Jean Asselborn: "Eine knochenharte Arbeit". Le ministre des Affaires étrangères au sujet de l'actualité politique internationale

d'Wort: Belgien durchlebt eine schwere politische Krise. Wie bewertet Luxemburgs Außenminister die Lage?

Jean Asselborn: Ich gehöre nicht zu jenen, die angesichts der jüngsten Entwicklungen davon ausgehen, dass Belgien auseinanderbrechen wird. Die Abstimmung über Bruxelles-Hal-Vilvorde muss jedoch nachdenklich stimmen, weil das Gewicht auf die numerische Mehrheit gelegt und die Auseinandersetzung auf der Grundlage von Argumenten ausgeklammert wurde. Ich gehe aber nach wie vor davon aus, dass beide Seiten, Flamen wie Wallonen, zur Einsicht gelangen müssen, dass der eingeschlagene Weg in die Sackgasse mündet. Eine Trennung dient niemandem und wird von Luxemburg auch nicht als Option gehandelt.

d'Wort: In Frankreich haben Präsidentschafts- und Parlamentswahlen für klare Verhältnisse gesorgt. Außen- wie europapolitisch fällt der neue Präsident, ebenso wie sein Außenminister, durch ein sehr Ich-bezogenes, medienwirksames Auftreten auf. Was halten Sie vom neuen Politikstil aus Paris?

Jean Asselborn: Wenn ich diese Frage auf die Europäische Union beziehe, muss ich sagen, dass die EU das Mannschaftsspiel braucht. Gewiss, Europa benötigt Führungspersönlichkeiten. Soloauftritte bringen uns aber nicht weiter. Da gefällt mir der unaufgeregte Stil Deutschlands weitaus besser. In Berlin sorgt man nicht für Spektakel, sondern sorgt sich um die Substanz. Wesentlich bleibt aber, dass wir, unabhängig vom Charakter des Einzelnen, inhaltlich eine einheitliche europäische Linie vertreten.

d'Wort: Die EU hat sich dieser Tage einen neuen Vertrag gegeben. Die Ratifizierungen stehen noch aus, dennoch dreht sich schon das Personalkarussell. Wäre Jean-Claude Juncker eine geeignete Besetzung für den neuen Präsidentenposten?

Jean Asselborn: Erst einmal will ich vorausschicken, dass die Mitgliedstaaten die Ratifizierung in trockene Tücher bringen müssen, ehe die Lissabonner Verträge in Kraft treten können. Was dann die Person des Premierministers anbelangt, so ist Jean-Claude Juncker in meinen Augen ein Kandidat, der dieses Amt ausfüllen kann. Und ich bin mir auch sicher, dass seine Bewerbung eine Chance hat. Ob es letztlich zu dieser Kandidatur kommt? Diese Frage muss Jean-Claude Juncker 2008 selbst beantworten.

d'Wort: Zum Weltgeschehen. Wie kann man die vielen Konflikte im Mittleren Osten lösen?

Jean Asselborn: Wir müssen Stück für Stück vorankommen. Zentral ist der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Ohne palästinensischen Staat wird es keine Sicherheit für Israel und keine Stabilität in der Region geben. Erst mit der Lösung des Nahost-Konflikts kann sich für die Probleme im Iran, im Irak, im Libanon und in Syrien der Blickwinkel verändern.

d'Wort: Sind Sie vor der Nahost-Konferenz optimistisch?

Jean Asselborn: Alle Beteiligten haben im Vorfeld bekundet, in Annapolis einen Schritt vorankommen zu wollen. Es soll damit begonnen werden, das Loch zu graben, um mittelfristig aus dem Tunnel herauskommen zu können.

d'Wort: Will der Westen zusehen, wie Iran zur Atommacht aufsteigt?

Jean Asselborn: Die Atom-Ambitionen Irans sind eines der größten außenpolitischen Probleme seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Ideal wäre es, wenn der gesamte Mittlere Osten frei von Atomarsenalen wäre. Teheran setzt weiter alles daran, die Urananreicherung voranzutreiben. Die Internationale Gemeinschaft muss weiter alles unternehmen, um zu verhindern, dass Teheran in den Besitz von Atomwaffen kommt.

d'Wort: Das bedeutet verschärfte Sanktionen?

