Vorschriften sind wichtig, Dialog ist wichtiger. Lucien Lux au sujet de la disparition de biotopes au Luxembourg

Raymond Klein: Die Auslegung von Artikel 17 des Naturschutzgesetzes sorgt zurzeit für heftige Diskussionen. Hauptvorwurf ist, die Naturschutzabteilung wolle alles schützen.

Lucien Lux: Dieser Artikel sagt sehr deutlich, dass es verboten ist, Biotope zu zerstören. Das beschränkt sich auch keineswegs auf die dort aufgeführte Liste von Biotopen, denn diese wird eingeführt durch ein "tels que". Andererseits hat der Minister auch den Spielraum, in Ausnahmefällen eine Zerstörung zu erlauben. Dann nämlich, wenn etwas im Allgemeininteresse geschieht.

Raymond Klein: Was ist das Allgemeininteresse?

Lucien Lux: Grundsätzlich ist die wirtschaftliche Entwicklung von allgemeinem Interesse, in einem Land, wo zum Beispiel hohe Arbeitslosigkeit herrscht - das gleiche gilt für die Landwirtschaft und die soziale Entwicklung. So, wenn es darum geht, die Wohnungspreise zu drücken, indem wir neues Bauland erschließen oder auch bei Aktionen zur Verbesserung der natürlichen Umwelt. Solche Entscheidungen werden also in einem Spannungsfeld zwischen den einzelnen Politikbereichen diskutiert und entschieden. Es braucht ein Gleichgewicht zwischen den drei Säulen der Nachhaltigkeit: Natur- und Umweltschutz, sozialer Zusammenhalt und wirtschaftliche Entwicklung. In den vergangenen Jahren mussten wir allerdings feststellen, dass oft einseitig zu Ungunsten der Natur entschieden wurde.

Raymond Klein: Mit den von der Naturschutzabteilung ausgearbeiteten Ausführungsbestimmungen schlägt das Pendel in die andere Richtung. Sogar der Mouvement écologique findet das Dokument zu streng und repressiv.

Lucien Lux: Was Mouvement écologique und Naturschutzsyndikate wohl vor allem befürchten ist, dass eine zu strenge Auslegung von Artikel 17 sich kontraproduktiv auswirkt, weil sich die Landwirtschaft dann jeder Zusammenarbeit versperren würde. Die Kritik bezieht sich eher auf die Pädagogik als auf Inhalte wie die Definition eines Biotops, und ich habe sie gehört. Deshalb wird die jetzt vorliegende zweite Fassung der Ausführungsbestimmungen überarbeitet und als definitives Dokument fertiggestellt. Meine Erfahrung als Bürgermeister ist, dass wir im Dialog mit den Bauern vorangekommen sind - und nicht weil wir dauernd mit Paragraphen argumentiert und mit Repressalien gedroht hätten.

Raymond Klein: Wenn jemand Jahre lang Biodiversitätsprämien kassiert hat, sehen die Ausführungsbestimmungen vor, dass er nicht einfach aus dem Programm aussteigen und die entstandenen Biotope gefährden kann. Das klingt logisch, dürfte aber dazu führen, dass niemand mehr an solchen Programmen teilnimmt.

Lucien Lux: Wir werden in der endgültigen Textfassung die Möglichkeit schaffen, auszusteigen. Andererseits handelt es sich um öffentliche Gelder. Die wären vergeudet, wenn die entstandenen Biotope mir nichts dir nichts wieder zerstört werden könnten. Das ist eine schwierige Gratwanderung.

Raymond Klein: Ein weiterer Kritikpunkt lautet: Statt Artikel 17 nur auszulegen, versuche die Naturschutzabteilung, ihn auszuweiten.

Lucien Lux: In einem Punkt ist das jedenfalls richtig: Artikel 17 sieht keinen Schutz von potenziellen Biotopen vor, nur den von real existierenden. Wir werden die Passage dazu aus dem Text entfernen. Wenn die Gegenseite Artikel 17 ernst nehmen soll, dann dürfen wir den Inhalt nicht wie ein Gummiband überdehnen. Richtig ist aber, diese Potenziale für Biotope zur Sprache zu bringen, wenn man vor Ort über Maßnahmen diskutiert, und darauf hinzuweisen, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt. Immerhin beauftragt Artikel 1 den Minister, natürliche Flächen und Landschaften zu restaurieren sowie die Biodiversität zu fördern.

Raymond Klein: Was ist mit den Lebensräumen für Reptilien und Schmetterlinge: Wird jede Pfütze und jede Brennessel unter Naturschutz gestellt, wie Kritiker behaupten?

Lucien Lux: Wichtig ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ich glaube nicht, dass man mit Wasser gefüllte Fahrrillen in Feldwegen als Biotope bezeichnen kann. Dies war auch so nie die Absicht der jetzt vorliegenden Ausführungsbestimmungen von Artikel 17.

Eine Trendwende zugunsten der Umwelt erreichen wir nicht, wenn wir uns an den Details festhalten. Deswegen bejahen wir auch die Erstellung eines Biotop-Katasters, der Klarheit und Transparenz schafft. In der Praxis dürfte es einen Konsens darüber geben, dass großflächigen Biotope geschützt gehören, respektiv jene die in Luxemburg selten und besonders gefährdet sind - nicht aber Elemente, die für die Biodiversität in Luxemburg zweitrangig sind.

Raymond Klein: Gibt es eine Abstimmung mit dem Landwirtschaftsministerium in Sachen Auslegung von Artikel 17?

Lucien Lux: Während unserer Konsultationen in dieser Frage haben wir uns mit der Ackerbauverwaltung abgestimmt. Vor allem die technischen Aspekte sind als abgesprochen zu betrachten. Was das Inhaltliche angeht, werden wir auch versuchen, ihren Sorgen Rechnung zu tragen. Allerdings fallen die Ausführungsbestimmungen für Naturschutz unter meine Zuständigkeit.

Raymond Klein: Für die Landschaftspflegeprämie ist aber der Landwirtschaftsminister zuständig.

Lucien Lux: Deswegen wollen wir zusammenarbeiten. Im Sinne des Naturschutzes wäre es sinnvoll, diese Prämien gezielt zu vergeben, statt nach dem Gießkannenprinzip. In dieser Frage sind wir uns mit den NGOs und den Naturschutzsyndikaten einig.

Raymond Klein: Prämien gezielter vergeben ... Wollen Sie alles über Förderung erreichen statt über Verbote?

Lucien Lux: Wir brauchen das eine und das andere. Im Naturschutzgesetz ist beides vorgesehen. Ich glaube nicht daran, dass es reicht, nur zu fördern, und schon frevelt niemand mehr gegen die Natur. Andererseits brauchen wir Flexibilität. Wenn demnächst die Eisenbahn zum Beispiel eine neue Zugstrecke Luxemburg-Bettemburg bauen will, soll sie das im Allgemeininteresse tun können. Aber das Naturschutzgesetz sieht vor, dass der Umweltminister dem Transportminister Auflagen macht: Wenn hier ein Waldstück zerstört wird und dort eine Obstwiese, muss das anderswo durch die Neuanlage von Biotopen kompensiert werden.

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