"Wir müssen mit neuen Standortargumenten arbeiten". Le ministre de l'Économie et du Commerce extérieur au sujet de l'évolution et de la compétitivité de l'économie luxembourgeoise

Nic Dicken: Herr Minister, Sie konnten von Ihrer jüngsten Amerikareise mal wieder eine positive Nachricht mitbringen im Bereich der industriellen Diversifizierung. Insgesamt gesehen verliert der sekundäre Wirtschaftsbereich aber weiter an Bedeutung zugunsten des Dienstleistungssektors. Warum ist es so schwer, neue industrielle Aktivitäten in Luxemburg an zu siedeln?

Jeannot Krecke: Dafür gibt es sicher eine Reihe von Gründen, die sich in den letzten Jahren verstärkt haben. Die Globalisierung der Weltwirtschaft insgesamt und die Verbesserung der Transportmöglichkeiten haben bewirkt, dass vieles von dem, was früher in den klassischen westlichen Industrieländern hergestellt wurde, jetzt an anderen Standorten, vor allem in Asien, produziert wird.

Andererseits ist mit der EU-Erweiterung von 2004 und 2007 zusätzliche Standortkonkurrenz auch für Luxemburg entstanden. Wenn heute ein Industriebetrieb über eine neue Niederlassung entscheidet für ein Produkt, das nicht besonderen Anforderungen entsprechen muss, dann entscheidet er sich in der Regel für einen Standort mit möglichst niedrigen Kosten, wobei nicht nur die Lohnkosten visiert sind. Wir müssen deshalb immer mehr neue Argumente für den Standort Luxemburg finden, weil wir mit Kostenvorteilen immer weniger überzeugen können.

Nic Dicken: Im Anschluss an die Promotionsreise in die Vereinigten Staaten haben Sie auch eine Wirtschaftsmission nach Vietnam begleitet. Welches war der Beweggrund für die Reise, die ja nun doch unter ganz anderen Vorzeichen stand?

Jeannot Krecke: Ich bin der Meinung, dass wir einen Teil des Wachstums, das wir weiter brauchen, im Exportgeschäft finden müssen. Das gilt in zunehmendem Maße auch für den Dienstleistungssektor.

Andererseits müssen wir uns auch bewusst sein, dass Unternehmen ihren Standort in Luxemburg auch absichern können, indem sie näher bei ihren eigentlichen Kunden investieren. Die Vietnamesen wollen beispielsweise ihr Kommunikationswesen weiter aufbauen, wozu ihnen die luxemburgische SES eine wichtige Hilfe bieten kann, die zumindest auch für den anfänglichen Betrieb der neuen Einrichtungen angeboten wird.

Ein anderes Beispiel betrifft die Cargolux, die ja ihr Geschäft nicht nur an den wichtigen Umsatzplätzen wie Hongkong oder Luxemburg betrieben kann, sondern der man auch die Möglichkeit bieten muss, im Rahmen der so genannten Fünften Freiheit eventuell auch Güter von Hongkong nach Ho Chi Minh City oder von dort zu anderen Bestimmungsorten zu transportieren. Im stark konkurrenzierten Geschäft der Cargolux wird es immer wichtiger, auf diesem Weg verstärkt freie Kapazitäten zu nutzen.

Ein drittes konkretes Projekt betrifft die Stahlindustrie, wo ArcelorMittal und Paul Wurth mit ihrer internen technischen Kompetenz den Vietnamesen die Möglichkeit bieten können, Stahl zu 100% mit inländischem Eisenerz her zu stellen, was bisher nicht möglich war. Das würde einen beachtlichen Vorteil bieten für den Aufbau der vietnamesischen Auto- und Schifffahrtsindustrie, die in den nächsten Jahren ein beachtliches Wachstum vorlegen dürften.

Schließlich kann Luxemburg auch von großem Nutzen sein für Vietnam beim Aufbau eines eigenen Börsen- und Finanzmarktes. Damit verschaffen wir uns zugleich auch eine gute Ausgangsbasis für mögliche zukünftige Partnerschaft und Zusammenarbeit in diesem Bereich.

Nic Dicken: Inwiefern spielen im Zusammenhang mit der Niederlassungspolitik die Verfügbarkeit von Bauland und die Immobilienpreise eine Rolle?

Jeannot Krecke: Hier muss man nach Branchen differenzieren. Was die Verfügbarkeit von Grundstücken für produzierende Betriebe betrifft, werden wir sicher noch weiteres Land bereit stellen müssen.

Bei Dienstleistungsunternehmen oder für die Einrichtung europäischer Hauptniederlassungen für Industriekonzerne scheinen die Preise in Luxemburg auf Anhieb zwar hoch, liegen in Wirklichkeit aber immer noch deutlicher unter denen, die in anderen Zentren wie London, Paris oder auch Moskau üblich sind.

Was uns wirklich fehlt, sind ausreichend Flächen für kleinere Unternehmen im Land sowie für Start-Ups, wo wir einfach schneller und flexibler die geeigneten Räumlichkeiten bereit halten müssen. Deshalb versuchen wir auch, möglichst schnell die bestehenden Inkubatoren aus zu bauen, wobei neben den bereits geplanten und im Bau befindlichen Einrichtungen sicher noch zusätzliche erforderlich sind. Notfalls kann man dabei auf die Schnell mit einigen Containern gute Voraussetzungen schaffen für unter pragmatischer gestalten

Nic Dicken: Unter Federführung Ihres Vorgängers wurden neue Instrumente geschaffen, um die Konkurrenzsituation im Land zu überwachen. Sie denken selbst über eine Änderung der geltenden Gesetzgebung nach. In welche Richtung sollen eventuelle Nachbesserungen gehen?

