"Wesentliche Fortschritte nicht in Frage stellen". Le ministre délégué aux Affaires étrangères et à l'Immigration, Nicolas Schmit, au sujet de l'avenir du traité constitutionnel européen

Tageblatt: Die deutsche EU-Ratsvorsitzende Angela Merkel hat bei den EU-Staaten über einen Fragebogen deren Ansichten über den EU-Verfassungsvertrag eingeholt. Was hat Luxemburg geantwortet?

Nicolas Schmit: In diesem Fragebogen geht es um Fragen der Form und um Fragen des Inhalts. Der Verfassungsvertrag schafft die bestehende Struktur der Säulen ab, um das Funktionieren der Europäischen Union verständlicher zu machen. Besonders jene Länder, die noch nicht ratifiziert haben, einschließlich der Niederlande, wollen an den strukturellen Aspekten nichts ändern. Das ist aber wesentlich für uns. Wir dürfen uns nicht vom Hauptauftrag verabschieden, den der Verfassungskonvent 2001 erhielt, d.h. vereinfachen, mehr Transparenz, mehr Effizienz und mehr Demokratie schaffen.

Daneben wurde die Frage gestellt, welche neuen Bereiche aufgenommen werden sollen. Die EU ist mit drei großen Herausforderungen konfrontiert. Die erste ist der Klimawandel. Jeder erkennt, dass es sich hier um das dringendste und wichtigste Thema handelt.

Der zweite Bereich wäre das Soziale. Wir wissen, dass bei den beiden Referenden über den Verfassungsvertrag in Frankreich und den Niederlanden die soziale Dimension eine wichtige Rolle gespielt hat. Es stellt sich also die Frage, wie diese soziale Dimension besser in einem Vertrag verankert werden kann. Wir brauchen konkrete Mittel, um das soziale Europa schneller voranzubringen, etwa um einfacher soziale Mindestnormen in verschiedenen Bereichen zu beschließen. An den Klimawandel gebunden ist die Energiepolitik. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir, angesichts der Dringlichkeit, Europa energiepolitisch mehr Autonomie zu geben, ein Kapitel über die Energiepolitik aus dem Vertrag ausschließen.

Tageblatt: Wird sich nicht nur auf die institutionellen Reformen beschränkt?

Nicolas Schmit: Da stellt sich die große Frage, welches die Absichten des Herrn Sarkozy sind. Wir setzen große Hoffnungen auf das entschiedene Engagement von Herrn Sarkozy für eine echte europäische Wiederbelebung. Ich glaube, dann wird es relativ einfacher, aus der gegenwärtigen Situation zu entkommen. Würde Frankreich die eher minimalistische Haltung Großbritanniens unterstützen, was ich nicht glaube, dann werden die Verhandlungen im Juni über das Mandat für die Regierungskonferenz viel schwieriger. Denn es ist klar, dass jene Länder, die den Verfassungsvertrag bereits ratifiziert haben, nicht einfach hinnehmen, dass alles nach unten revidiert wird.

Tageblatt: Die Polen aber wollen wieder über den Abstimmungsmechanismus im Rat und das Amt des europäischen Außenministers diskutieren.

Nicolas Schmit: Deshalb ist für mich die Rolle Frankreichs zentral, wenn es sich gegenüber den Zögerern, die verschiedene Teile der Verfassung wieder in Frage stellen, auf die Seite jener stellt, die für einen ehrgeizigen und nicht für einen minimalistischen Weg aus der Krise sind. Wenn Frankreich dies tut, wird es viel schwieriger für jene, die das Rad zurückdrehen wollen und wesentliche Fortschritte wieder in Frage stellen. Wir brauchen eine kurze Regierungskonferenz, die die Substanz dessen, was bereits abgemacht und unterschrieben und von 18 Staaten ratifiziert wurde, beibehält.

Tageblatt: Welche Rolle spielt Großbritannien dabei, das als Speerspitze jener Staaten gilt, die bremsen?

