Jeannot Krecké: "Jetzt herrscht der nötige Ernst". Le ministre de l'Économie au sujet de la politique énergétique

d'Land: Ist es vorstellbar, dass bei uns normale Glühlampen verboten werden wie in Australien?

Jeannot Krecké: Verbote sind wahrscheinlich nicht der richtige Weg. Wir müssen die Leute mit Informationskampagnen überzeugen. Es muss ein Reflex werden, Energie zu sparen, denn Einsparungen sind eine unserer wenigen Energiequellen. Aber man kann die Feststellung, es werde nicht genug gespart, den Leuten noch nicht zum Vorwurf machen. Man muss sie erst einmal informieren und sensibilisieren.

d'Land: Wo klappt die Kommunikation noch nicht? Wir haben in manchen Gemeinden Energieberatungsdienste, dieAgence de l'énergie soll landesweit informieren und sensibilisieren, mit der Industrie wurde eine freiwillige Vereinbarung abgeschlossen ...

Jeannot Krecké: Wir lassen diese Frage zurzeit studieren, denn die Agence de l'énergie soll umgebaut werden und neue Funktionen übernehmen. Das ist der Wunsch von Umweltminister Lucien Lux und mir. Generell glaube ich, dass wir die Leute noch stärker auf die Problematik hinweisen müssen. Es wird schon länger darüber geredet, doch erst jetzt herrscht der nötige Ernst - durch den Klimawandel.

d'Land: Der EU-Gipfel kommende Woche wird vor allem ein Energiegipfel sein und soll ein gestaffeltes Aktionsprogramm für mehr Energieeffizienz beschließen. Laut EU-Kommission liegt der Primärenergieverbrauch bei uns mit über zehn Tonnen Erdöl-Äquivalenten pro Kopf dreimal höher als der EU-Durchschnitt. Wie sollte man ihn reduzieren ?

Jeannot Krecké: Diese Angaben sind Unfug: Jede Beziehung, die wir zu unserem Bruttoinlandsprodukt herstellen, ist verzerrt, weil unser BIP atypisch ist wegen des omnipotenten Finanzsektors. Und jede Beziehung, die wir zur Einwohnerzahl herstellen, ist absurd, wenn man in den Berechnungen nicht wenigstens berücksichtigt, dass 40 Prozent der hier Berufstätigen tagtäglich über die Grenze kommen.

d'Land: Wie sähe unsere Energiebilanz in dem Fall aus ?

Jeannot Krecké: Sie wäre noch immer ganz ungünstig, und wir gehören wohl zu denen, die am meisten verbrauchen. Die Bilanz wäre aber nicht derart desaströs.

d'Land: Der Energieministerrat hat vor zwei Wochen "nachdrücklich" empfohlen, dass bis 2020 jeder Mitgliedstaat 20 Prozent des Primärenergieverbrauchs ansparen sollte. Ist unser Verbrauch EU-weit mit am höchsten, dann sind 20 Prozent Reduktion sehr viel. Wo setzt man an? Am Umstand, dass die Staatsfinanzen außerordentlich stark vom Erdölgeschäft abhängen und der Primärenergieverbrauch zu 66 Prozent ein Ölverbrauch ist, der größtenteils ein Import-Export-Geschäft darstellt?

Jeannot Krecké: Energieeffizienz, Energiesparen und optimaler Einsatz erneuerbarer Quellen sind unsere Prioritäten. Ich mache allerdings darauf aufmerksam, dass wir über das Treibstoffgeschäft eine Umverteilung von Wohlstand fertig gebracht haben.

d'Land: Aber sie wird fragiler durch die Ölknappheit, die Zwänge des Kioto-Protokolls und europäischen Druck zur Harmonisierung von Treibstoffabgaben.

