Jean Asselborn invité de l'émission Brüssel 0800 sur la chaîne de télévision allemande WDR

Rolf-Dieter Krause: Willkommen, meine Damen und Herren, in Brüssel. Wer die Krisenherde dieser Welt aufzählen wollte, der bräuchte einen langen Atem: Kosovo, der Nahe Osten, Irak, Iran, Afghanistan, Afrika.

Über all das wollen wir heute reden mit einem leibhaftigen Aussenminister, den wir nicht alle Tage bei uns haben, und ich lade Sie herzlich dazu ein, das mit uns zu tun, unter der Rufnummer 0800 5678 100.

Bei uns zu Gast im Studio ist Jean Asselborn. Er ist Luxemburger, Deutsch ist für Ihn eine Fremdsprache, muss man dazu sagen. Die meisten Luxemburger sprechen aber auch Deutsch, Muttersprache ist Lëtzebuergesch. Erst mal vorab, Luxemburg ist ein kleines Land, das wird Ihnen nicht wehtun wenn ich das sage. Wie viel Aussenpolitik kann ein kleines Land betreiben?

Jean Asselborn: Ja, Herr Krause, ich würde es so beantworten, dass ohne die Europäische Union der luxemburgische Aussenminister - egal wie er hiesse - selbstverständlich nicht hier sässe. Das heisst, der luxemburgische Aussenminister würde vielleicht eingeladen werden in die Sendung "Ich wünsche mir was", aber nicht in eine politische Sendung. Und damit will ich sagen, dass die europäische Aussenpolitik auch luxemburgische Aussenpolitik ist, und die luxemburgische Aussenpolitik ein wenig dazu beiträgt auch europäische Integration, integrative Aussenpolitik zu machen. Unsere Aussenpolitik ist europäische Aussenpolitik.

Rolf-Dieter Krause: Wenn Sie sich Sorgen machen heute, über welche dieser Baustellen, die ich genannt habe, machen Sie sich die meisten Sorgen?

Jean Asselborn: Also die direkte ist selbstverständlich jetzt Kosovo. Wir haben dem Balkan 2003 eine Perspektive gegeben. Diese Perspektive ist Europäische Union. Wir wissen, dass das, was 1999 und auch vorher im Kosovo los war, dass Krieg da war, dass ethnische Säuberung war, und wir müssen jetzt den Kosovo stabilisieren. Wir wissen, dass wir das aber nur tun können in einer generellen Stabilisation des ganzen Balkan. Darum ist Kosovo nicht zu trennen von Serbien, ist auch nicht zu trennen von Bosnien-Herzegowina, von Albanien, von Mazedonien und so weiter.

Wenn es für uns sehr, sehr schwierig war den Euro einzuführen, glaube ich aber, dass die Stabilisierung, die politische Integration der Weg des Balkan nach Europa auch eine sehr, sehr grosse und wichtige Aufgabe ist, denn Europa ist ein Friedensprojekt. Würde noch einmal Unfrieden in Europa ausbrechen, wäre das europäische Projekt Frieden gescheitert.

Rolf-Dieter Krause: Sie werden in den kommenden Tagen mit den anderen Aussenministerkollegen gleich zweimal über den Kosovo beraten, morgen hier im Kreis der NATO-Aussenminister, am Montag im Kreis der EU-Aussenminister. Was ist das wichtigste Ziel dabei?

Jean Asselborn: Und heute Abend im transatlantischen Dialog, also mit den Amerikanern, den Kanadiern und so weiter.

Das wichtigste Ziel ist, um konkret zu sein, alles zu tun damit im Kosovo keine einseitige Unabhängigkeitserklärung kommt. Ohne das Mitspiel der internationalen Gemeinschaft einerseits, andererseits den Serben immer wieder trotzdem noch zu sagen - obschon die Troika gescheitert ist - dass die Zukunft Serbiens nicht im Kosovo liegt, sondern wo anders, und das ist nur Europa.

Darum wird nach dem 10. Dezember mit grosser Wahrscheinlichkeit der Sicherheitsrat wieder befasst werden. Wir wissen, dass die russische Seite bestimmt ihre Position nicht ändern wird, glaube ich, dass wir dann als [unterbrochen]

Rolf-Dieter Krause: Das heisst Russland wird dagegen sein, dass Kosovo unabhängig wird?

