"Alle Bürger sollten am Wohlstand teilhaben". Jeannot Krecké au sujet de la situation économique au Luxembourg

Tageblatt: Wie beurteilen Sie die von der schwarzroten Regierung bisher geleistete Arbeit und was haben Sie sich persönlich für die verbleibende Periode noch alles vorgenommen?

Jeannot Krecké: Ich finde, dass ich in dieser Koalition sehr gut arbeiten konnte. Ich fühlte mich keineswegs eingeengt, das, oder sagen wir lieber vieles von dem zu tun, was ich mir vorgenommen hatte. Das anfängliche Kompetenzgerangel, auch auf dem administrativen Plan, hat sich mit der Zeit geklärt. Als Skipper kleinerer Boote habe ich aber auch bemerkt, dass ein solches Ministerium eher mit einem großen Ozeandampfer zu vergleichen ist, der nicht unbedingt auf den ersten Steuereinschlag reagiert und die Richtung ändert.

Tageblatt: Können Sie mit Beispielen dienen?

Jeannot Krecké: Nun, ich finde, dass wir im Dossier der Logistik, wenn auch kleine, so doch wichtige Schritte in die richtige Richtung gegangen sind. Allgemein zeigt unser Wettbewerbsniveau, das früher vor allem vom Finanzplatz in die Welt getragen wurde, heute in vielen anderen Wirtschaftsbereichen eine steigende Tendenz. Doch wie gesagt, das geht nur mit kleinen und vorsichtigen Schritten.

Tageblatt: Welche Akzente möchten Sie in Zukunft setzen?

Jeannot Krecké: Ich möchte vor allem die Gefahr der sektoriellen Erdbeben auf ein verträgliches Maß zurückführen. Stichwort Finanzplatz ...

Tageblatt: ... und Stichwort Immobilienkrise aus den USA, die, trotz allen Kontrollmechanismen, im Grunde eine internationale Bankenkrise ist, zeigt die Abhängigkeit der Realwirtschaft vom doch etwas abstrakten Finanzsektor. Bestärkt Sie das in ihrem Unterfangen, die Wirtschaftsund Handelslandschaft noch weiter zu diversifizieren?

Jeannot Krecké: Sicher, doch das Notorietätswachstum eines Landes auf einem spezialisierten Markt ist im weltweiten Kontext auch eine langwierige Geschichte. Mit Ausnahme des Finanzplatzes haben wir keine nennenswerten Fenster zu den internationalen Märkten, und sogar dieses wird öfters von außen eingeschlagen ...

Tageblatt: ... wenn Luxemburg wieder einmal in den Medien unserer Mitbewerber als dubioser Geldumschlagplatz herhalten muss. Doch zurück zur Subprime-Krise: Welche Auswirkungen sehen Sie für den Finanzplatz Luxemburg?

Jeannot Krecké: Die sind zum jetzigen Zeitpunkt noch schwer einschätzbar. Erst in zwei Monaten, wenn die Bilanzen vorgelegt werden, dürfte man einen ersten Überblick bekommen. Die Steuerausfälle dürften sich aber erfahrungsgemäß erst auf die Budgets ab 2009 auswirken.

Tageblatt: Der eigentliche Skandal, neben der mehr als zweifelhaften Rolle der Ratingagenturen, liegt ja aber in der Tatsache, dass viele Finanzdienstleister diese Investitionen an ihren Bilanzen vorbei tätigten. Das führte dazu, dass die Luxemburger Bankenaufsicht im Nachhinein bei ihren Mitgliedern eine Umfrage starten muss, um zu erfahren, wie weit sie in die Krise verstrickt sind. Hapert es hier am Informationsfluss zwischen der CSSF, die sich laut Zentralbankchef Yves Mersch eher auf Statistiken stützt, und seinem Institut, das auch die Liquiditätsbedürfnisse der einzelnen Institute kennt?