Nicolas Schmit: Die Briten taktieren und wenn sie ausreichend Alliierte haben, ist ihre Position für einen minimalistischen Vertrag stärker. Wir hoffen, dass dies nicht der Fall sein wird und sind bereit, Großbritannien in manchen Fragen entgegenzukommen, etwa dass der Vertrag keine Verfassung sein muss. Doch auch die Briten müssen verstehen, dass Europa gestärkt werden muss. Wenn eine eingeschränkte soziale Dimension gefordert wird, dann, glaube ich, ist dies nicht im Sinne der europäischen Bürger. Wenn weniger qualifizierte Mehrheiten gefordert werden, beispielsweise bei der Harmonisierung des Strafrechts oder der aktiveren Bekämpfung des internationalen Verbrechens, dann sehe ich nicht ein, wie Europa akzeptabler bei den Bürgern wird.

Tageblatt: Was sollte außer den instltutionel len Reformen erhalten bleiben?

Nicolas Schmit: Wir können die Charta der Grundrechte nicht einfach fallen lassen. Sie ist ein wesentliches Fundament eines Europas, in dem viel von einer Wertegemeinschaft geredet wird. Verzichten kann man auf gewisse Aspekte der Struktur des Vertrages, seinen konstitutionellen Charakter. Diskutieren kann man auch über die Symbole Europas, die auch jetzt existieren, ohne jedoch in einem Vertrag verankert zu sein. Wir haben derzeit 15 Instrumente in Europa, um Entscheidungen zu treffen. Wie soll der Bürger dies verstehen? Der Verfassungsvertrag beschränkt sich auf sechs Instrumente. Wir haben in vielen Bereichen kein Mitbestimmungs- und damit Kontrollrecht des Europäischen Parlaments. Die Verfassung sieht eine Reihe von Bereichen vor, in denen das Europäische Parlament ein Mitbestimmungsrecht erhält. Wir haben im Bereich der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit wenig Kompetenzen für den Europäischen Gerichtshof. Die Verfassung sieht hier eine Erweiterung der Kompetenzen vor, was im Interesse eines besseren Schutzes der Freiheiten und Rechte der Bürger ist.

Manche wollen den europäischen Außenminister nicht. Dadurch wird jedoch die Rolle Europas in der Welt nicht gestärkt, sondern geschwächt. Was dem zuwiderläuft, was die Bürger fordern. Das sind zwar alles institutionelle Fragen, die jedoch eine fundamentale Beziehung auf die Art und Weise haben, wie in der Zukunft europäische Politik betrieben wird.

Tageblatt: Sollten die nationalen Parlamente in den Entscheidunqsprozess in der EU eingebunden werden?

Nicolas Schmit: Es gibt Vorschläge, etwa die Subsidiarität weiter zu verstärken. Eine andere Idee sieht vor, dass die nationalen Parlamente die Kommission auffordern können, einen Gesetzgebungsvorschlag zu überarbeiten oder ganz zurückzuziehen. Es besteht aber dann die Gefahr, dass wir allmählich in einen Immobilismus abgleiten. Wenn wir aber über diesen Weg jede Verhandlung unterbinden, dann haben wir eine negative Entscheidungsebene und nichts, was Europa weiterbrächte. Für uns ist jedoch weiterhin klar, dass die nationalen Parlamente als privilegierte Gesprächspartner ihre Regierungen haben müssen. Wir könnten uns aber auch vorstellen, dass die nationalen Parlamente die Kommission dazu auffordern, aktiv zu werden. Warum sollten die nationalen Parlamente eine negative Rolle spielen und als solche betrachtet werden, die verhindern und blockieren? Subsidiarität bedeutet nicht nur abbauen, sondern, dort, wo die Notwendigkeit besteht, mehr europäisch zusammenzuarbeiten, positiv vorgehen und Politiken entwickeln.

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