Le Premier ministre Jean-Claude Juncker au sujet de l'avenir du traité constitutionnel européen

Bayerischer Rundfunk: Jetzt dauert es nur noch ein paar Wochen, dann wird Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft wieder abgeben, und sich fragen lassen müssen, was am Ende der 6 Monate herausgekommen ist. Von vielen erwartet worden waren Impulse, um den Wiederbelebungsprozess einer europäischen Verfassung einzuleiten. Aber gab es die wirklich?

Das wollen wir einen fragen, der selbst schon einmal Ratspräsident war, und noch immer Regierungschef in Luxemburg ist. Am Telefon der bayerischen Radiowelt begrüße ich Jean-Claude Juncker. Schönen guten Morgen, Herr Juncker.

Jean-Claude Juncker: Guten Morgen.

Bayerischer Rundfunk: Wie erfolgreich war die deutsche Ratspräsidentschaft bislang aus Ihrer Sicht?

Jean-Claude Juncker: Die deutsche Ratspräsidentschaft ist ja noch nicht vorbei, bilanziert wird am Ende. Und Ende ist Ende Juni, Anfang Juli. Wichtige Aufgaben stehen der deutschen Präsidentschaft noch ins Haus.

Im Allgemeinen ist zu sagen, dass die deutsche Präsidentschaft bis heute ein Erfolg war, insofern man unter Erfolg versteht, dass es ihr immer wieder gelang, die Maschinerie zu ölen, dass es ihr gelang, anlässlich des europäischen Gipfels im März verbindliche Ziele in Sachen Klimaschutz festlegen zu lassen. Keine kleine Sache war das.

Man darf nicht vergessen, dass in der Frage Nahost vieles in Ordnung gebracht werden muss. Man darf nicht vergessen, dass in Sachen Iran vieles auf die Strecke gebracht werden musste. Nein, nein, auch im Alltäglichen - und Krieg findet im Alltäglichen statt - hat sich die deutsche Präsidentschaft nicht nur redlich bemüht, sondern kann auch massivste Erfolge vorweisen.

Bayerischer Rundfunk: Hat sie denn auch die erwarteten Impulse tatsächlich gesetzt, was eine gemeinsame europäische Verfassung anbelangt? Sind Sie da zuversichtlich?

Jean-Claude Juncker: Ich bin da zuversichtlich, dass es der deutschen Ratspräsidentschaft und der Bundeskanzlerin gelingen wird am 21. und 22. Juni – an den Daten findet der nächste europäische Gipfel statt – in Sachen Verfassungsgebungsprozess Trendsetterfunktion zu übernehmen. Dies wird schwierig sein, weil es hat Präsidentschaftswahlen, und bis dahin Parlamentswahlen, in Frankreich gegeben. In Großbritannien steht ein Wechsel an, auch in anderen Ländern wurden während der deutschen Präsidentschaft die Parlamente neu gestimmt.

Dieser neue europäische Vertrag wird nicht mehr Verfassungsvertrag heißen, man wird ihn anders benennen müssen, und es wird das Anliegen der deutschen Präsidentschaft sein - und in demselben von vielen massiv unterstützt - möglichst viele Substanzelemente aus dem an dem Nein in Frankreich und den Niederlanden gescheiterten Verfassungsvertrag in diesen neuen Vertrag hinüber zu retten.

Bayerischer Rundfunk: Herr Juncker, Sie haben es gerade angesprochen, es hat Präsidentschaftswalen in Frankreich gegeben. Das klang für mich ein wenig so, als würden Sie nicht unbedingt finden, dass sich mit der Wahl von Nicolas Sarkozy die Lage verbessert hätte in Bezug auf eine gemeinsame europäische Verfassung.

Jean-Claude Juncker: Die Lage ist klarer geworden, und man muss jetzt die Parlamentswahlen abwarten, bevor sich die gesamte französische Führungsmannschaft neu aufgestellt hat.

Aber Herr Sarkozy steht für eine Vertragsänderung, weil er denkt mit dem Vertragswerk von Nizza könne man eine aus 27 Mitgliedsstaaten erweiterte Europäische Union nicht erfolgreich führen, und auch inhaltlich politisch gestalten. Er schlägt deshalb vor, dass man die institutionellen Festlegungen, die es im Verfassungsvertrag gab, übernimmt, und dass man es dabei bewenden lässt.

Viele von uns sind der Meinung, auch in den Staaten die ratifiziert haben, und insbesondere in Spanien und in Luxemburg, die das über Volksbefragung gemacht haben, dass es nicht reicht, institutionelle Fragen in diesen neuen europäischen Vertrag hinüber zu retten: Wie setzt sich die Kommission zusammen? Wie wird und mit welcher Mehrheit im Ministerrat votiert? Wichtige Fragen, aber keine ausreichende Agenda um Europa zukunftssicher zu machen.

Nein, wir brauchen mehr Mehrheitsentscheidungen in Sachen Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Wir brauchen eine Neuaufstellung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Wir brauchen eine Rechtsgrundlage für gemeinsame Energiepolitik, auch für die außenpolitische Dimension derselben. Wir brauchen mehr Soziales in Europa. Wir müssen unbedingt für diese Neubestimmung im europäischen Verfassungsvertrag sorgen, die besagt, dass jedwede Initiative der europäischen Kommission und der Europäischen Union auf ihre Sozialverträglichkeit hin überprüft werden muss. Eine Notwendigkeit, aber in meinen Augen ein Minimum Eingang im neuen Verfassungsvertrag.

Wir brauchen ein Sozialprotokoll was deutlich macht, dass Europa nicht nur Angelegenheit von Regierungen, von Parlamenten, von Denkern und von Wirtschaftsbossen ist, sondern auch eine Angelegenheit, die die Menschen in ihrem tagtäglichen Leben direkt betrifft. Europa näher an die Bürger bringen, Europa sozialer machen, dies sind die Grundelemente zukünftiger europäischer Politik, auch zukünftiger europäischer Vertragspolitik. Darum wird sich die deutsche Präsidentschaft bemühen. Unsere Unterstützung hat sie.

Bayerischer Rundfunk: Jean-Claude Juncker, Ministerpräsident von Luxemburg, der frühere EU-Ratspräsident. Herr Juncker, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Jean-Claude Juncker: Ich bitte Sie.

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