Jean Asselborn: Im Rahmen des internationalen Rechts muss die Staatengemeinschaft Sanktionen verhängen dürfen. Es könnte zu einem Moment kommen, wo die EU ihre Sanktionen verschärfen muss, Luxemburg wäre nicht dagegen. Doch die Staatengemeinschaft darf sich in der Frage der Sanktionen nicht spalten lassen: Russland und China müssen an Bord bleiben.

d'Wort: Wie groß ist die Gefahr eines Militärschlags?

Jean Asselborn: Militärisch kann im Iran keine Lösung herbeigeführt werden. Die Konsequenzen wären politisch und humanitär dramatisch. Es käme zu unkalkulierbaren Gegenreaktionen. Eine Diplomatie, die mit Militärschlägen droht, hat schon versagt. Das Beispiel Nordkorea zeigt, dass Verhandlungen erfolgreich sein können.

d'Wort: Wie soll die Atommacht Pakistan zu mehr Stabilität finden?

Jean Asselborn: Die Internationale Gemeinschaft muss weiter Druck machen, dass in Pakistan demokratische Wahlen stattfinden.

d'Wort: In den USA wird kommendes Jahr ein neuer Präsident gewählt. Was erwarten Sie?

Jean Asselborn: Ich bin überzeugt, dass sich in der US-Klimapolitik einiges ändern wird. Zur weiteren Irak-Strategie müssen sich die Kandidaten im Wahlkampf positionieren. Niemand will, dass der Irak ein zweites Vietnam wird. Die EU sollte beim Aufbau von Rechtsstaatlichkeit helfen. Doch die Frage des Zusammenlebens der Gemeinschaften müssen die Iraker selbst lösen.

d'Wort: Warum ist die Außenpolitik für Luxemburg so wichtig?

Jean Asselborn: Würden wir in europäischen Gremien nicht vertreten sein, wäre Luxemburg nicht bekannt. Die politische Präsenz erlaubt es uns, wirtschaftliche und kulturelle Türen zu öffnen. Außenpolitik ist eine knochenharte Arbeit, man muss jeden Tag die Ärmel hochkrempeln. Als Kommunalpolitiker lernt man, dass man sich dafür einsetzen muss, dass Schulen und Krankenhäuser, funktionieren. In der Außenpolitik ist es nicht anders: Unsere Botschaften und das Außenministerium tragen die große Verantwortung, die Türen für die Interessen Luxemburgs zu öffnen.

d'Wort: Auch durch den Staatsbesuch in Brasilien und Chile?

Jean Asselborn: Europa darf Lateinamerika nicht vernachlässigen. Dort wurden in den letzten Jahren Demokratien aufgebaut. Luxemburg hat in Brasilien dank der jahrzehntealten Präsenz in der Stahlindustrie gute Karten. Und mit Chile sind wir durch die Gemeinschaft von Chilenen verbunden, die unter Pinochet im Großherzogtum eine neue Heimat gefunden haben.

d'Wort: Wie wichtig ist eine kohärente Einwanderungspolitik?

Jean Asselborn: Luxemburg braucht Zufluss von Außen, um existieren zu können. Das gilt für das Bankenwesen und den Weinbau genauso wie für die Sozial- und Gesundheitssysteme.

d'Wort: Sie sind Außenminister des Landes. Sie sind aber auch Vize-Regierungschef der CSV/LSAP-Koalition. Wie fällt Ihre Bewertung der schwarz-roten Arbeit aus?

Jean Asselborn: Wir fühlen uns wohl in der Regierung. Ich denke, dass sich dieser Zustand auch in der geleisteten Arbeit widerspiegelt. Beispiel Tripartite-Abkommen, Beispiel Einheitsstatut. Ich bin mir aber bewusst, dass wir uns bis 2009 nicht auf Geleistetem ausruhen dürfen und erwarte mir Akzente in der Gesellschaftspolitik. Insbesondere bei der doppelten Staatsbürgerschaft. Da muss ein positives Zeichen kommen.

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