Mars Di Bartolomeo: "Gesundheit und Altersvorsorge haben ihren Preis"

Marc Glesener: Herr Di Bartolomeo, Sie sind seit zwei Jahren Sozialminister. Wie sieht Ihre personliche Bilanz aus?

Mars Di Bartolomeo: Die Ressorts, für die ich verantwortlich bin, sind mit sehr großen Herausforderungen verbunden. Diesen Herausforderungen habe ich mich von Anfang an gestellt. In erster Linie geht es darum, die qualitativ hochwertigen sozialen Sicherungssysteme am Leben zu halten. Und das in einer längerfristigen Perspektive. Das gilt vor allem für das Rentensystem. Damit das System finanzierbar bleibt, müssen wir es natürlich anpassen. Im Herbst kommt es zu einer ersten Konzertierungsrunde mit den Sozialpartnern. Wir wollen gemeinsam die Punkte identifizieren, die Gegenstand von Reformen sein sollen. Solche Reformen sind in meinen Ressorts ein permanenter Prozess, dem man sich nicht verschließen kann.

Marc Glesener: Sie wollen den Reformweg gemeinsam mit den Sozialpartnern beschreiten. Ist denn überhaupt auf allen Seiten der Wille zu Reformen da?

Mars Di Bartolomeo: Sehen Sie, man kann doch die Realitäten nicht verkennen. Versicherungsperioden werden kürzer. Die Menschen haben eine höhere Lebenserwartung. Hinzu kommt die spezifische Lage am Arbeitsmarkt, die bedingt, dass in Zukunft immer mehr Leistungen exportiert werden. Das alles sind Fakten, die nicht außer Acht gelassen werden können. Was das Miteinander mit den Sozialpartnern angeht, so ist mir daran gelegen, dieses Partnerschaftsmodell zu stärken. Das hat übrigens bei den Krankenkassen zu einem regelrechten Sinneswandel und positiven Resultaten geführt.

Marc Glesener: Was meinen Sie konkret damit?

Mars Di Bartolomeo: Unmittelbar nach meinem Amtsantritt im August 2004 war ich bei den Krankenkasssen mit einem Millionenloch im Budget konfrontiert. Es fehlten 200 Millionen Eüro. Wir mussten handeln. Dessen waren sich alle Partner bewusst. Und sie alle haben Verantwortung übernommen. Es bleibt zu hoffen, dass sich nun niemand aus dieser Verantwortung hinausschleichen wird. Jedenfalls haben wir gemeinsam ein wichtiges Stück Weg zurücklegen können und uns auf Quadripartite-Ebene auf eine ganze Zahl konkreter Schritte im Sinne einer Sanierung der Kassen einigen können.

Marc Glesener: Wobei die medizinische Betreuung in Zukunft kaum billiger werden wird. Es muss demnach irgendwann doch zu einer Diskussion über Finanzierung und Lastenteilung kommen.

Mars Di Bartolomeo: Das stimmt. Es ist eine Illusion zu glauben, dass der medizinische Fortschritt die Versorgung billiger machen wird. Das Gegenteil ist der Fall. Darüber hinaus wird die Nachfrage steigen. Weil dem so ist, müssen die Versicherten auch einen angemessen Beitrag leisten. Wichtig ist es allerdings auch, konsequent auf den bestmöglichen Einsatz der Mittel hinzuwirken. Das war und ist immer noch eine meiner Prioritäten im Krankenkassendossier.

Marc Glesener: Wenn ich Sie richtig verstehe, wird die soziale Absicherung die Menschen aber irgendwann teurer zu stehen kommen?

Mars Di Bartolomeo: Die Menschen müssen sich bewusst sein, das das Absichern von Risiken natürlich seinen Preis hat. Ich habe von einem angemessenen Beitrag gesprochen, weil wir uns nicht vom Solidarmodell verabschieden wollen. Das ist und bleibt die Grundlage unseres Systems. Eine bescheidene Erhöhung von Beiträgen, oder eine punktuelle Steigerung der Eigenbeteiligung bei Bagatellen steht doch aber eigentlich in keinem Verhältnis zu dem, was an schwer wiegenden Risiken abgesichert ist.

Marc Glesener: Zu dem bestehenden System gehört auch die Pflegeversicherung. Sind hier Kurskorrekturen geplant?

