Kunst braucht das Land. Octavie Modert au sujet des infrastructures culturelles au Luxembourg et du développement de l'Université du Luxembourg

Dani Schumacher: Frau Modert, bei der Eröffnung des Mudam stieß der Museumsbau auf große Begeisterung, die Exponate waren hingegen sehr umstritten. Ist Luxemburg noch nicht reif für ein Museum für zeitgenössische Kunst?

Octavie Modert: Luxemburg ist sicher reif für ein solches Museum. Vielleicht sind einige noch nicht so sehr mit der zeitgenössischen Kunst vertraut. Und genau dies ist das Ziel des Mudam: Die Menschen an die zeitgenössische Kunst heranführen. Zudem muss nicht jeder mit allem einverstanden sein. Kunst bedeutet auch immer Diskussion. Mit der aktuellen Ausstellung, die nur einen Teil der Mudam-Kollektion präsentiert, wollten wir u.a. auf die Vielfältigkeit der zeitgenössischen Kunst hinweisen. Die Ausstellung kennt übrigens einen schönen Erfolg, pro Tag werden etwa 500 Besucher gezählt. Das Publikum ist gemischt und kommt teils aus Luxemburg teils aus dem Ausland. Sehr viele kommen sogar ganz speziell nach Luxemburg, weil sie sich das neue Museum ansehen wollen. Das Land hat durch das Mudam eindeutig einen zusätzlichen Anziehungspunkt bekommen.

Dani Schumacher: Weshalb bezieht das Kulturjahr 2007 die Großregion mit ein. Schafft Luxemburg die Herausforderung nicht allein?

Octavie Modert: 1995 war Luxemburg allein europäische Kulturhauptstadt, 2007 wollten wir deshalb neue Wege gehen. Wenn wir schon zusammen leben und arbeiten, dann können wir auch ein Kulturjahr zusammen ausrichten und so dem alltäglichen Miteinander eine zusätzliche konkrete Komponente hinzufügen. Allerdings bleibt Luxemburg Hauptakteur bei dem Projekt. Das Thema "Großregion" allein ist schon Motto und Programm genug für das Kulturjahr. Jedoch hat jede teilnehmende Region ihre Thematik. Speziell in Luxemburg kommt dann das Thema Migration hinzu. Dabei werden die unterschiedlichen Aspekte der Migration beleuchtet: Die Grenzgänger, die Auswanderung der Luxemburger, aber auch die Einwanderungswellen nach Luxemburg. Die rumänische Stadt Sibiu wird übrigens auch in das Kulturjahr eingebunden sein, eine weitere Initiative der Luxemburger Regierung. In die Region Siebenbürger mit der Stadt Sibiu sind ehemals viele Luxemburger, aber auch Einwohner der heutigen Großregion in mehreren Wellen ausgewandert. Die Luxemburger in Amerika beteiligen sich auch am Kulturjahr: Wir organisieren deshalb des Weiteren eine Ausstellung auf Ellis Island über die luxemburgische Auswanderung. Dann liegt mir besonders das Programm für die Jugend am Herzen, das sich zum Großteil in der zweiten "Rotonde" abspielen wird.

Dani Schumacher: Wie sieht es mit dem Timing und mit dem Budget aus?

Octavie Modert: Wir liegen sehr gut im Zeitplan und beim Budget werden die veranschlagten 25 Millionen eingehalten.

Dani Schumacher: Wie geht es mit der Nationalbibliothek weiter?

Octavie Modert: Es wird ganz sicher eine neue Nationalbibliothek gebaut, weil das alte Gebäude aus allen Nähten platzt. Leider musste das Projekt zeitlich verschoben werden, weil das Schuman-Gebäude erst in etwa sechs Jahren frei wird. Es sieht im Moment ganz danach aus, dass das Schuman-Gebäude abgerissen wird. Neue Pläne liegen zwar noch nicht vor, aber wir arbeiten schon am inhaltlichen Konzept. Bei einem Neubau kann dann auch den Ansprüchen einer modernen Bibliothek wirklich Rechnung getragen werden. Außerdem ist vorgesehen, dass das Institut Grand-Ducal mit seinen sechs Sektionen sowie die Société de préhistoire in die Nationalbibliothek integriert werden. Die eigentliche Bauphase kann aber wie gesagt nicht vor dem Umzug der Europabeamten 2012/2013 beginnen.

Dani Schumacher: Waren Prestigeprojekte wie die Philharmonie und das Mudam wirklich nötig?

Octavie Modert: Luxemburg hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg nur wenige wichtige öffentliche Bauwerke geleistet. Deshalb war es richtig, dass wir in diesem Fall architektonische Akzente gesetzt haben. Zudem sind beide Projekte nicht überdimensioniert gedacht worden. Wir werden uns am Ende vor der Geschichte rechtfertigen müssen, oder uns die Frage gefallen lassen, wieso in einer Zeit des allgemeinen Wohlstands nichts für die Zukunft hinterlassen worden ist. Ein eigenständiges Land braucht Einrichtungen wie das Mudam oder die Philharmonie, die zu der Attraktivität unseres Landes im Ausland beitragen und ein klarer Standortfaktor sind.

