Le Premier ministre Jean-Claude Juncker au sujet de la Présidence allemande du Conseil de l'Union européenne

Dietmar Ringel: Herr Juncker, Sie sind ja ein alter Hase in der EU-Politik, Sie waren selbst schon zweimal Ratspräsident. Was meinen Sie, hat sich Deutschland mit dem Thema EU-Verfassung selbst einen etwas zu dicken Brocken aufgehalst?

Jean-Claude Juncker: Nein, das sehe ich nicht so. Nicht Deutschland hat sich diesen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt, sondern dieser Punkt hat sich von selbst auf die Agenda gebracht. Es hat in Frankreich und in den Niederlanden einen negativen Bescheid des niederländischen und des französischen Volkes gegeben. Wir müssen den Verfassungsgebungsprozess revitalisieren. Dies läuft auf die deutsche Präsidentschaft zu und man sollte auch diesen deutschen Vorsitz nicht mit Erwartungen und Hoffnungen überfrachten. Deutschland wird gegen Ende seines Vorsitzes Ende Juni einen Fahrplan im Verfassungsgebungsprozess vorlegen. Deutschland wird diese Verfassungskrise nicht endgültig lösen können.

Dietmar Ringel: Was hängt denn überhaupt jetzt davon ab, dass es Deutschland gerade macht? Also was kann Deutschland vielleicht besser oder weniger gut als andere und wie viel hängt denn auch vom Geschick Angela Merkels ab?

Jean-Claude Juncker: Jeder, der jetzt im Vorsitz wäre, müsste diese Aufgabe erledigen. Es ist Gott sei Dank so, dass jetzt Deutschland auf dem Stuhl des Präsidenten sitzt und es ist Gott sei Dank so, dass mit Bundeskanzlerin Angela Merkel jemand den Vorsitz übernimmt, der Europa im Gefühl hat, Europa im Kopf hat, Europa im Bauch hat, der zuhören kann, Grossen und Kleinen, und dem es deshalb gelingen wird, so sehe ich das jedenfalls, falsche Optionen zu eliminieren, nicht sich dazu zu versteifen, zu denken, man könne jetzt wieder die Verhandlungen beim Nullpunkt anfangen, sondern dafür zu sorgen, dass die Substanz des Vertrages erhalten bleibt. Dies wird der Kanzlerin gelingen.

Dietmar Ringel: Wenn Sie sagen, nicht beim Nullpunkt anfangen, was sind denn die Essentials wo Sie sagen das muss unbedingt bleiben?

Jean-Claude Juncker: Bleiben müssen die institutionellen Neureglungen, die Abstimmungsverhältnisse im Rat, die Entscheidungsfindungsmechanismen, die Zusammensetzung der Kommission, den ständigen Präsidenten des Europäischen Rates, die Schaffung des Postens des europäischen Außenministers, das Zurückbehalten dessen was wir als Normenkatalog europäischer Wertegebung im Grundrechtekatalog aufgeschrieben haben und dann dafür zu sorgen, dass wir weiterkommen in Sachen gemeinsame Energiepolitik, dass wir weiterkommen in Sachen gemeinsame Außenpolitik, dass wir, was ich für vorderdringlich wichtig halte, weiterkommen in Sachen europäische Sozialunion. Dies sind Elemente des Verfassungstextes der vorgelegt wurde und die meiner Ansicht nach übernommen werden müssten.

Dietmar Ringel: Das ist ja schon eine ganze Menge was Sie da sagen, wo sind denn da noch Spielräume?

Jean-Claude Juncker: Die Spielräume wird die deutsche Präsidentschaft ausloten müssen. Man wird sich konzeptuell über Neuausrichtungen verständigen müssen. Ich nehme mal das Beispiel europäische Sozialunion: es kann ja nicht so sein, dass die Europäische Union und ihre inhaltliche Politikgestaltung sich immer stärker von der europäischen Arbeitnehmerschaft entfernt. Wir brauchen so etwas wie einen Mindestsockel an Arbeitnehmerrechten. Dies könnten wir mit einem so ausgerichteten neuen Grundlagenvertrag bewirken. Man muss sich aber zuerst über das Konzept verständigen. Wollen wir, ja oder nein, in Sachen europäische Sozialunion, ohne in eine schmelztiegelartige Gesamtharmonisiererei zu verfallen, weitermachen oder nicht? Wollen wir ein Europa der Arbeitnehmer, ein Europa der Solidarität oder wollen wir weitermachen mit einem Europa das den Eindruck erweckt, als ginge es die einfachen Menschen nichts mehr an. Dies wird die deutsche Präsidentschaft inhaltlich und nicht nur von der Melodie her gestalten müssen.

Dietmar Ringel: Herr Juncker, Sie haben gesagt, wenn alles nichts hilft, dann wird es künftig ein Europa der zwei Geschwindigkeiten geben, also ein Kerneuropa, die mitmachen beim EU-Verfassungsvertrag und die andern bleiben eben erst mal draußen. Was hätte das denn für Folgen?

Jean-Claude Juncker: Kerneuropa oder Europa der zwei Geschwindigkeiten ist keine Zielvorstellung, ist kein Bewegungsmuster in der Europäischen Union. Ich hätte lieber, wir würden alles mit 27 Staaten an Bord machen. Sollte dies nicht gelingen weil es einige gibt, denen das Tempo nicht passt oder die Inhalte nicht zusagen, werden sich diejenigen zusammenfinden müssen, die sich über Ambition, über Substanz und über Tempo verständigen können. Kein Ziel an sich darf dieses Europa der zwei Geschwindigkeiten sein, sondern der Ausweg aus der Ausweglosigkeit.

Dietmar Ringel: Ich danke Ihnen sehr herzlich. Live am Telefon war das Jean-Claude Juncker, der Ministerpräsident von Luxemburg.

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