Beitrag zu konsequentem Multilateralismus. Jean Asselborn au sujet de la politique étrangère du Luxembourg

Marcel Kieffer: Herr Minister, Sie haben die Luxemburger Außenpolitik zu verantworten. Das ist ja mittlerweile ein weites Feld ...

Jean Asselborn: Durchaus. Zur Luxemburger Außenpolitik gehören ja solche diversen Bestandteile wie auch Kooperation, Verteidigung und Außenhandel. So müssen gerade im Rahmen der EU manche prinzipiellen Beschlüsse der Außenminister von anderen Regierungskollegen ausgeführt werden. Das wird im Außenministerium koordiniert und funktioniert auch zu meiner vollsten Zufriedenheit. Der Anspruch ist, Außenpolitik aus einem Guss zu machen.

Marcel Kieffer: Eine Politik aber auch mit hohen Ansprüchen. Sie wollen darauf hinarbeiten, dass Luxemburg einen Platz als nicht ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat einnehmen wird.

Jean Asselborn: Das ist unser Anspruch, ja. Es wäre die logische Fortführung einer äußerst aktiven Politik vor allem im Bereich der internationalen Krisenbewältigung. Bekanntlich zeigt Luxemburg ja schon seit einiger Zeit viel Präsenz und Engagement, insbesondere bei friedenssichernden Missionen. Unser Anspruch ist es, nicht nur mit Geld Verantwortung in der Welt zu übernehmen, sondern konkret vor Ort an der Lösung von Problemen mitzuwirken. Das könnten wir in besonderer Weise auch im Weltsicherheitsrat tun, zumal unsere politische Strategie stets in Richtung internationale Solidarität und multinationale Verständigung tendierte. Damit haben wir uns einen guten internationalen Ruf erworben, so dass gute Chancen bestehen, im Jahr 2012 für den Zeitraum 2013 und 2014 in den UN-Sicherheitsrat gewählt zu werden. Hierzu haben wir schon von vielen Ländern die entsprechende Unterstützung signalisiert bekommen.

Marcel Kieffer: Apropos Multilateralismus. Wie, glauben Sie, steht es um dessen Chancen zu einer Renaissance in der Weltpolitik?

Jean Asselborn: Derzeit erleben wir ja eine extrem nervöse Weltlage. Ich glaube aber, dass sich mittlerweile die Einsicht durchgesetzt hat, dass Unilateralismus nicht das richtige Instrument zur Bewältigung regionaler und globaler politischer Krisen ist, sondern letztlich die Konsequenz eines defekten Multilateralismus. Die Chancen stehen nicht schlecht, den Weg zurück in einen konsequenten Multilateralismus zu finden. Dazu wollen wir auch mit unser Politik beitragen. Zuversichtlich bin ich auch, dass vor allem die USA nach den letzten Parlamentswahlen aus ihrer Isolationsstrategie (z.B. gegenüber dem Iran) herausfinden werden.

Marcel Kieffer: Neue Chancen also auch für eine Erfolg versprechende europäische Außen- und Sicherheitspolitik ...?

Jean Asselborn: Natürlich. Doch ich möchte vorausschicken, dass der Verfassungsvertrag auch in dieser Hinsicht für die Europäische Union von fundamentaler Bedeutung ist. Europa muss die Strukturen bekommen, die es braucht, nicht zuletzt auch, aus der Konsequenz der Erweiterungsschübe heraus, im Hinblick auf die Verbesserung und Verankerung der verschiedenen Politiken. Bedenklich finde ich darüber hinaus aber auch die Tendenz, wenn verschiedene EU-Mitgliedsländer ihre bilateralen Probleme (z.B. Polen mit Russland) auf EU-Ebene projezieren und dort gelöst sehen wollen.

Marcel Kieffer: Welche Schwerpunkte will die Regierung ab nächstem Jahr auf bilateraler Ebene in der Außenpolitik legen?

Jean Asselborn: Nun wir werden sicherlich der zunehmenden politischen und wirtschaftlichen Bedeutung Indiens in Zukunft stärker Rechnung tragen. Ebenso besteht die Absicht, den politischen Kontakt mit Ländern des afrikanischen Kontinents zu intensivieren. Man darf diese nicht nur als potenzielle Empfänger von Entwicklungshilfe betrachten und behandeln, sondern auch von der europäischen Erfahrung im Bereich zielorientierter Strukturpolitik profitieren lassen. Da gibt es meiner Meinung nach noch vieles zu tun. Außerdem sind wir dabei, für 2007 zwei offizielle Staatsvisiten in Chile und wahrscheinlich Brasilien vorzubereiten. Auch mit diesen beiden südamerikanischen Ländern wollen wir den politischen Kontakt auffrischen.

Marcel Kieffer: Bleibt Überzeugungsarbeit für die europäische Idee Ihrer Meinung nach ein vordringliches, nach innen orientiertes politisches Aufgabenfeld? Bei den Schülerprotesten wegen des Projekts 5611 hat man verspüren können, dass Europa auch bei jungen Leuten Unbehagen hervorrufen kann.

Jean Asselborn: Das ist mir nicht entgangen. Und es hat mich betroffen gemacht, dass auch in Luxemburg junge Leute Angst haben können, Europa würde ihnen die Arbeit wegnehmen. Ich verstehe diese Sorgen und kann mich auch nicht mit den Tendenzen abfinden, die darauf hinzielen, öffentliche Dienstleistungen immer stärker zu privatisieren. Doch man muss das Wesentliche sehen und darf nicht das Fundamentale in Frage stellen. Somit wäre es falsch, Europa zum Sündenbock zu stempeln. In unserer zunehmend globalisierten Welt ist Europa die einzig denkbare Antwort auf die wirtschaftlichen, politischen und auch sozialen Herausforderungen unserer Zeit. Es ist sicherlich noch nicht perfekt und wir werden daran arbeiten müssen, damit die soziale Gerechtigkeit nicht baden geht. Europa bleibt eine ständige Herausforderung, doch ebenso eine notwendige Voraussetzung. Wäre unser Land nicht Mitglied der Europäischen Union, wäre sein politisches und wirtschaftliches Gewicht in Europa wie in der ganzen Welt inexistent. Das müssen wir den jungen Menschen immer wieder vor Augen führen. Es bleibt eine notwendige, eine wichtige Überzeugungsarbeit, für die wir Politiker uns nicht zu schade sein dürfen. Und das müssen wir beweisen, z.B. durch die Umsetzung fundamentaler Bedingungen. Wobei wir wieder beim EU-Verfassungsvertrag wären, den wir nicht länger so brach liegen lassen können.

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