"Europäischer Auftrag als Mannschaft erfüllt." Nicolas Schmit au sujet de la Présidence luxembourgeoise du Conseil de l'UE, du référendum sur la Constitution pour l'Europe et de l'avenir de l'UE

Marc Glesener: Herr Schmit, als Luxemburgs "Europa-Minister" hatten Sie in den zurückliegenden Monaten eine ganze Menge zu tun. Was waren die Highlights Ihrer Arbeit?

Nicolas Schmit: Ganz klar die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union im ersten Halbjahr 2005. Wenn ich Ratsvorsitz sage, meine ich aber damit nicht nur die sechs Monate "Présidence". Zu dem Ganzen gehörte natürlich auch ein erhebliches Maß an Vorbereitungsarbeit.

Unterm Strich denke ich, dass wir unseren europäischen Auftrag als Mannschaft, angeführt von Premierminister Jean-Claude Juncker, erfüllt haben. Es gab jedenfalls von den europäischen Partnern eine ganze Menge Anerkennung für unser Engagement an der Spitze der EU. Es war eine gute Präsidentschaft. In diesem Punkt waren sich die 24 alle eins.

Marc Glesener: Gleich nach der Präsidentschaft stand das Luxemburger Referendum über die EU-Verfassung auf der Tagesordnung. Eine ganz neue Erfahrung auch für Sie?

Nicolas Schmit: Referendum samt Ja-Kampagne waren für mich persönlich lehrreiche und äußerst positive Erfahrungen. Die Politik suchte den direkten Kontakt mit den Bürgern. Es wurden Argumente und Meinungen ausgetauscht. Es wurde viel und kontrovers über das europäische Projekt diskutiert. Schließlich konnten die Luxemburger zum ersten Mal überhaupt direkt über die europäische Integration abstimmen. Das war ein positives Stück Luxemburger Demokratie.

Marc Glesener: Und das Resultat? Ein überwältigender Zuspruch waren die knapp 57 Prozent nicht. Brachte dieses Resultat Europa tatsächlich einen Schritt weiter?

Nicolas Schmit: Was das Resultat anbelangt, so sollte man das aus einer rein europäischen Warte betrachtet nicht überbewerten. Und doch war es ein kleiner Stein, der etwas ins Rollen gebracht hat in der Europäischen Union. Ein Nein der Luxemburger wäre ein negatives Signal für die gesamte Union und deren Zukunft gewesen.

Marc Glesener: Die Bürger sagten am 10. Juli 2005 Ja zum Verfassungsvertrag. Die Politik wollte die Debatte über Europa über dieses Datum hinaus fortführen. Ist ihr das gelungen?

Nicolas Schmit: Um ehrlich zu sein: Nein. Wir hatten uns das eigentlich anders vorgestellt.

Marc Glesener: Und worauf führen Sie diese Verwerfungen zwischen Anspruch und Wirklichkeit zurück?

Nicolas Schmit: Zuerst ist es für die Politik schwierig, außerhalb von Wahlterminen massiv zu mobilisieren und die Menschen für politische Inhalte zu begeistern. Hinzu kommen die Komplexität der europäischen Dossiers und die Tatsache, dass beim Referendum nicht nur über Europa abgestimmt wurde.

Marc Glesener: Das heißt...,

Nicolas Schmit: ..., dass, wie das nicht nur in Luxemburg bei Volksbefragungen üblich ist, viele Wähler an den Urnen eine allgemeine Malaise ausdrücken. Davon abgesehen, müssen wir aber unbedingt die Debatte über Europas Zukunft näher an die Bürger bringen. Das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Im September werde ich der Regierung entsprechende Vorschläge unterbreiten.

Marc Glesener: Die Politik hat vor einem Jahr auch eine innenpolitische Aufbereitung des Referendums versprochen. Eben weil vor allem im Süden des Landes massiv mit Nein gestimmt worden war; genau dort also, wo es die meisten Probleme mit Immigration und sozialer Kohäsion gibt.

Nicolas Schmit: Das stimmt. Wir dürfen einfach nicht verkennen, dass Immigration mit konkreten Problemen einhergeht. Diese Erkenntnis wurde über Jahre verdrängt. Es ist dafür jetzt an der Zeit, eine breite öffentliche Debatte darüber zu führen, wie Immigration und Integration näher zusammengeführt werden können. Wir müssen uns nämlich bewusst sein, dass Immigration und Integration in Luxemburg integral miteinander verbunden sind. Diese Verbindung herzustellen, das ist eine wichtige politische Aufgabe, die in den kommenden Jahren einen immer höheren Stellenwert einnehmen wird.

