"Die ganze Palette der Diplomatie ausschöpfen". Jean Asselborn au sujet du dossier nucléaire iranien

Jürgen Liminski: Am Telefon begrüße ich nun den Außenminister Luxemburgs Jean Asselborn, der vermutlich mit seinen Kollegen in der EU, sicher auch mit dem französischen Amtskollegen darüber im Gespräch ist. Zunächst mal guten Morgen Herr Asselborn.

Jean Asselborn: Guten Morgen Herr Liminski.

Jürgen Liminski: Herr Asselborn, übermorgen wollen die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats und Deutschland wieder über das weitere Vorgehen gegenüber dem Iran verhandeln. Sind solche Äußerungen wie des Kollegen Kouchner da für die Sache nützlich?

Jean Asselborn: Vorne weg, Herr Liminski, würde ich sagen, Herr Kouchner ist ja ein ausgezeichneter Kollege, aber seit gestern rudert er, um das mal bildlich auszudrücken, selbst progressiv wieder zurück ans Ufer der politischen Ratio. Das ist gut so. Das ehrt ihn. Wir dürfen auf keinen Fall in der EU den Eindruck hinterlassen, dass die ganze Palette der Diplomatie nicht mehr greift, dass die erschöpft ist. Das ist das erste.

Das zweite ist: Iran hat wirklich die Bringschuld. Es ist kein Säbelrasseln wie Ihr Kollege gesagt hat von Seiten der internationalen Gemeinschaft. Es ist nur die einfache Pflicht für den Iran, zwei Resolutionen der UNO zu erfüllen. Das ist Russland/China, Amerika und dann die zwei europäischen Länder zusammen mit Deutschland, die das ausgearbeitet haben. Das ist die Diskussion, die geführt werden muss. Wir müssen aufpassen in der Europäischen Union, dass wir keine Debatten jetzt führen, wo, um das auch wieder bildlich zu sagen, die Iraner sich politisch ins Fäustchen lachen. Darum ist es gut, wenn wir diese Debatte jetzt schnell wieder vergessen und uns auf die Hauptsache konzentrieren.

Jürgen Liminski: Dazu kommen wir gleich. Kouchner hat gestern seine Aussagen erklärt. Es gehe nicht um Krieg, sondern um Frieden. Seine Botschaft sei eine Botschaft der Ernsthaftigkeit und der Entschlossenheit. Man müsse sich aber auf das schlimmste einstellen und um das zu verhindern wolle Paris verhandeln, verhandeln, verhandeln, so Kouchner. Glauben Sie ihm?

Jean Asselborn: Ja klar! Es gibt ja überhaupt keine Alternative dazu. Wir müssen ja wissen, dass Villepin, Jack Straw und Joschka Fischer, also ein ganz, ganz bekannter Franzose, dabei war, als 2003 diese ganze Diskussion, dieser Dialog mit dem Iran begonnen hat. Ich glaube, dass Frankreich noch immer auf der Schiene ist, um internationale Solidarität zu zeigen und mitzuhelfen in der internationalen Gemeinschaft, im Weltsicherheitsrat, aber auch in der EU, dass wir den Druck auf den Iran in Zukunft selbstverständlich erhöhen, dass die UNO-Resolutionen respektiert werden und dass wir auch helfen - ich war vorgestern in Wien -, die Position von El Baradei, den Arbeitsplan von El Baradei, also von der Internationalen Energieagentur in Wien, zu unterstützen.

Jürgen Liminski: Die Äußerungen von Kouchner und schon vorher von seinem Präsidenten Sarkozy bedeuten ja eigentlich eine Abkehr, man könnte sogar sagen eine Wende um 180 Grad von der Politik des Vorgängers Chirac. Hat das mehr mit Frankreich oder mehr mit der Haltung Irans zu tun?

Jean Asselborn: Ich glaube, dass Frankreich wirklich bis jetzt einen exemplarischen Beitrag geleistet hat um die Position in der EU. Ich wiederhole noch einmal: Die Position der EU wurde ja auch von der internationalen Gemeinschaft im Jahre 2006 aufgegriffen, um dem Iran einen Vorschlag zu machen, um eine Zusammenarbeit, eine Kooperation politisch, wirtschaftlich, Menschenrechte selbstverständlich, aber auch nukleare Zivilenergie anzubieten. Frankreich hat dort immer eine dominante Rolle gespielt. Iran - ich wiederhole mich - hat die Bringschuld. Wir können in der internationalen Gemeinschaft selbstverständlich nicht tolerieren, dass Resolutionen, zwei wichtige Resolutionen gestimmt worden sind und dass die nicht respektiert werden vom Iran. Iran hat zu stoppen, was wir Anreicherung von Uran nennen. Warum sind diese Resolutionen genommen worden? Weil Iran als Mitglied des TNP [Traité de non-prolifération nucléaire, Atomwaffensperrvertrag] während mehr als einem Jahrzehnt im Geheimen Nuklearforschung betrieben hat, ohne die Wiener Agentur zu informieren, also im Geheimen das gemacht hat. Darum ist ein großes Misstrauen gegenüber dem Iran. Iran hat das Recht, selbstverständlich zivile Nuklearenergie zu nutzen, aber es muss wieder zurück auf die Schiene kommen, dass die Zusammenarbeit mit der Agentur als Mitglied vom TNP wieder gewährleistet ist.