Jeannot Krecké: Sie beunruhigt mich trotzdem nicht so stark wie etwa der Verkehr. Das Auto ist der große Faktor, nicht nur im Berufsverkehr; das sieht jeder, der samstags über Land fährt. Wir müssen es zum einen schaffen, mehr in den Forschungsbereich zu investieren: Delphi zum Beispiel arbeitet an effizienteren Antrieben. Wir müssen zweitens den öffentlichen Transport attraktiver machen und drittens anders wohnen. In Großstädten käme kaum jemand auf die Idee, ständig sein Auto zu benutzen. Der zweite wichtige Bereich ist die Wärmedämmung an Gebäuden. Wir haben keine Kultur im Wärmeschutz. Da wurde energiepolitisch gesündigt, meine ich. Nach der Ölkrise in den Siebzigerjahren hätten wir von uns aus eine strengere Wärmeschutzverordnung ausarbeiten können. Leider geschah das nicht. Im gewerblichen Bereich werden Anstrengungen gemacht, vor allem in der Industrie. Da ist man schon durch die Konkurrenz zum Sparen gezwungen. Darum meine ich, dass im Privatbereich das größte Sparpotenzial besteht. Nicht zu vergessen die öffentlichen Gebäude.

d'Land: Für die gibt es noch keine neue Wärmeschutzregelung.

Jeannot Krecké: Wir wissen noch nicht, wie wir sie anpacken sollen. Wie unterscheide ich analytisch und reglementarisch beispielsweise eine Halle von einem Bürogebäude? Das ist sehr kompliziert. Wir arbeiten daran, warten allerdings auf ausländische Hilfe. Wobei das Thema unseren Kollegen im Ausland ebenfalls große Probleme macht.

d'Land: Mehr öffentlicher Transport und anders wohnen werden bei uns nicht schnell zu haben sein, und durch bessere Gebäudeisolationen erwartet die EU-Kommission sich Einsparungen im Zwei-Prozent-Bereich. Die Kommission empfiehlt in ihrem Vorschlag zu einem Effizienz-Aktionsprogramm auch eine "maßvolle" Energiebesteuerung. Brauchen wir dergleichen?

Jeannot Krecké: Ich bin eher der Meinung, man sollte die Leute zu überzeugen versuchen. Wobei man vielleicht in bestimmten Fragen verbindlicher werden könnte: Man wird irgendwann überlegen müssen, wie lange die energetische Altbausanierung auf freiwilliger Basis betrieben und ob sie nicht verpflichtend werden sollte. Doch das wird man sozial abfedern müssen, nicht jeder kann sich neue Fenster leisten. Bei Energieabgaben stellt sich die Gerechtigkeitsfrage noch allgemeiner. Einfach zu beantworten ist sie nicht.

d'Land: Premier Jean-Claude Juncker hat in den Budgetdebatten letztes Jahr aber eine Überprüfung des Fiskalsystems für 2008 angekündigt und gemeint, eine Reform könne "ökologische Elemente" beinhalten.

Jeannot Krecké: Er denkt als Finanzminister an einzelne ökologische Komponenten, ohne dass er bisher gewillt war, nach draußen mitzuteilen, wie er sie sich vorstellt. Es wurden dazu Arbeitsgruppen eingesetzt. Auf Luxemburg bezogene Expertenstudien gibt es ebenfalls, zum Teil seit Jahren schon. Aber es bleibt, dass so ein System sozial gerecht sein muss.

d'Land: Warum sollte das Ziel, bis 2020 mindestens ein Fünftel des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen zu decken, für uns kein verbindliches sein?

Jeannot Krecké: Weil wir es nicht erreichen können. Wir haben eine Potenzialstudie von einem ausländischen Gutachter ausarbeiten lassen. Sie sagt uns, mehr als acht bis zehn Prozent sind nicht machbar.

d'Land: Die Studie ist noch nicht veröffentlicht worden.

