"Afghanen müssen Führung im Land übernehmen." Le ministre des Affaires étrangères et de l'Immigration, Jean Asselborn, au sujet de la visite de travail en Afghanistan

Tageblatt: Herr Außenminister, was war das Ziel ihres Besuches hier in Kabul?

Jean Asselborn: Ziel ist es, zu zeigen, dass die luxemburgische Regierung engagiert ist. Zweitens wollten wir, d.h. die beiden Minister, der Außenminister sowie der Verteidigungs- und Kooperationsminister Jean-Louis Schiltz, klar machen, dass in Afghanistan drei Aspekte berücksichtigt werden müssen. An erster Stelle steht das Politische. Wenn sich auf der politischen Ebene sowohl im Land als auch auf internationaler Ebene nichts tut, ist kein Weiterkommen möglich. Doch wir brauchen selbstverständlich auch die beiden Komponenten Sicherheit, also eine militärische Präsenz, und den Wiederaufbau des Landes, um diesem wieder eine Chance zu geben, selbst atmen zu können. Ziel war es, zu verdeutlichen, dass dieses in der Sicht der luxemburgischen Regierung zusammengehört.

Tageblatt: Fährt man deshalb nach Kabul?

Jean Asselborn: Für mich war auch noch Folgendes wichtig: Afghanistan ist praktisch in allen Tagungen der NATO-Außenminister ein Thema, wenn nicht gar das Hauptthema. War man auch nur zwei Tage hier in Kabul und hat selbst Gespräche mit den afghanischen Autoritäten geführt und einiges gesehen, dann bekommt man einen Eindruck darüber, was sich in diesem Land tut. Man hat dann eine ganz andere Sicht der Dinge, kann auf Probleme aufmerksam machen und weiß zu argumentieren.

Wir wollen jedoch auch zeigen, dass die luxemburgische Außenpolitik, durch die Präsenz unserer Soldaten, unsere Verteidigungspolitik und unsere Kooperationspolitik schon etwas ist, was im Einklang mit der globalen Solidarität auf der Welt steht.

Tageblatt: Wo sehen Sie die großen Herausforderungen, denen sich Afghanistan derzeit gegenübersieht?

Jean Asselborn: Der wichtigste Punkt ist meiner Meinung nach, dass Pakistan und Afghanistan, die vieles miteinander verbindet, jedoch auch vieles voneinander trennt, zu einer anderen Gesprächsbasis finden müssen. Ich habe mir daher erlaubt, dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai zu sagen, dass von ihm erwartet wird, diesen Schritt zu tun. Vieles hängt davon ab. Etwa die Frage der afghanischen Flüchtlinge im Grenzgebiet der beiden Länder. Es waren deren 4,5 Millionen, derzeit befinden sich immer noch 2,5 Millionen von ihnen in dieser Gegend. Auf der einen Seite kann Pakistan diese Situation nicht bewältigen und klagt über die unbewachte Grenze. Die Afghanen wiederum sagen, dass viele dieser Flüchtlinge dazu trainiert wurden, um bei den Taliban zu kämpfen oder terroristische Aktionen durchzuführen.

Das Problem der Grenze ist nicht nur eines der Flüchtlinge, sondern auch des Terrorismus im Lande. Das ist für mich ein wichtiger Punkt.

Tageblatt: Wird daher nun diese Versammlung der Stammesführer dieser Region einberufen?

Jean Asselborn: Diese müssen sich zusammensetzen, denn hier geht nichts - das ging aus all unseren Gesprächen hervor -, wenn die Dinge zentral, also von Kabul aus, angegangen werden. Es gibt zwar einen Präsidenten und ein Parlament, doch wer hier auch noch das Sagen hat, das sind eben auch die Stämme. Es ist wichtig, wenn diese Stammesführer miteinander reden, vor.allem da Pakistan dabei ist, einen Grenzzaun zu errichten, wovon bereits 20 Kilometer stehen.

Dies wollen die Afghanen nicht, und die Lösung besteht auch nicht darin, eine Mauer zu bauen. Das zweite ist der Drogenanbau im Süden des Landes. 80 Prozent des weltweit angebauten Opiums stammen aus Afghanistan. Dieser dient ebenfalls der Finanzierung des Terrorismus. Ein Bauer jedoch, der Weintrauben anbaut, hat mehr Arbeit damit als mit dem Anbau von Opium. Doch er verdient zehnmal mehr mit dem Opium. Es gibt Vorschläge, das Opium zu zerstören oder einfach aufzukaufen. Ich aber bin der Meinung, die Bauern sollten subventioniert werden und die Differenz von dem erhalten, was sie durch den Nichtanbau von Opium an Einnahmen verlieren.

Tageblatt: Welche Rolle kann der NATO dabei zukommen?

Jean Asselborn: Im Januar 2006 wurde in London ein Pakt zwischen der internationalen Gemeinschaft und Afghanistan geschlossen. Erstere versprach Unterstützung, Afghanistan sollte den Rechtsstaat aufbauen, also die Korruption bekämpfen und das Justizwesen reformieren. Es ist jedoch nicht möglich, während dieser Übergangsphase ohne Militär auszukommen. Auf lange Dauer wird es jedoch Schwierigkeiten geben, die Akzeptanz der Präsenz der internationalen Streitkräfte im Lande, vor allem der NATO-geführten ISAF-Truppen, bei der afghanischen Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Wir sind aber jetzt in einer Phase, in der die Afghanen die Führung übernehmen müssen, bei Militäroperationen, bei Hausdurchsuchungen oder - wenn es getan wird - bei der Zerstörung von Opiumfeldem.

Dies muss von der afghanischen Armee durchgeführt werden, nicht von fremden Kräften. Die afghanische Bevölkerung muss verstehen, dass wir nicht als Besatzer da sind, sondern um das Land weiter zu entwickeln.

Tageblatt: Ziehen die internationalen Streitkräfte dabei an einem Strang?

Jean Asselborn: Der Oberkommandierende der ISAF-Truppen, Dan McNeill, hat mir den Eindruck vermittelt, als wolle er einen Weg beschreiten, damit die Afghanen die Führung übernehmen. Ich hoffe, auch auf Seiten der Amerikaner wird sich dies tiefer in den Köpfen verankern, damit wir nach außen zeigen können, dass wir das Problem nicht nur mit militärischen Optionen lösen, sondern auch indem wir den Wiederaufbau verstärken.

Tageblatt: Welchen Eindruck hat bei Ihnen der Besuch bei den luxemburgischen Soldaten hinterlassen?

Jean Asselborn: Man sieht, dass die jungen Männer und vor allem unsere Offizierin mit einem totalen Engagement und einer großen Begeisterung dabei sind. Es macht einem Spaß, das Lob über sie zu hören, das sowohl von den belgischen Behörden, mit denen unsere Soldaten zusammenarbeiten, als auch von den Norwegern, die das Kommando des ISAF-Camps am Kabuler Flughafen inne haben, kommt. Sie leisten hier ihre Hilfe, damit dieses Land wieder einen Ansatz einer Demokratie erhalten und stabilisiert werden kann. Das hinterlässt schon einen freudigen Eindruck.

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