Jeannot Krecké: Diese Frage braucht der Wirtschaftsminister glücklicherweise nicht zu beantworten. Doch in der Runde der Eurogruppe in Porto, bei der viele Experten dabei waren, wurde jedenfalls festgehalten, in Zukunft mehr Transparenz in diesem Markt zu schaffen. In der Diskussion mit den Insidern der internationalen Finanzszene wurde aber auch klar, dass es sich hier um eine sehr komplizierte Materie handelt, die gespickt ist mit Automatismen, die eine nur sehr schwer zu kontrollierende Eigendynamik entwickeln können. Doch haben Sie vollkommen recht, dass es nicht zur Norm werden darf, solche Investitionen an der Bilanz vorbei zu tätigen.

Tageblatt: Kommen wir nun zur Wettbewerbspolitik, die mit der sozialen Kohäsion und den fiskalen Bedingungen ja auch ein wichtiger Standortvorteil ist. Hier scheinen die Wettbewerbshüter der EU-Kommission immer eine Nase vorn zu sein. Hat Luxemburg nicht die notwendige kritische Masse, um von Reaktion auf Aktion zu schalten?

Jeannot Krecké: Das war natürlich Neuland für uns. Wir müssen in diesem Dossier noch Erfahrungen sammeln. Außerdem hatten wir eine Gesetzgebung, die es mit sich brachte, dass die zweigleisigen Strukturen von Anklage und Tribunal, die wir aufbauten, nicht effizient genug waren. Ich werde mit der Regierung in den kommenden Tagen einen Gesetzvorschlag ausdiskutieren, mit dem wir die Kräfte zur Wettbewerbskontrolle in einer Autorität bündeln könnten, wie das auch im Ausland funktioniert. Dazu müssen wir aber noch den Staatsrat überzeugen ...

Tageblatt: ... der natürlich auf die Gewaltentrennung pochen dürfte!?

Jeannot Krecké: Sicher, doch kann man auch in einer einzigen Autorität die Aufgaben klar verteilen. Auch die Wettbewerbskontrolle der Union funktioniert auf diese Weise.

Tageblatt: Und sogar sehr gut, wie man bei Microsoft, aber auch bei einheimischen Airlines und Liftvertreiber feststellen konnte. Ist es aber nicht so, dass Luxemburg in dieser Angelegenheit nur schlecht ohne die europäischen Autoritäten auskommt?

Jeannot Krecké: Wie in anderen Angelegenheiten auch, stoßen wir natürlich sehr schnell an unsere Grenzen. Deshalb arbeiten die einheimischen Wettbewerbshüter ja auch in internationalen Netzwerken.

Tageblatt: Wie viele Leute werden denn später diese Aufgabe übernehmen?

Jeannot Krecké: Der Ratspräsident, ein Inspektor und ein Wirtschaftsexperte. Sie müssen wissen, dass auch der Staat an einer Wettbewerbsbehörde interessiert ist, kann er doch wertvolle Ratschläge von dieser Institution z.B. im Kommunikations- oder Energiesektor beziehen, in denen er selbst als Wirtschaftsakteur tätig ist.

Tageblatt: Wie zum Beispiel am Strommarkt. Haben Sie nicht auch den Eindruck, dass zurzeit unter dem Deckmäntelchen der freien Wahl des Konsumenten die früheren Staatsmonopole privatisiert werden?

Jeannot Krecké: Nein. Wir sind nur dabei, unsere Beteiligungen neu zu ordnen und wollen ein solider Marktteilnehmer sein. Keiner der Luxemburger Akteure ist fest genug aufgestellt, um auf diesem Markt zu überleben. Wir wollen den Markt festigen und ihm klare Strukturen geben, damit wir morgen auch noch ein Wort mitreden können.

Tageblatt: Sie bedauern stets, dass Luxemburg nicht am Meer liegt. Die ersten Containerzüge nach Perpignan sind abgefahren. Wie steht es jedoch mit dem Gegenverkehr, um endlich den Bettemburger Logistikpark zu beleben?