Mars Di Bartolomeo: Nach sieben Jahren ist es tatächlich an der Zeit, Bilanz zu ziehen und gegebenenfalls nachzubessern. Wobei es auch im Bereich der Pflegeversicherung darum geht, die Leistungen so effektiv wie möglich einzusetzen. Die im Rahmen der Tripartite abgemachte Anhebung der Beiträge ist meines Erachtens absolut zu vertreten. Das vor allem angesichts der Risiken, die abgedeckt werden. Im Durchschnitt schlägt die Pflege pro Person mit 3000 Euro im Monat zu Buche.

Marc Glesener: Natürlich sind für Sie die Dossiers Krankenkassen und Pensionen Schwerpunkte im politischen Geschäft. Worauf sind Sie denn als Gesundheitsminister besonders stolz?

Mars Di Bartolomeo: Auf das Antitabak-Gesetz. Mit diesem Gesetz ist es zu einem richtungweisenden Durchbruch in der Politik gekommen. Wir haben den Beweis dafür erbracht, dass die Gesundheit Vorrang vor anders gelagerten Interessen hat. Das Antitabak-Gesetz hat daher in meinen Augen Symbolcharakter. Es ist übrigens ein wichtiger Bestandteil der gesamtpolitischen Strategie im Gesundheitsressort. Wir legen großen Wert auf Gesundheitserhaltung und damit eng verbunden auf Prävention. Diese Stoßrichtung hat; auch die nationale Gesundheitskonferenz vorgegeben.

Marc Glesener: Vor Ihnen liegt die zweite Hälfte der Legislaturperiode. Welches sind die Schwerpunktthemen für die kommenden Monate?

Mars Di Bartolomeo: Fangen wir bei der sozialen Sicherheit an. Seit mehreren Wochen laufen die Diskussionen über das Einheitsstatut für Arbeiter und Beamte. Wir hoffen, dass es noch vor Jahresende mit den Sozialpartnern zu einer Einigung kommen wird. Wir wollen eine Konsenslösung herbeizuführen. So wie es in der Tripartite vereinbart worden war. Ein anderes Schwerpunktthema, dem ich mich verstärkt widmen werde, ist das Rentensplitting. Im Herbst wird es in dieser Domäne erste konkrete Vorschläge geben.

Marc Glesener: Einheitsstatut, Rentensplitting, das sind keine einfache Aufgaben. Was kommt im Gesundheitsressort in naher Zukunft auf Sie zu?

Mars Di Bartolomeo: Da wäre zum Beispiel die Aufstellung des neuen Spitalplans, den wir im kommenden Jahr vorlegen werden. Die Grundlage des Plannings ist die Bestandsaufnahme des Sektors. Diese werden wir in Form der "carte sanitaire" im Herbst präsentieren.

Marc Glesener: Bleiben wir beim Spitalplan. Stehen wir etwa wieder vor einer Endlosdebatte über die Zahl von Akutbetten?

Mars Di Bartolomeo: Nein, keine Angst. Ein wesentlicher Punkt des Spitalplans wird die Definierung der Dienste sein, wobei die Spezialisierung den Dreh- und Angelpunkt darstellen wird. Es soll nicht überall alles angeboten werden. Was wir brauchen, ist eine klare Ausweisung von Diensten und Angeboten. Die hochwertige Qualität ist es, worauf es unterm Strich ankommt.

Marc Glesener: Und wie ist es mit der Stärkung der Rolle des Hausarztes?

Mars Di Bartolomeo: Das ist für mich nach wie vor em sehr wichtiges Anliegen. Der Hausarzt spielt eine wesentliche Rolle in unserem System. Auch und vor allem bei der medizinischen Grundversorgung. A propos Grundversorgung: Es ist vorgesehen, mit den Ärzten über eine neue Organisation des Notdienstes zu verhandeln. Dieser muss 24 Stunden auf 24 und sieben Tage die Woche funktionieren.

Marc Glesener: Sie haben eben mit Familienministerin Marie-Josée Jacobs ein neues Gesetz über das Palliativangebot im Parlament eingebracht. Wann wird dieses Gesetz in Kraft treten?

Mars Di Bartolomeo: Hoffentlich vor den Sommerferien 2007. Das Gesetz an sich ist als riesiger Fortschritt zu werten und gehört sicher zu den Projekten, die bei einer ersten Bilanz von Schwarz-Rot unbedingt hervorgestrichen werden müssen.

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