Jürgen Liminski: Iran hat eine Bringschuld, sagen Sie, aber wenn Iran nun nichts bringt, denn es ist ja doch ein Faktum, dass Teheran die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats plus Deutschland wenn nicht an der Nase herumführt, so doch hinhält und auf Zeit spielt. Irgendwann haben die Iraner dann die Bombe. Unannehmbar sagen Berlin, Paris, London Washington, Peking und Moskau. Was ist denn die Alternative zu einem Militärschlag?

Jean Asselborn: Ich glaube, dass diese Frage schon berechtigt ist, die Sie stellen, aber es gibt ja die Alternative. Die einzige Alternative die wir haben als internationale Gemeinschaft ist die ganze Palette der Diplomatie ausschöpfen. Ich bin mit Kouchner selbstverständlich einverstanden, wenn er sagt, Sanktionen sind da. Zum Beispiel sind wir ja im Kapitel 7 von Artikel 41 der Charta der Vereinten Nationen. Wir sind nicht in dem Kapitel 39, wo über militärische Sanktionen geredet werden kann. Wir sind in einem Kapitel, wo wir nur über wirtschaftliche Sanktionen, Reisesanktionen und so weiter diskutieren. Das ist die Alternative, die wir haben. Ist zum Beispiel ein Militärschlag überhaupt eine Alternative? Ich glaube nein. Die Menschheit hat ja in den letzten drei, vier Jahren gesehen, dass man mit Militäroperationen selbstverständlich - Beispiel Irak - überhaupt nicht vorwärts kommt. Darum sollte man diese Option wirklich überhaupt nicht in Erwägung ziehen, denn die wird nicht greifen und die wird noch viel, viel mehr Unheil anrichten. Darum müssen wir, was die Sanktionen angeht, die internationale Gemeinschaft zusammen behalten. Wir müssen Russland und China an Bord behalten.

Jürgen Liminski: Aber Amerika denkt offenbar auch an diese Aktionen. Die "Sunday Times" hat neulich von den Plänen berichtet. Sie schreibt von einem Drei-Tage-Blitzplan und meint damit eine dreitägige Bombardierung der Nuklearanlagen im Iran. Ist das überhaupt ein Gesprächsthema, wenn die EU-Außenminister zusammen kommen?

Jean Asselborn: Nein! Das kann kein Gesprächsthema sein. Wir haben ja auch gesehen im Irak, wie schnell ein Krieg gewonnen wird. Aber den Frieden zu gewinnen ist eine andere Sache. Also man muss sich bewusst sein, auch jetzt wo die Wahlen in Amerika im November 2008 stattfinden, dass selbstverständlich solche Themen immer wieder auflodern, aber kein vernünftiger Politiker in Amerika wird das glaube ich und hoffe ich und bin ich auch überzeugt unterstützen.

Jürgen Liminski: Nächste Woche beginnt die Vollversammlung der Vereinten Nationen. Wird Iran zu einem Schwerpunkt der Debatten?

Jean Asselborn: Wenn man Iran sagt, denkt man selbstverständlich an Atomwaffen. Wenn man Iran sagt, denkt man aber auch an Ahmadinedschad. Dieser Mensch wird wieder in der UNO auftreten. Er wird wieder eine Rede halten, höchstwahrscheinlich um zu sagen, dass Israel keinen Platz auf dieser Welt hat. All das trägt selbstverständlich nicht dazu bei, dass wir mit dem Iran als Europäische Union auch in Gewässer kommen können, wo wir uns diplomatisch einwandfrei unterhalten können. Ich glaube, dass das Thema Iran jedes Mal in der UNO einen großen Platz einnimmt. Wir müssen als Europäische Union wirklich zeigen, dass wir mit dem Iran hart sind in der Sache, aber dass wir die Tür auf lassen für die Kräfte, die ja auch Ihr Kollege aufgezeichnet hat. Die Hoffnung, die ja auch im Iran besteht, dass die Leute mit den bärtigen Geistern eines Tages verschwinden und dass Iran, ein junges Volk, ein großes Volk, ein großes Land, wieder in die internationale Gemeinschaft zurückkommt.

Jürgen Liminski: Die Krise um das Atomprogramm des Iran. Das war der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. Besten Dank für das Gespräch, Herr Asselborn.

Jean Asselborn: Danke vielmals!

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