"Gute Beziehungen sind von kapitaler Wichtigkeit". Le ministre des Affaires étrangères et de l'Immigration, Jean Asselborn, au sujet des relations entre l'UE et la Russie

Télécran: Spätestens seit dem EU-Russland-Gipfel in Samara ist gewusst, dass die Beziehungen zwischen beiden Partnern gespannt sind. Wie bewerten Sie die Situation?

Jean Asselborn: Als 1989 die Mauer fiel, verschwanden auch die ideologischen Grenzen zwischen Ost und West. Es ging darum, die Menschen zusammenzuführen, in einer friedlichen Welt ohne Wettrüsten zwischen den Supermächten. Die EU hat dabei eine wichtige Rolle gespielt. Zwei Tatsachen muss die europäische Außenpolitik Rechnung zu tragen: Einerseits sind die USA nicht nur eine Weltmacht, sondern nach wie vor unser wichtigster Verbündeter. Andererseits teilen wir mit Russland diesen Kontinent. Die EU ist also verständlicherweise an guten Beziehungen mit Russland interessiert, genauso wie es im Interesse der Russen liegt, mit Europa positiv zusammenzuarbeiten. Auch wenn dies in der Praxis manchmal nicht einfach ist.

Télécran: Ein heikler Punkt sind die Menschenrechte. Der russische Staatspräsident reagiert offensichtlich sehr sensibel auf dieses Thema. Macht es Sinn, ihn trotzdem darauf anzusprechen?

Jean Asselborn: In Russland ist die Menschrechtssituation heute um ein Vielfaches besser, als sie es jemals während der Zarenzeit oder in der Sowjetunion war. Das heißt nicht, dass es keinen Grund zu Beanstandungen mehr gäbe. Mit vielem, was in Russland passiert, können wir nicht einverstanden sein. Doch die russische Demokratie hatte erst 15 Jahre Zeit, um sich zu entwickeln. Erwachsen wird sie erst sein, wenn sie auch gelernt hat, mit einer Opposition richtig umzugehen. Die EU muss Russland bei diesem Prozess unterstützen, ohne in selbstgefällige Kritik zu verfallen. Geduld und Beharrlichkeit sind gleichermaßen erfordert. Vor allem aber muss die EU geeint und solidarisch handeln.

Télécran: Gibt es über die allgemeinen europäischrussischen Beziehungen hinaus spezifisch luxemburgisch-russische Gesprächsthemen? Wo sind die bilateralen Beziehungen dran?

Jean Asselborn: Die bilateralen Beziehungen sind sehr gut. Luxemburg ist für Russland ein wichtiger Handelspartner, ganz besonders durch seinen Finanzplatz. Ein Lieferabkommen zwischen dem russischen Erdgaskonzern Gazprom und der Soteg ist vor kurzem abgeschlossen worden.

Télécran: Ist die Arcelor-SeverStal-Episode mittlerweile vergessen?

Jean Asselborn: Das wurde von den Russen gut akzeptiert. Der luxemburgischen Regierung wurde das Scheitern der Verhandlungen nie zum Vorwurf gemacht.

Télécran: Muss man eigentlich Angst haben, dass Europa wieder in die Zeit des Kalten Krieges zurückkehrt?

Jean Asselborn: Ich hoffe es nicht. Dass die guten Beziehungen mit Russland für uns Europäer von kapitaler Wichtigkeit sind, sollen auch unsere amerikanischen Partner akzeptieren. Wir nehmen deshalb mit Genugtuung zur Kenntnis, zum Beispiel in Sachen Raketenabwehrsystem, dass sich diese Sicht mittlerweile auch im US-Kongress durchzusetzen beginnt. Man darf auch gespannt sein, welche Änderungen das nächste Jahr mit sich bringt, wenn sowohl in Russland als auch in den USA Präsidentschaftswahlen stattfinden. Für Europa ist es wichtig, jetzt nicht in eine antirussische Stimmung zu verfallen und sich diese auch nicht von außen aufzwingen zu lassen.

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