Jean-Claude Juncker: "Europa im Kopf und im Bauch". Le Premier ministre au sujet du futur du traité constitutionnel

Kurier: Herr Ministerpräsident, was ist das Ziel der Veranstaltung zur Rettung der Europäischen Verfassung?

Jean-Claude Juncker: Das Madrider Treffen vom 26. Jänner ist eine Werbeveranstaltung für die EU-Verfassung. Die 18 Mitgliedstaaten, die den Verfassungsvertrag ratifiziert haben und die Mehrheit der Mitgliedsstaaten und der Bevölkerung repräsentieren, haben die Pflicht und das demokratisch legitimierte Recht, ihre Zustimmung zum Vertrag für alle hörbar und sichtbar zum Ausdruck zu bringen.

Es ist eine Unterstützungsaktion für den Vertrag. Es ist keine radikale Gegenveranstaltung zu Frankreich, den Niederlanden oder den zum Rütli-Schwur nicht bereiten restlichen Staaten. Sie beobachten derzeit noch den weiteren Gang der Dinge.

Kurier: Dem Bemühen einiger Länder, den Vertrag in der Substanz zu erhalten, setzen sich Staaten wie Großbritannien und andere entgegen, die nur eine technische Fortschreibung des Nizza- Vertrages wollen. Wie soll das gehen?

Jean-Claude Juncker: Eine "technische" Weiterschreibung des Nizza-Vertrages ist notwendig, sie wäre aber ungenügend. Nicht nur die EU-Institutionen und die Entscheidungsmechanismen der EU müssen fit für die Zukunft gemacht werden. Wir brauchen mehr Mehrheitsentscheidungen und weniger Mitgliedstaat. Wir brauchen belastbare Rechtsgrundlagen für mehr Sozialpolitik, für mehr Außenpolitik, für mehr gemeinsame Energiepolitik, für mehr innere Sicherheit. Die Institutionen sind wichtig, die Ambitionen aber sind noch wichtiger.

Kurier: Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe, dass in Europa eigentlich nichts mehr an Fortentwicklung, Vertiefung und Integration möglich ist?

Jean-Claude Juncker: Es gibt Fortschritte in vielen Bereichen, siehe Dienstleistungs-Richtlinie oder auch die Chemikalien-Richtlinie. Richtige politische Integrationsfortschritte gibt es nicht, solange keine Klarheit über den EU-Vertrag besteht. Ab dem Tag, wo dessen Substanz gesichert ist, springt die Integrationsmaschine wieder an, ohne dass nationale Identitäten und Befindlichkeiten platt gewalzt werden.

Kurier: Was erwarten Sie sich beim EU-Gipfel im Juni von der deutschen Präsidentschaft punkto Verfassungs-Fahrplan und Inhalt?

Jean-Claude Juncker: Ich hoffe, dass es der deutschen Präsidentschaft gelingen wird, die als unabdingbar notwendig erachteten Substanzelemente der geplanten EU-Verfassung einvemehmlich freizulegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel versteht ihr Handwerk und hat Europa im Kopf und im Bauch.

Kurier: Frankreich möchte auch über einen neuen Verfassungs-Entwurf wieder ein Referendum abhalten. Was muss sich am Inhalt ändern, damit die Bürger Europas begeistert davon sind und zustimmen?

Jean-Claude Juncker: Ich kenne die französischen Eigenarten und die französischen Empfindlichkeiten. Wir brauchen eine stärkere Fokussierung europäischer Politik auf das Soziale. Was wir nicht brauchen, ist eine stärkere Beachtung dessen, was die Franzosen als "das Nationale" nennen.

Europa ist ein Gemeinschaftswerk, nicht eine Solo-Veranstaltung der Großen, der die anderen ungeprüft Beifall zollen müssen.

Kurier: Was erwarten Sie von der neuen rot-schwarzen Regierung in Österreich? ln welchen Punkten kann es eine Achse Wien-Luxemburg geben?

Jean-Claude Juncker: Wir haben mit dem Schüssel-Kabinett hervorragend zusammengearbeitet. Genau dies werden wir auch mit der neuen Bundesregierung tun. Mit deren Hauptakteuren sind wir seit langem vertraut.

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