"Auf Immigranten angewiesen". Le ministre délégué aux Affaires étrangères et à l'Immigration au sujet de l'immigration

Télécran: Der EU-Verfassungsvertrag ist also tot und soll unter einem anderen Namen neu belebt werden. Seit der Rede des Staatsministers ist offiziell, was jeder ahnte, die Politik jedoch krampfhaft abstritt. Warum wurde den Bürgern nicht eher die Wahrheit gesagt?

Nicolas Schmit: Ich habe es getan. Nach dem Vorschlag von Nicolas Sarkozy über den "Mini-EU-Vertrag" schrieb ich einen persönlichen Beitrag im "Tageblatt". Ich erklärte mein Bedauern über das Scheitern des Verfassungsvertrags und zeigte Wege auf, die Europa aus der Krise führen könnten. Man muss realistisch sein und den Bürgern reinen Wein einschenken, auch wenn man dafür manchmal kritisiert wird.

Télécran: Die Luxemburger haben dem Verfassungsvertrag am 10. Juli 2005 via Referendum zugestimmt. Und nun bekommen sie etwas ganz anderes?

Nicolas Schmit: Ziel ist es, so viel wie möglich vom alten Inhalt zu retten. Vor den Europawahlen 2009 brauchen wir einen neuen Vertrag. Dieser wird keinen verfassungsrechtlichen Charakter haben. Wichtig ist der Ausbau der sozialen Komponente. Es stimmt: Wir haben etwas ratifiziert, was nicht kommt. Es macht jedoch keinen Sinn, erneut ein Referendum abzuhalten. Den Bürgern werden wir den neuen Vertrag erklären. Eins ist klar: Er darf keinen Rückschritt bedeuten.

Télécran:Nach den zahlreichen Meetings vor dem Referendum müssen Sie also erneut den Pilgerstab nehmen und für Europa werben?

Nicolas Schmit: Kürzlich war ich in Mersch zur Feier des Europatags. Es war ein schönes Fest. Ich bin sicher: Wenn wir es schaffen, die Kampagne geschickt zu organisieren und den Bürgern die Vorteile eines vereinten Europas in der globalisierten Welt vor Augen zu führen, dann werden wir auch Erfolg haben.

Télécran: Eine weitere Herausforderung für Sie bedeutet das neue Immigrationsgesetz. Es fällt ebenfalls in ihr Ressort. Das alte Gesetz stammt aus dem Jahr 1972. Warum muss es geändert werden?

Nicolas Schmit: Weil es der aktuellen Entwicklung der EU nicht Rechnung trägt. Die Familienzusammenführung wird nicht erwähnt, so dass wir uns diesbezüglich in einer Grauzone befinden. Der Arbeitsmarkt hat sich verändert. Es gibt jede Menge EU-Richtlinien, die wir noch nicht umgesetzt haben. Unsere Gesetzgebung entspricht nicht mehr dem Stand der Zeit. Wegen der Fremdenkarte, die Luxemburg weiterhin für EU-Bürger verlangt, riskieren wir zum Beispiel, vom EU-Gerichtshof verurteilt zu werden. Wir brauchen ein modernes Immigrationsgesetz.

Télécran: Für welche Zielgruppe?

Nicolas Schmit: Wir müssen die wirtschaftliche Entwicklung des Landes vor Augen haben. Der Finanzplatz braucht Spezialisten und findet keine. Der Wettlauf nach Talenten hat längst begonnen in Europa und den USA. Die Modernisierung der Wirtschaft erfordert eine Modernisierung der Einwanderungspolitik.

Télécran: Prioritär wird also nach hochqualifizierten Immigranten gesucht. Und die anderen, weniger Talentierten?

Nicolas Schmit: Wir werden die Türen nicht vor politischen Flüchtlingen verschließen. Die illegale Immigration wird jedoch stärker bekämpft. Das neue Gesetz gibt uns die nötigen Mittel. Die Strafen werden erhöht, sowohl für Schlepperbanden, wie auch für Arbeitgeber, die Illegale beschäftigen. Als Gegenleistung darf die legale Einwanderung aus ärmeren Ländern nicht unmöglich gemacht werden.

Télécran: Ein neues Immigrationsgesetz sei notwendig, auch zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts, sagte der Staatsminister. Was heißt das konkret?

Nicolas Schmit: Immigration und Integration stehen im direkten Zusammenhang. Wir sind ein Einwanderungsland und werden auch in Zukunft auf Immigranten angewiesen sein, um unsere Wirtschaft und unseren Lebensstandard aufrecht zu halten. Nötig ist jedoch eine effizientere Integrationspolitik. Wir arbeiten sehr eng mit Familienministerin Marie-Josée Jacobs zusammen. Den Rahmen der Integration bildet unser Wertesystem. Dazu gehören zum Beispiel die Rolle der Frau und die Schulpflicht.

Télécran: Wann werden Sie den Gesetzentwurf hinterlegen?

Nicolas Schmit: Am 18. Mai wird er der Regierung zugestellt. Anschließend werde ich eine breite Konsultationsrunde in die Wege leiten - mit den Parteien, Gewerkschaften, ONGs. Auch ausländische Experten sind eingeladen. Im Herbst will ich den Text auf den Instanzenweg schicken.

Télécran: Sie haben bereits zahlreiche Vorgespräche über dieses Gesetz geführt. Welches Gefühl haben Sie? Ist es vermintes Gebiet?

Nicolas Schmit: Eine Meinungsumfrage kürzlich im "Wort" ergab, dass das Thema Immigration nicht auf der obersten Sorgenliste der Bevölkerung steht. Das hat mich beruhigt. Wir müssen es vermeiden, aus der Immigration ein Thema zu machen, das politisch ausgeschlachtet werden könnte. Es gab in der Tat zahlreiche Vorgespräche. Der Wirtschafts- und Sozialrat hat ein hervorragendes Sondergutachten erstellt. Ausdrücklich möchte ich auch die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der Kirche erwähnen.

Télécran: Per Gesetz will die Regierung Einwanderern 80 Stunden Urlaub garantieren, um Luxemburgisch zu lernen. Reicht das aus?

Nicolas Schmit: Es ist ein erster Schritt. Wahrscheinlich reicht er nicht. Ziel ist es, den Ausländern Lust zu machen, unsere Sprache zu lernen und sich zu integrieren.

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