Marc Glesener: Sehen Sie auch die Gefahr von Parallelgesellschaften?

Nicolas Schmit: Ziel der Politik muss es sein, solche Parallelgesellschaften zu verhindern. Menschen, die ihre Zukunft in Luxemburg aufbauen möchten, müssen wir helfen. Dazu gehört in aller erster Linie, dass man es den Kindern dieser Immigranten ermöglicht, im luxemburgischen Schulsystem zu bestehen.

Marc Glesener: Mehr Integration, ist das ein Ziel, das mit einem neuen Immigrationsgesetz erreicht werden kann?

Nicolas Schmit: Das Gesetz, das Ende des Jahres spruchreif sein soll, wird im Wesentlichen die Zuwanderung aus Drittstaaten betreffen. In diesem Kontext werden wir eine ganze Reihe europäischer Richtlinien umsetzen.

Marc Glesener: Wobei es keine einheitliche Immigrationspolitik der 25 gibt. Und das obschon die EU längerfristig gesehen kaum ohne gemeinsame immigrationspolitische Strategie auskommen dürfte.

Nicolas Schmit: Es wäre in der Tat wünschenswert, wenn sich die 25 vor allem im Bereich der Wirtschaftsflüchtlinge auf gemeinsame Prinzipien einigen könnten. Dabei darf unser gemeinsames Ziel nicht der Ausbau Europas zu einer Festung sein. Europa wird auch in Zukunft legale Zuwanderung brauchen.

Marc Glesener: Das dürften aber viele Bürger anders sehen. Immigration wird eher als Problem denn als Chance gesehen. Das erschwert das politische Handeln, oder?

Nicolas Schmit: Das mag sein. Aber es ist so, dass Europa auch in zehn oder 20 Jahren Immigration brauchen wird. Sehen Sie, die meisten EU-Staaten sind zu Immigrationsländern geworden, ohne dass man den Bürgern dies explizit gesagt hat. Das ist letztlich eine Entwicklung, die die Gesellschaft akzeptieren muss. Wobei es wichtig ist, offen und unvoreingenommen über die Probleme zu diskutieren, die es in Sachen Immigration gibt. Nur so können Probleme gelöst werden.

Marc Glesener: Zu Ihrem Ministerialressort gehört auch die Flüchtlingspolitik. Keine einfache Aufgabe. Wie sieht Ihre Halbzeitbilanz aus?

Nicolas Schmit: Bei der Bilanz steht natürlich die Novellierung des Asylgesetzes ganz oben an. Mit dem neuen Gesetz soll eine raschere und damit verbunden eine humanere Abwicklung der Dossiers erreicht werden. Wenn eine Asylprozedur drei oder mehr Jahre dauert, dann ist das einfach zu lang. Was wir brauchen, sind schnelle Verfahren.

Marc Glesener: Abschiebungen von Asylbewerbern wird es aber auch in Zukunft geben.

Nicolas Schmit: Das ist nicht die Frage. Wichtig ist, wie gesagt, dass die Prozeduren so schnell wie möglich abgewickelt werden können. Damit, wenn es zu Rückführungen kommen muss, diese in einem angemessenen Zeitrahmen und unter humanen Bedingungen abgewickelt werden können. Und noch eins: Rückführungen sind keine Strafmaßnahmen und dürfen demnach auch nicht als solche angesehen werden. Das ist ein sehr wichtiger Punkt.

Marc Glesener: Sie sind vor zwei Jahren in die Politik eingestiegen. Was haben Sie im politischen Geschäft gelernt? Haben Sie sich selbst verändert?

Nicolas Schmit: Ich denke nicht. Auch als Politiker ist es mir wichtig, den Bürgern die Wahrheit zu sagen. Es macht in meinen Augen wenig Sinn, sich hinter Floskeln zu verstecken und thematisch auszuweichen.

Marc Glesener: In anderen Worten: Sie haben festgestellt, dass man es in der Politik nicht immer so genau nimmt mit der Wahrheit, oder?

Nicolas Schmit: Das mag sein. Für mich ist und bleibt Politik vor allem eine Sache von Transparenz. Politiker müssen Kontroversen akzeptieren. Geben sie den Eindruck, als wüssten sie immer alles besser, liegen sie ganz einfach falsch. Und das merken die Bürger.

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