François Biltgen: "Noch keine Entwarnung". Le ministre du Travail et de l'Emploi au sujet du marché de l'emploi au Luxembourg

Dani Schumacher: Herr Minister, die Arbeitslosenzahlen zeigen seit geraumer Zeit nach unten. Gibt es eine Trendwende?

François Biltgen: Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob wir bereits eine Trendwende haben. Es gibt Elemente, die mich zuversichtlich stimmen. Es gibt aber auch Faktoren, die mir nach wie vor Sorgen bereiten. Positiv ist, dass wir einen weiteren Anstieg abwenden konnten, für den Augenblick jedenfalls. Positiv auch, dass die Wirtschaft wieder anzieht und dadurch wieder neue Arbeitsstellen entstehen. Optimistisch stimmt mich ferner, dass einige freiwillige Maßnahmen, die bei der Tripartite beschlossen wurden, wie etwa der "stage d'insertion" anfangen zu greifen.

Es bleiben allerdings einige Unsicherheiten. So wissen wir bislang nicht, ob und inwieweit sich das Konzept des "Maintien dans l'emploi" auswirken wird, da uns die Statistiken noch fehlen. Auch bleibt abzuwarten, wie sich die Zahlen im Herbst entwickeln werden. Traditionell ist zu dieser Jahreszeit nämlich mit einem Anstieg zu rechnen. Wirkliche Sorgen mache ich nur allerdings um die Arbeitslosen, die nur sehr schwer zu vermitteln sind. Diese Zahl nimmt weiterhin kontinuierlich zu. Vor allem ältere Arbeitnehmer und Menschen mit eingeschränkter Arbeitsfähigkeit sind davon betroffen. Mittlerweile sind etwa ein Drittel aller Erwerbslosen Langzeitarbeitslose. Für eine generelle Entwarnung ist es demnach noch viel zu früh.

Dani Schumacher: Welche Bilanz ziehen Sie beim "Maintien dans l'emploi"?

François Biltgen: Am Anfang war es recht schwierig, die Arbeitgeberseite und die Gewerkschaften haben etwas anderes darunter verstanden als ich. Doch mittlerweile haben sich unsere Ansichten angenähert. Dazu muss man wissen, dass der Arbeitserhalt eher eine Philosophie darstellt als ein Instrumentarium. Es reicht demnach nicht, ein Gesetz zu schaffen, um das Problem zu lösen.

In der heutigen Zeit sind Umstrukturierungen in den Betrieben unausweichlich. Wenn es Probleme gibt, sollte man so früh wie möglich gegensteuern, um am Ende einen Sozialplan zu verhindern. Das hat den Vorteil, dass man genügend Zeit hat, um neue Arbeitsplätze für die betroffenen Mitarbeiter zu suchen. Wenn man rechtzeitig aktiv wird, ist das Konzept des "Maintien dans l'emploi" auch erfolgreich. Ein gutes Beispiel dafür ist die Luxair. Bei Firmen wie Villeroy, TDK und Monopol mussten wir hingegen den Arbeitserhalt im Rahmen eines Sozialplans anstreben. Das ist weitaus schwieriger. Da läuft uns die Zeit davon. Wir müssen die betroffenen Mitarbeiter ja erst fit machen für den neuen Arbeitsplatz. Wichtig ist allerdings, dass alle Akteure, Betriebsleitung, Gewerkschaften, Adern, das Arbeitsministerium, aber auch der Sektor an einem Strang ziehen und dass es ein Begleitorgan gibt.

Dani Schumacher: Wird es eine gesetzliche Basis für den Arbeitserhalt geben?

François Biltgen: Im September werde ich ein Gesetzesprojekt vorstellen, das auf den Beschlüssen der Tripartite basiert. Ziel das Projektes ist es, dass u.a. das Konjukturkomitee aktiv werden kann, wenn der berechtigte Verdacht besteht, dass ein Betrieb in eine finanzielle Schieflage geraten ist. Auch die Gewerkschaften oder der Betrieb selbst können die Initiative ergreifen. Dann kann gegebenenfalls ein Audit durchgeführt und anschließend ein "plan de maintien dans l'emploi" auf die Beine gestellt werden. Die Maßnahmen werden allerdings nur freiwilligen Charakter haben. Um den betroffenen Betrieben einen Anreiz zu liefern, werden einige Vorteile mit dem "plan de maintien dans l'emploi" verbunden sein.

Dani Schumacher: Was wollen Sie bei den Beschäftigungsinitiativen unternehmen?

François Biltgen: Wir müssen uns bewusst sein, dass es Menschen gibt, die zwar arbeiten wollen, die aber aus welchen Gründen auch immer in der freien Wirtschaft nicht mithalten können und daher keinen Job finden. Als wir die Beschäftigungsinitiativen ins Leben gerufen haben, haben wir geglaubt, dass eine zweijährige Betreuungszeit ausreichen würde, um diese Menschen wieder fit zu machen für den ersten Arbeitsmarkt. Heute bin ich der Meinung, dass einerseits ein Teil der Betroffenen auch über die Betriebe wieder eingegliedert werden kann. Die Beschäftigungsmaßnahmen müssen sich andererseits ausschließlich auf diejenigen konzentrieren, die wirklich keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Das Hauptproblem dieser Mensehen bleibt vor allem die mangelhafte Qualifikation.