Jean Asselborn: Russland wird das Veto einlegen, so wie es aussieht, so dass wir also dann in der internationalen Gemeinschaft unsere Verantwortung übernehmen wollen, müssen. Es gibt ja einen kleinen, sagen wir Willen auch, oder einen grossen Willen in der Europäischen Union, auch bei den Amerikanern - und ich bin überzeugt, dass wir abwarten wenn serbische Präsidentschaftswahlen sind am 20. Januar, dass wir diese Wahlen abwarten, bevor es dann zu einer Entscheidung kommt.

Rolf-Dieter Krause: Das heisst, Ihr Ziel ist vor allem, dass die EU, die Europäer und die NATO-Staaten beieinander bleiben, also da nicht sich gegeneinander ausspielen lassen, und dass das Ganze ein bisschen kontrolliert abläuft.

Jean Asselborn: Ja. Also wichtig ist nicht die NATO, glaube ich, in dieser Sache, die NATO ist nur zweitrangig. Sehr, sehr wichtig ist die Europäische Union. Hier wird sich zeigen was wir den Menschen draussen, wenn wir reden über einen Vertrag, über gemeinsame Aussenpolitik in der Europäischen Union, was wir wirklich darunter verstehen, ob das Sonntagsreden sind, theoretische Reden sind, oder ob das konkret ist. Das ist schwierig.

Es gibt ja viele Länder die geographisch gesehen - aber auch ein Land wie Zypern zum Beispiel, auf seinem eigenen Territorium - selbstverständlich es sich sehr, sehr schwer tun wird ohne einen Entscheid im Weltsicherheitsrat mitmachen zu können. Aber da müssen wir durch, wir müssen eine gemeinsame Position haben, die wir ja unter deutscher Präsidentschaft ausgearbeitet haben, auch nach dem 10. Dezember, und auch nach dem 20. Januar.

Rolf-Dieter Krause: Krieg ist für das breite Publikum immer viel spektakulärer als die Kriegsvermeidung. Kriegsvermeidung, das merkt eigentlich gar keiner so richtig. Mir fällt auf, dass in Sachen Kosovo die agierenden Politiker, ihre Kollegen, eigentlich die Sprache sehr mildern. Wie gross ist eigentlich die Gefahr, dass dort noch einmal ein bewaffneter Konflikt ausbricht?

Jean Asselborn: Ich hoffe nicht nur, ich bin auch überzeugt, ganz klein [ist sie]. Aber die Gefahr besteht selbstverständlich. Aber klein, denn auch in Serbien weiss man ganz genau, die junge Generation weiss, dass die Zukunft wirklich hier in Brüssel liegt, wenn ich das vereinfacht ausdrücken darf.

Und vieles hängt davon ab ob wir den ganzen Balkan an Europa heranbringen können, welches Bild der Balkan auch abgibt jetzt in dieser Konfliktlage, in dieser Lösung, in diesem Entscheidungsmechanismus für den Kosovo. Und jeder wird sich, glaube ich, auch in Serbien, sehr, sehr gut überlegen was die Konsequenz sein wird. In Serbien glaube ich - Präsident Tadic ist ein überzeugter Europäer, er hat gesagt, egal was mit Kosovo geschieht, wir wollen unseren Weg nach Brüssel nicht stoppen.

Dann gibt es nationalistische Tendenzen, das ist auch ein Drittel der Bevölkerung. Ein Drittel, sagen wir, ist aufgeschlossen, ein Drittel nationalistisch eingestellt, und ein Drittel ist unentschieden. Diesem Drittel müssen wir helfen, dass die Serben wirklich die richtige Wahl treffen, und wir müssen den Kosovaren sagen, dass eine einseitige Unabhängigkeitserklärung Gift wäre für den ganzen Prozess.

Rolf-Dieter Krause: Meine Damen und Herren, Sie sind eingeladen sich mit dem luxemburgischen Aussenminister Jean Asselborn zu unterhalten, die Telefonnummer ist wie immer 0800 5678100.

