"1:1 geht nicht." Le ministre de la Coopération, Jean-Louis Schiltz, au sujet de la relation entre coopération au développement et "bonne gouvernance"

d'Wort: Herr Minister Schiltz, bei dem Treffen des Comite d'aide au developpement der OECD vergangene Woche in Paris wurde erneut klar, dass die reine Gebermentalität in der Entwicklungshilfe an ihre Grenzen stößt. Welche Wege zeichnen sich für die Zukunft ab?

Jean-Louis Schiltz: Die Europäische Union hat auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit in den letzten Jahren merkliche Fortschritte erzielt, weitere Anstrengungen sind allerdings unbedingt nötig. Eine nachhaltige Entwicklungsarbeit ist in der Tat mit finanziellen Mitteln allein nicht zu bewältigen. Eine herausragende Rolle kommt in dem Zusammenhang auch der guten Regierungsführung zu. Länder, die "ordentlich" regiert werden, tragen nämlich in weitaus höherem Maße von der Entwicklungshilfe Nutzen als solche, in denen alles drunter und drüber geht. Mali ist ein gutes Beispiel. In Sachen Regierungsführung und Demokratie wurden in den letzten 15 Jahren große Fortschritte gemacht und auch was die Menschenrechte anbelangt, steht das Land nicht allzu schlecht da. Am anderen Ende der Skala finden sich Länder wie Zimbabwe oder Guinea. Neben der guten Regierungsführung stellt die Einbindung der Entwicklungsländer in den internationalen Handel ein zentrales Element für die Zukunft dar. Nur wenn sie mit ihren wirtschaftlichen Aktivitäten auch einen Zugang zu den internationalen Märkten finden, können sie sich dauerhaft weiterentwickeln.

d'Wort: Wie können die Geberländer zu einer besseren Regierungsführung beitragen?

Jean-Louis Schiltz: Mechanismen wie sie das Abkommen von Cotonou bietet, sind in diesem Zusammenhang enorm wichtig. Hier stehen u.a. politische Aspekte wie etwa die Frage der Menschenrechte, die Demokratie, die Rechtstaatlichkeit u.s.w. im Mittelpunkt.

Das Abkommen sieht aber auch Korrekturmaßnahmen vor. Wenn sich zeigt, dass in einem Land die Regierungsführung zu wünschen übrig lässt, dann wird in einer ersten Phase versucht, die Situation im gemeinsamen Dialog zu bereinigen. Erst wenn der politische Dialog nicht fruchtet, kommt es in einer zweiten Phase zum Aussetzen der Hilfeleistungen und dann sozusagen in einer dritten Phase zu Sanktionen. So wurden im Fall von Guinea die Entwicklungsgelder eingefroren und im Fall von Simbabwe gar Sanktionen ergriffen.

Die Europäische Union will auch in den nächsten Jahren hier neue, zusätzliche Wege gehen, indem ein Teil der Entwicklungsgelder jenen Staaten zukommen soll, die es mit der "bonne gouvernance" besonders ernst meinen.

d'Wort: Wie geht Luxemburg in dieser Hinsicht konkret vor?

Jean-Louis Schiltz: Wie gesagt, der politische Dialog ist unverzichtbar, auch auf bilateraler Ebene. Dadurch kann die Zusammenarbeit gezielter auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer zugeschnitten werden. Es muss eine richtige Partnerschaft entstehen. Allerdings müssen beide Seiten ihre Versprechen auch einhalten. Die luxemburgische Regierung versucht, den Dialog und die gute Regierungsführung mit konkreten Maßnahmen zu untermauern. So unterstützen wir beispielsweise den Ombudsman in Mali, im Senegal ist ein ähnliches Projekt geplant. In Nicaragua helfen wir beim Aufbau der Gemeinden. Mit solchen Vorhaben kann man in den Entwicklungsländern ganz konkret zur guten Regierungsführung beitragen. Am Ende stärkt dies das Vertrauen der Menschen in die Institutionen.

d'Wort: Bei halbwegs stabilen Ländern kann man sicherlich auf politischen Dialog setzen. Wie sieht es hingegen bei den sogenannten "fragile states" aus?

Jean-Louis Schiltz: In den Krisenregionen sieht die Situation ganz anders aus. Insgesamt kann man festhalten, dass Sicherheit und Entwicklung hier Hand in Hand gehen müssen, das eine ist ohne das andere nicht möglich. In einer ersten Phase müssen deshalb Politik, Diplomatie, Militär und humanitäre Hilfe gleichzeitig und auf koordinierte Art und Weise zum Einsatz kommen. Eine weitere Herausforderung stellt die längerfristige Präsenz vor Ort dar, um mögliche "Rückfälle" zu vermeiden. Um den Frieden dauerhaft zu sichern, müssen in einer dritten Phase die staatlichen Institutionen wieder aufgebaut werden. Als Beispiel möchte ich in diesem Kontext den Kongo nennen, wo militärische Präsenz u.a. notwendig war, um einen friedlichen Ablauf der Wahlen zu garantieren. Auch Luxemburg hat sich übrigens an der Mission beteiligt.

d'Wort: Eine gute Regierungsführung kann man nicht messen ...

Jean-Louis Schiltz: Das ist in der Tat ein Problem. Wenn man im Zusammenhang mit den Entwicklungsländern von Demokratie und guter Regierungsführung spricht, darf man nicht den Fehler machen und glauben, man könnte demokratische Modelle einfach 1:1 in afrikanische Länder oder insgesamt in die Entwicklungsländer verpflanzen. In den meisten Fällen handelt es sich um frühere Kolonien, die erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre Unabhängigkeit erlangt haben. Das macht die Situation oft schwer. Vor allem aber darf man die teils Jahrtausende alten Traditionen nicht über Bord werfen. Die Traditionen sind für das soziale Zusammenleben in diesen Gesellschaften unerlässlich. In jeder Demokratie gibt es allerdings zentrale Elemente, die unantastbar sind. Die Rechtstaatlichkeit und ein funktionierendes Justizsystem sind solche Kernelemente. Die politischen Parteien und die Pressefreiheit zählen auch dazu. Wir haben aber gleichwohl die Pflicht, die Demokratisierungsprozesse in den Entwicklungsländern über einen längeren Zeitraum zu begleiten. Es reicht nicht, einen friedlichen Ablauf der Wahlen zu garantieren und die Menschen dann ihrem Schicksal zu überlassen.

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