Dani Schumacher: Wobei wir wieder bei der Reform des Bildungssystems wären ...

François Biltgen: Ich warte in der Tat auf eine Reform des Schulsystems. Wenn auf diesem Gebiet nichts passiert, werden wk in spätestens zehn Jahren ein gravierendes Problem bei der Jugendarbeitslosigkeit haben. Ein Diplom ist und bleibt der beste Schlüssel in die Arbeitswelt. Wir brauchen aber auch unbedingt eine bessere Berufsorientierung. Die "filière technicien commercial et administratif" führt z.B. mittlerweile nur all zu oft in die Arbeitslosigkeit. Trotzdem entscheiden sich nach wie vor viele Jugendliche für diesen Bereich.

Dann brauchen wir aber auch eine Lösung für die Schulabbrecher. Statt dass diese "drop outs" von der Schulbank in die Arbeitslosigkeit abrutschen, sollen sie künftig von den Schulen aufgefangen werden. Zwei Gesetzesprojekte sollen hier Abhilfe schaffen.

Das Projekt von Unterrichtsministerin Delvaux sieht eine Reform des Berufsfortbildungszentrums (CNFPC) vor, das von Familienministerin Jacobs hat die Einführung des "service volontaire" zum Ziel. Dies beweist einmal mehr, dass die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit längst zur ressortübergreifenden Angelegenheit geworden ist

Dani Schumacher: Die OECD hat in Ihrem Bericht kritisiert, das Arbeitslosengeld sei zu hoch. Sehen Sie das auch so?

François Biltgen: Ich bin absolut nicht dieser Meinung. Wer seinen Job verliert, soll nicht auch noch in die Armut absinken. Außerdem ist das Arbeitslosengeld auf zwölf beziehungsweise 18 Monate begrenzt. Allerdings werden wir in Zukunft strenger durchgreifen.

Die OECD kritisiert auch, dass zu viele Arbeitnehmer von der Frührente profitieren. Das ist in der Tat ein Mentalitätsproblem, das noch von der Stahlkrise herrührt. Wir müssen deshalb sowohl bei den Arbeitnehmern als auch bei den Betrieben einen

Mentalitätswechsel herbeiführen. Vor allem bei der "preretraite ajustement" muss nachgebessert werden. Es kann nicht sein, dass ein Betrieb, der in Schwierigkeiten geraten ist, wegen der staatlichen Unterstützung zuerst die älteren Mitarbeiter nach Hause schickt. Die Beschlüsse der Tripartite sehen deshalb vor, dass der Betrieb in Zukunft zwischen 30 und 75 Prozent übernehmen muss, statt wie bisher zwischen null bis 50 Prozent.

Dani Schumacher: Eine Frage an den Hochschul- und an den Forschungsminister. Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung der Uni Luxemburg?

François Biltgen: Ja, auch wenn es noch Handlungsbedarf gibt. Die Hauptsache ist aber, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Das Konzept der Forschungsuniversität ist mittlerweile allgemein akzeptiert. Auch die Uni selbst hat Tritt gefasst. Die einzelnen Bausteine wachsen nun endlich zusammen. Die Fakultäten stellen sich auf und der Vierjahresplan steht. Und auch die leidige Standortdiskussion ist endlich geklärt. Erste Erfolge lassen denn auch nicht auf sich warten. Ich erinnere nur an das Projekt 2010, wo die Uni Luxemburg federführend sein wird. Andere Projekte werden folgen. Das stärkt einerseits das Image der jungen Universität, das ist aber auch unbedingt notwendig für den Wirtschaftsstandort Luxemburg. Außerdem, und hier spreche ich dann wieder als Arbeitsminister, entstehen bei der praktischen Umsetzung und bei der Kommerzialisierung solcher Projekte am Ende zahlreiche hochkarätige Arbeitsplätze. Ein Beispiel: TDK hat sich im Rahmen des Sozialplans verpflichtet, seinen Lehrstuhl für Umwelt und Energie an der Uni zu finanzieren. Wenn die gemeinsame Forschung am Ende zu neuen Produkten führt, dann hat Luxemburg große Chancen, dass diese Produkte auch hier im Land hergestellt werden. Die "public-private-partnership" wird immer wichtiger, wenn wir den Wirtschaftsstandort fördern wollen.

Dani Schumacher: Bei der Regierungsumbildung im Februar haben Sie die Kultur an Staatssekretärin Modert abgegeben. Bereuen Sie diesen Schritt?

François Biltgen: Auch wenn ich das Ressort gerne betreut habe, so bin ich doch sicher, dass die Kultur bei Octavie Modert in besten Händen ist. Ich habe heute mehr Zeit, mich selbst einzubringen. Sowohl als Arbeits- wie auch als Hochschul- und als Forschungsminister kann ich nun mehr Präsenz vor Ort bei den Betroffenen zeigen. Und das ist mir wichtig.

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