Wir machen mal einen weiten Sprung zum Iran, da hat es in den letzten Tagen eine höchst überraschende Entwicklung gegeben. Seit Monaten hat sich, nicht nur die europäische, sondern die ganze westliche Aussenpolitik, dazu die russische, unter anderem Sorgen gemacht um den Iran und sein Atomwaffenprogramm. Jetzt auf einmal sagen die amerikanischen Geheimdienste, ja, die haben gar keine Atomwaffen. Was machen wir denn damit?

Jean Asselborn: Also ich hoffe, dass die amerikanischen Geheimdienste Recht haben, aber dass sie auch schon einmal Unrecht hatten [unterbrochen]

Rolf-Dieter Krause: Was sagt der luxemburgische Geheimdienst dazu?

Jean Asselborn: Der luxemburgische ist da etwas bescheidener glaube ich. Also, was ich glaube, das ist, dass die generelle Rangehensweise zum Iran richtig war, was die Europäische Union anbelangt, und dass es falsch ist von einem dritten Weltkrieg zu reden. Und auch diese manchmal aufflackernden Positionen, dass der Krieg praktisch nicht zu vermeiden ist, kam ja auch ein wenig aus Europa, das ist falsch.

Wir müssen ganz klar auf der Linie weitermachen, wo Joschka Fischer, Jack Straw, und Villepin angefangen und ausgebaut haben mit Solana in der Europäischen Union.

Und diese doppelte Strategie, wenn ich so sagen darf, "double track approach" heisst das auf Englisch, dass wir einerseits ein Angebot an den Iran gemacht haben, im Sommer 2006, was sehr, sehr grosszügig ist, für die politische Zusammenarbeit, die wirtschaftliche Zusammenarbeit, und auch die nukleare Zusammenarbeit.

Und auf der anderen Seite versucht die internationale Gemeinschaft, die Grossen, die 5 Veto-Länder plus Deutschland auf einer Linie zu behalten, dass wir eine Drittresolution fertig bringen, um die Sanktionen zu verschärfen, denn die Sanktionen, glaube ich, sind im Begriff zu wirken, auch nach innen. Das ist eine Rangehensweise die auch von Deutschland sehr klar mitgetragen wird vom Aussenminister Steinmeier, und ich glaube, das ist die einzige richtige. Wir sollten also jetzt diese internationale Solidarität, mit den Russen, mit den Chinesen, unbedingt beibehalten, und keine Extratouren machen.

Rolf-Dieter Krause: Wir haben unseren ersten Anrufer in der Leitung. Ich rufe Denis […] aus Bielefeld. Ich grüsse Sie, guten Tag.

Anrufer: Ja, schönen guten Tag an die Runde. Meine Frage bezieht sich darauf, wie weit die Kosovo-Entscheidung, also die Kosovo-Frage Auswirkung auf Bosnien-Herzegowina hätte? Ich bin selber aus Bosnien, und also welche Konsequenzen könnte das auf Bosnien-Herzegowina direkt haben?

Rolf-Dieter Krause: Okay, vielen Dank.

Jean Asselborn: Also, sehr grosse Konsequenzen auf einer Seite, andererseits was sehr wichtig ist, das was wir jetzt in den letzten Wochen gemacht haben, die letzte Woch - Oli Rehn hat dieses Assoziationsabkommen mit Bosnien paraphiert. Das ist der richtige Weg, weil auch in Bosnien Bewegung zum Beispiel in diese Polizeifrage hineingekommen ist, was wir ja wollten. Ich glaube nicht, dass Dodic in der Republika Srpska das Risiko eingehen wird [unterbrochen]

Rolf-Dieter Krause: Ich muss mal erklären, es gibt auch in Bosnien separatistische Tendenzen, die diese haben in Bosnien würden sich eigentlich ganz gerne aus diesem bosnischen Konglomerat herauslösen, und die haben die Neigung sich denn doch auf Kosovo zu berufen.

Jean Asselborn: Ja, aber ich glaube in Banja Luka - der Hauptort der Republika Srpska, wo die Serben aus Bosnien leben - ist eine florierende Stadt, und ich glaube nicht, dass die Gefahr bestehen wird, wenn im Kosovo eine Lösung gefunden wurde, Kosovo ist sui generis zu betrachten, da war Krieg. Hier in Bosnien müssen wir als Europäische Union jetzt, nachdem wir den Schritt gemacht haben mit dem Assoziationsvertrag, den weiteren Schritt machen. Und Bosnien ist auch ein Schlüsselland auf dem Balkan, das auch auf den Weg nach Brüssel geführt werden muss.