Jeannot Krecke: Dafür gibt es eigentlich zwei Richtungen. Auf der einen Seite sehe ich aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen nicht ein, warum wir eine so strikte Trennung zwischen Konkurrenzinspektion und Konkurrenzrat, also der gerichtlichen Instanz, schaffen sollen, die im übrigen von der EU-Kommission auch gar nicht gefordert wird, zumal wir ja dafür auch nicht die erforderlichen Fachkräfte besitzen. Ich bin der Meinung, dass man auch unter diesen Umständen die sicher notwendige Aufgabentrennung wird garantieren können.

Auf der anderen Seite gibt es eigentlich nur noch drei konkrete Bereiche, die vom Konkurrenzrecht geregelt werden müssen, das sind die Medikamente, die meiner Ansicht nach allein schon aus Gründen der fachlichen Kompetenz besser beim Gesundheitsministerium angesiedelt wären, die Treibstoffpreise, sowie die Taxipreise, die ich am liebsten vollständig liberalisieren würde, um dem in dieser Branche herrschenden Protektionismus die Spitze zu brechen. Ich bin mir bewusst, dass ich das nicht allein bewirken kann, sondern mich wegen der bestehenden Vereinbarungen auch mit anderen Ministerkollegen werde absprechen müssen. Zu einer neuen Marktöffnung würde aber auch gehören, dass man das bestehende Angebot erweitem muss.

Nic Dicken: Eines der ersten wichtigen Dossiers, mit denen Sie sich in Ihrer Funktion beschäftigen mussten, war der Fontagné-Bericht im Zusammenhang mit der Verbesserung der Wettbewerbsfähigheit unserer Wirtschaft. In der Zwischenzeit hat sich in diesem Dossier kaum noch etwas getan, wenn nicht sogar die vorherige Situation - Stichwort "Statut unique" - eventuell sogar weiter zu eskalieren droht. Ist die Wettbewerbsfähigkeit kein Thema mehr?

Jeannot Krecke: Selbstverständlich ist die Wettbewerbsfähigkeit nach wie vor ein Thema, das allerdings in Zeiten mit Wachstumsraten von 5 und 6% schwieriger zu vermitteln ist. Angesichts dieses Erfolgs sind ja schon wieder Leute der Meinung, man brauche sich um dieses Thema nicht mehr zu kümmern. Sie können aber davon ausgehen, dass wir in den Kulissen weiter daran arbeiten.

Andererseits müssen wir uns aber auch bewusst werden, dass nicht nur finanzielle Erwägungen für die Attraktivität des Standortes eine Rolle spielen, sondern auch andere Erwägungen, wie etwa geeigneter Wohnraum, gute Verkehrsverbindungen insbesondere im Flugbereich, Sicherheit, schulische Infrastrukturen und dergleichen mehr. Im Zusammenhang mit den Flugverbindungen könnte man sich sogar die Ansiedlung eines Low Cost Carriers für transkontinentale Flüge vorstellen, der Luxemburg besser in das internationale Netz einbinden würde, ohne der Luxair direkte Konkurrenz zu machen.

Nic Dicken: Sie haben vor etwa einem Jahr den Aufbau einer neuen Logistikplattform im Raum Bettemburg-Düdelingen in Aussicht gestellt. Während das Postunternehmen an diesem Standort sehr dynamisch expandiert, scheint darüber hinaus aber nicht viel zu laufen. Ist dieser Eindruck richtig?

Jeannot Krecke: Vor Ort mag man diesen Eindruck gewinnen, doch arbeiten wir im Ministerium gezielt an einem Konzept für diesen neuen Bereich. Es geht ja nicht darum, mehr Transportvolumen über Luxemburg ab zu wickeln und dadurch mehr Transport auf den Flughafen oder auf die Straßen zu bringen. Was wir wollen, ist eine bessere Nutzung des bestehenden Volumens, um neben der reinen Verfrachtung auch zusätzlichen Mehrwert in Luxemburg zu schaffen.

Dazu gehören beispielsweise Arbeiten wie neue Palettierung oder neue Verpackung, Zertifizierung von Gütern, Organisation der europaweiten Verteilung, die überdies eine gewisse Kompetenz voraussetzt, Verrechnung oder Kundendienst für ausgelieferte Güter.

Wir sind dabei, dieses Konzept zunächst einmal für die herein kommende Flugfracht auf zu bauen, was im direkten Umfeld des Flughafens bzw. im Raum Contern geschehen soll.

Die Logistik-Plattform, die auf dem Gelände der WSA zwischen Bettemburg und Düdelingen aufgebaut werden soll, wird vor allem für den Transport über die Schiene interessant. An diesem Standort mit optimalem Bahnanschluss können wir eine neue Umschlagstelle Schaffen für die Seefracht über die Nordseehäfen wie Antwerpen oder Rotterdam, die nach wie vor das größte Volumen im Transport ausmacht.

Die jetzt bereits vorhandenen Einrichtungen sind gut ausgelastet und ermutigen uns, verstärkt auf diese nicht nur sprichwörtliche Schiene zu setzen.

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