Jeannot Krecké: Aller Voraussicht nach geschieht das Ende März. Die Studie ist noch nicht abschließend validiert, in ihrer Expertise aber trotzdem klar.

d'Land: Henri Kox, Präsident von Eurosolar Luxemburg, kritisiert, die Studie habe einen konservativen Ansatz: im Strombereich seien die verfügbaren Netzanschlüsse ein zu starkes Kriterium. Es sei wahrscheinlich weitaus mehr Windkraftpotenzial nutzbar, baute man die Netze zu allen günstigen Standorten hin aus.

Jeannot Krecké: Und wer bezahlt das? Heute die Cegedel, morgen die öffentliche Netzgesellschaft, die wir hoffentlich demnächst bilden werden. Am Schluss aber die Endverbraucher.

d'Land: Man könnte ihnen sagen, dass ein höherer Anteil erneuerbaren Stroms ein umso wirksamerer Schutz vor Importstrompreisen ist, die künftig wahrscheinlich nicht sinken werden und von hier aus nicht beeinflussbar sind.

Jeannot Krecké: Einverstanden. Aber der Konsumentenschutzverband oder die Privatbeamtenkammer rechnen mir heute schon vor, dass der Strom bei uns teurer ist als im Ausland. Woraus setzt der Preis sich zusammen? Wenn man keinen Einfluss hat auf die Preise beim Einkauf im Ausland - schon gar nicht, wenn ab 1. Juli jeder Privatverbraucher sich seinen Lieferanten frei wählen kann -, dann bleiben vor allem die Netzkosten. Die sind bei uns hoch. Bei Taxen und TVA sind wir moderat im Vergleich zum Ausland. Aber in keinem EU-Land wurden und werden so viele Stromleitungen unterirdisch verlegt wie bei uns. Und die in den Netzgesellschaften Beschäftigten haben entweder ein öffentliches Statut oder ein dem gleichgestelltes. Die resultierenden Entlohnungen findet man in den Netzkosten wieder. Ich kann mir vorstellen, dass Netzausbauten hin zu guten Windstandorten möglich sein können. Zumal es in der neuen Netzgesellschaft öffentliche Investitionen wären. Das heißt aber nicht, dass man alles wird machen können. Diesen Ansatz finde ich nicht konservativ, sondern vernünftig.

d'Land: Umweltminister Lux hat auf dem Ratstreffen letzte Woche dafür plädiert, dass in einer europäischen Post-Kioto-Reduktionsvereinbarung zum Klimaschutz nicht mehr das Territorial-, sondern das Verbrauchsprinzip zur Ermittlung der nationalen Emissionen dienen sollte. Falls das geschieht, würden unsere Stromimporte klimabilanzrelevant, aber auch jedes Watt erneuerbaren Stroms - was heute nicht der Fall ist. Müsste man dann die Potenziale dafür nicht überdenken ?

Jeannot Krecké: Das meine ich nicht - unter der Voraussetzung, dass uns gestattet wird, im nahen Ausland in Projekte zur Nutzung erneuerbarer Quellen zu investieren, und dies uns angerechnet würde, wie Lucien Lux und ich es ebenfalls vorgeschlagen haben. Gespräche dazu habe ich schon mit meinem belgischen Kollegen geführt - über eine eventuelle Beteiligung an einem Windkraftwerk an der Küste vor Ostende.

d'Land: Leider schafft das bei uns keine Arbeitsplätze und stärkt nicht den Bereich Umwelt- und Energietechnologien, in dem Sie die heimische Industrie diversifizieren möchten.

Jeannot Krecké: Ja, das ist schade. Aber sicher ist, dass ich alle Aktivitäten, die sich hierzulande abspielen, unterstützen werde.

d'Land: In Luxemburg käme dieser im Ausland erzeugte Strom aber nicht automatisch in den Handel?

