich - natürlich auf die Gefahr hin, dass dann andere einspringen. Russland, glaube ich, wird mit 50 Millionen nicht der Retter sein, aber der Iran ist da schon viel gefährlicher.

Natürlich müssen wir - und erlauben Sie mir, dass ich das auch sage; das ist wichtig - sehen, dass wir auch eine andere EU-Linie haben. Gegenüber unseren Freunden in Israel wiederholen wir - wir sagen es, wir schreiben es -, dass der Mauerbau in Jerusalem, dass die Siedlungspolitik in der Westbank, dass auch das Einhalten von Zoll und der Mehrwertsteuer eine Linie ist, die entgegen dem läuft, was wirklich notwendig ist, damit wir wieder zurückkommen in ein Gespräch auf der Linie der "road map". Ich war in Tel Aviv, und man ist in anderthalb Stunden in Gaza. Ich glaube in Tel Aviv weiß keiner, wie die Menschen - das sind 1,3 Millionen - in Gaza leben müssen. Das ist ein Gefängnis von 1,3 Millionen Menschen. Es ist sehr leicht, dass man mit Hass, mit Fanatismus, mit Terror operieren kann.

Mittelfristig gibt es nur eine Lösung, wenn jetzt die neue Regierung in Israel wirklich den Schritt macht und mit den Palästinensern redet - das hat Olmert ja auch gesagt -, damit in Gaza und auch in der Westbank die Menschenwürde wieder respektiert wird. Terror besiegen mit einem Mauerbau, mit Waffengewalt, mit Isolation auch, das ist irrealistisch. Der Ausweg ist, dass wir es fertig bringen müssen, in Israel, aber auch in der EU und auch in den USA, dass wir uns wieder zusammenraufen und alles tun, damit dieser Dialog wieder hergestellt werden kann.

Ich weiß, dass man nicht auf politischer Ebene mit der Hamas reden sollte. Das ist klar. Aber es gibt auch die Funktionärsebene. Man darf den Dialog nicht komplett abbrechen lassen, denn dann werden andere einspringen, und das ist weder im Interesse der westlichen Welt noch im Interesse Israels.

Dirk-Oliver Heckmann: Zur Krise im Nahen Osten war das der Außenminister und Vizepremier Luxemburgs, Jean Asselborn. Herr Asselborn, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Jean Asselborn: Bitte sehr.

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