Jeannot Krecké: Wir stellen fest, dass die Häfen von Antwerpen und Rotterdam immer noch die performantesten in Europa sind ...

Tageblatt: ... obwohl die aus Asien durch den Suez-Kanal kommenden Schiffe den Bogen durch die Enge von Gibraltar und den Atlantik schlagen müssen?

Jeannot Krecké: Ja. Deshalb denken wir daran, ein sogenanntes 'cluster maritime' und ein 'cluster logistique' komplementär aufzubauen.

Tageblatt: Was denn auch eine komplett neue Ausrichtung unseres "pavillon maritime" bedeuten würde?

Jeannot Krecké: Richtig. Wir sind weniger darauf fixiert, viele neue Schiffe zu immatrikulieren, sondern suchen vielmehr, Gesellschaften nach Luxemburg zu locken, die in der Schifffahrt tätig sind und auch über die entsprechenden Verbindungen in den einzelnen Häfen verfügen. Dies, um zu erreichen, mehr Handlingsaktivitäten aus den großen Häfen nach Luxemburg zu drainieren. Was nun konkret die Situation des einstigen WSA-Geländes in Bettemburg angeht, so stehen wir kurz vor der Unterzeichnung eines Vertrags mit einem großen französischen Logistiker, mit dem wir eine gemeinsame Firma gründen werden, um die Hälfte des Areals mit Infra- und Suprastrukturen zu erschließen.

Tageblatt: Die Regierung steckt zurzeit mitten in den Budgetverhandlungen. Glauben Sie, dass die Steuerzahler mit einer Anpassung der Tarife an Wachstumsentwicklung rechnen können oder werden wir wegen der Subprime-Krise wieder auf den Sanktnimmerleinstag vertröstet?

Jeannot Krecké: Wir sind dabei, den Puls des Wirtschaftswachstums zu fühlen.

Tageblatt: Sind inflationsbereinigte drei Prozent weit daneben gegriffen?

Jeannot Krecké: Das könnte in etwa hinhauen. Doch danach müssen wir uns Gedanken darüber machen, was dieses Land braucht. Dieses Land hat einen riesigen Bedarf an Infrastrukturen wie z.B. Schulgebäuden auf allen Niveaus, nicht zuletzt auch beim Aufbau der neuen Universität, aber auch im industriellen Bereich.

Tageblatt: Doch wie wäre es mit Steuersenkungen?

Jeannot Krecké: Sogar wenn wir das Potenzial vorfinden, eine große Verteilung zu machen, was durchaus der Fall sein könnte, dann müssen wir uns die Frage stellen, an welche Zielgruppen wir das tun. Ich glaube, es ist wenig sinnvoll, in einem Land wie Luxemburg den Konsum anzuheizen, damit noch größere Autos und Häuser gekauft werden. Zumal da 40 Prozent der Bevölkerung, die eh keine Steuern zahlt, nicht daran teilhaben kann. Solche Mechanismen funktionieren in großen Ländern, aber leider nicht in Luxemburg.

Tageblatt: Sie meinen also, dass Luxemburg einen Wohlstand genießt, von dem fast die Hälfte seiner Bürger ausgeschlossen ist?

Jeannot Krecké: Ich meine, dass immer noch viel zu viele Leute zwischen Sozialhilfe, Arbeitslosenunterstützung und Steuererleichterungen durch das soziale Netz fallen.

Tageblatt: Was kann man dagegen tun?

Jeannot Krecké: Das ist eine noch komplexere Materie als die internationalen Finanzmärkte mit all ihren Derivaten. Hier stehen Instrumente vom Bürgergeld bis zur Negativsteuer in der Diskussion. Doch das ist Sozialpolitik. Dazu müsste man ein gesondertes Gespräch führen.

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