Jeannot Krecké: Nein, es wäre ein "Binnenmarktstrom". Der Binnenmarkt im Strom- und Gasbereich wird ab 1. Juli sowieso vollendet sein und jeder europaweit frei einkaufen können. Nicht zuletzt deshalb, meinen wir, kann unsere Lösung ja als Binnenmarktlösung funktionieren und der so erzeugte "grüne Strom" uns angerechnet werden. Nach Luxemburg importiert werden könnte er natürlich. Die Interkonnexionen der europäischen Netze sind ja vorhanden.

d'Land: Der Energieministerrat war in einem Punkt formell: Zehn Prozent Biofuel-Anteil muss jedes Mitgliedsland bis 2020 in seinem Benzin- und Dieselverbrauch haben. Wie wollen Sie das erreichen?

Jeannot Krecké: Der Rat war nicht so formell, wie Sie es beschreiben. Würden bei uns alle mit Ölpflanzen bebaubaren Flächen genutzt, könnten wir durch Eigenproduktion auf zwei Prozent Biofuel-Anteil kommen. Bleibt der Import. Doch der erfolgt sowieso, unsere großen Tankstellen werden aus dem Ausland beliefert, nicht über Zwischenlager, sondern direkt, aus Antwerpen und Rotterdam. Was uns allerdings abhängig davon macht, welche Anteile an Biofuel es in Belgien und Holland gibt. Deshalb schuf der Rat eine Ausnahme: Für Malta und Luxemburg sind die zehn Prozent keine Pflicht. Außerdem geht der Passus, dass Produktion und Versorgung mit Biofuel den Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung entsprechen müssen, auf unseren Einfluss zurück. Wenn zum Beispiel aus Indonesien oder Brasilien Bioöl zur Beimischung importiert würde, glaube ich kaum, dass dieser Weg in seiner Gesamtbilanz ökologisch sinnvoll wäre.

d'Land: Wann beginnt die Arbeit an den neuen Verordnungen zur Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Quellen? Die bestehenden Regelungen laufen Ende dieses Jahres aus.

Jeannot Krecké: Sobald die Potenzialstudie fertig ist. Sie enthält Empfehlungen unserer Berater zu Fördermaßnahmen. Die binden uns nicht, sind aber ein Diskussionsbeitrag. Wir werden die neuen Verordnungen diesmal rechtzeitig unter Dach und Fach bringen.

d'Land: Sie haben angedeutet, dass die Einspeisevergütungen nicht über einen festen Zeitraum hinweg garantiert sein würden. Dann aber dürfte die Nutzung erneuerbarer Quellen auch als Handwerkssektor endgültig zum Erliegen kommen.

Jeannot Krecké: So pauschal habe ich das nicht gesagt. Ich bin nur dagegen, dass die Einspeisevergütungen einfach indexiert werden. Die Regierung wird vertretbare Einspeisevergütungen über einen längeren Zeitraum gewährleisten müssen, denn wir wollen diese Verfahren ja, vor allem im Bereich Biomasse. Bei der Fotovoltaik wird man analysieren müssen, welche technischen Verbesserungen an den Sonnenstrom-Panelen demnächst zu erwarten sind. Persönlich halte ich die Solarenergie für die Energie der Zukunft. Aber sie ist momentan noch nicht marktgerecht. Generell muss man wissen, dass selbst wenn in letzter Zeit weniger Anlagen gebaut worden sind, die Subventionierung in Luxemburg noch immer großzügiger ist als in den Nachbarländern. Wir müssen allerdings auch sicherstellen, dass unser System von der EU genehmigt wird. Die Kommission sagt nämlich einerseits, die Mitgliedstaaten müssten die erneuerbaren Energien fördern, andererseits sieht sie verschiedene Fördersysteme als unerlaubte Staatsbeihilfen an. Um den Fonds de compensation zu verteidigen, hat Luxemburg beim letzten Energiegipfel darauf gepocht, einen Passus festzuhalten, der die Überarbeitung der EU-Direktiven zu den Staatsbeihilfen für erneurbare Energien vorsieht.

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