Dani Schumacher: Stichwort Festungsmuseum ...

Octavie Modert: Das Festungsmuseum soll noch im Kulturjahr eröffnet werden. Der ursprüngliche Zeitplan wurde durcheinander geworfen, weil das Konzept des ausländischen Experten, der mit der Ausarbeitung betraut worden war, zu militaristisch und ballistisch ausgefallen war und den anderen Aspekten eines Festungslebens nicht Rechnung getragen hat. Wir wollten hingegen die Entstehungsgeschichte des Landes mit einbeziehen, d.h. wie die Festung das Land und somit auch die Identität seiner Einwohner geprägt hat. Denn ohne die Festung gäbe es wahrscheinlich heute kein unabhängiges Luxemburg. Zur Zeit arbeitet ein Team, das sich größtenteils aus luxemburgischen Experten zusammensetzt, am inhaltlichen und museologischen Konzept. Das Museum auf "Dräi Eechelen" soll Festung, Geschichte und die Identitäten Luxemburgs und seiner Einwohner behandeln.

Dani Schumacher: Welche größeren Infrastrukturprojekte stehen, noch an?

Octavie Modert: Nach der Fertigstellung der Philharmonie und des Mudam steht wie bereits angedeutet die Eröffnung des Festungsmuseums noch auf der Agenda. In den nächsten Jahren steht nebst Nationalbibliothek noch der Neubau der Nationalarchive an, das auf den Industriebrachen in Esch-Belval angesiedelt werden soll, wenn das aktuelle Gebäude in die "Cité judiciaire" auf dem Heilig-Geist-Plateau integriert wird. Am gleichen Standort soll übrigens auch das "Centre national de la culture industrielle" entstehen. Aber Kulturpolitik beschränkt sich ja nicht nur auf Bauten und Infrastrukturpolitik.

Dani Schumacher: Thema Hochschule. Wie entwickelt steh die Uni Luxemburg?

Octavie Modert: Die Universität hatte unter Kinderkrankheiten zu leiden. Das ist unausweichlich, wenn etwas fast gänzlich Neues aus bestehenden "Embryonen" entstehen soll. Erschwerend kam hinzu, dass der erste Rektor François Tavenas unerwartet verstarb, gerade als das Projekt Fahrt aufnehmen sollte. Die Universität ist mittlerweile den Kinderschuhen entwachsen. Es bleiben noch ein paar Klippen zu umschiffen. Etwa die Rekrutierung der Professoren geht nicht so schnell, wie Außenstehende das glauben. Gute Fachkräfte findet man nicht an jeder Ecke. Wichtig ist, dass der Vierjahresplan nun steht.

Dani Schumacher: Was war die bisher größte Herausforderung in Ihrer Amtsperiode?

Octavie Modert: Man muss wissen, dass Luxemburg gleich zu Anfang dieser Legislaturperiode den EU-Vorsitz innehatte. Deshalb musste die Regierungsmannschaft gleich durchstarten. Das war in gewisser Weise ein Sprung ins kalte Wasser, am Ende wäre man allerdings noch gerne etwas weitergeschwommen.

Im Agrarbereich stellt das Agrargesetz eine große Herausforderung dar, auch wenn die Hauptverantwortung auf den Schultern von Minister Boden liegt. Die Zuständigkeit im Bereich Tierseuchen, wie etwa die Vogelgrippe, fällt mir zu. Auf kultureller Ebene habe ich mir zwei große Ziele gesteckt. Einerseits will ich ein neues und ein junges Publikum ansprechen und andererseits liegt mir die Professionalisierung am Herzen, eingedenk der Förderung des Vertriebs des künstlerischen Schaffens. Regionalisierung und Vernetzung sind andere wichtige Stichworte.

Im Hochschulbereich stellen die Probleme bei der Einschreibung luxemburgischer Studenten in einigen Studienzweigen an den Universitäten der "Communauté francophone" in Belgien eine komplexe Thematik dar. Auch wenn die Problematik recht komplex ist, so bin ich mittlerweile doch zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden werden. Möglicherweise müssen wir hierzu jedoch per Gesetz vorgehen. Für die Medizinstudenten im zweiten Jahr konnten wir schon eine Regelung finden. Bleiben noch die Veterinärmedizin und die Heilgymnastik. Auch hier gibt es positive Ansätze zu verzeichnen. Allerdings werden wir kaum noch für diesen Herbst eine Lösung finden, was wir auch schon vor etlichen Monaten unseren zukünftigen Studenten klar gemacht hatten und sie mit alternativen Wegen beraten haben. Wir setzen die Verhandlungen mit der Regierung der französischsprachigen Gemeinschaft Belgiens die hierfür im gesamtbelgischen institutionellen System zuständig ist fort.

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