Rolf-Dieter Krause: Cornelia, die kann ich noch nicht anrufen, das machen wir gleich. Hans-Ulrich Damm in Wiesbaden, ich grüsse Sie.

Anrufer: Ja, für Sie nach Brüssel, meine Frage an den luxemburgischen Aussenminister ist die: Welche Möglichkeit besteht atomare Waffen, die auf Europa gerichtet sind, abzubauen? Ich höre immer, dass Europa sehr bedroht ist von diesen Waffen.

Rolf-Dieter Krause: Also welche Chance hat Abrüstung?

Jean Asselborn: Ja, also ich glaube, Sie sind mit mir einverstanden, dass im, sagen wir im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts vieles gemacht wurde um die Rüstungsspirale, auch atomarer Waffen, nach unten zu drehen. Und meine Meinung ist ganz klar, es wäre ein historischer Fehler, wenn wir diese Spirale wieder den anderen Weg, den falschen Weg, drehen würden. Die Weltgemeinschaft muss also alles tun, damit die Nuklearwaffen überall auf der Welt abgebaut werden, nicht aufgebaut werden.

Wir wissen zum Beispiel, dass viele Menschen in Europa, viele Aussenminister in Europa, einen nuklearfreien Nahen Osten wollen. Wir wollen nicht, dass Länder, die Schlüsselpositionen haben im Nahen Osten, zum Beispiel, sich frei die Nuklearwaffe anschaffen sollen können. Da müssen wir gegenhandeln und wir haben über Iran gesprochen. Es gibt aber auch zum Beispiel Pakistan, es gibt auch Israel, das muss man ganz klar sehen. Ich glaube wir sollten uns einsetzen für eine nuklearfreie Zone im Nahen Osten.

Rolf-Dieter Krause: Ein Thema - das werden Sie morgen mit den NATO-Kollegen erörtern - die Russen haben gerade den sogenannten KSE-Vertrag, das ist ein Vertrag über die Abrüstung konventioneller Streitkräfte, gerade suspendiert. Also die NATO muss überlegen, wie geht sie damit um? Haben Sie eine Idee?

Jean Asselborn: Also um den Zuschauern ein wenig den Zusammenhang zu erklären, man muss wissen, dass es die Istanbuler Commitments, die Verpflichtungen aus Istanbul sind, die eigentlich der russischen Seite gesagt haben: ihr müsst aus Georgien abziehen, die Soldaten, und auch aus Transnistrien, also aus Moldavien. Andererseits haben wir gesagt, die NATO-Länder, wir ratifizieren den KSE-Vertrag nicht, wenn diese Verpflichtung nicht erfüllt wird.

So ist es gekommen, keiner hat bougiert, keiner hat sich bewegt, auf beiden Seiten. Jetzt haben die Russen gesagt, es genügt uns jetzt, wir suspendieren ab dem 12. Dezember den Vertrag. Nun weiss aber jeder Deutsche was das ist, die Bedrohung, nicht nur der Nuklearwaffen, sondern auch der konventionellen Waffen. Sie Deutschen wissen ja am allerbesten was das bedeutet, wenn Tanks und nicht Nuklearwaffen, Panzer, zum Beispiel in einem Land sind. Darum darf man das nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Und ich bin überzeugt, dass wir auch in der NATO bis zum Gipfel der NATO, der in Rumänien stattfinden wird, ich glaube im März, April, dass wir hier uns wirklich etwas einfallen lassen müssen, damit wir mit den Russen im Gespräch bleiben, und einen Weg finden, der uns aus dieser erstarrten Situation herausführt. Denn es ist für den europäischen Frieden, für den Weltfrieden von grosser Bedeutung. Abgesehen von der Tatsache, dass wir jetzt wieder - wenn ich sage wir, die internationale Gemeinschaft - investieren in Waffen, auch wenn es konventionelle Waffen sind, und es gibt ja auf der Welt - wir haben einen Gipfel mit Afrika - andere Dinge zu tun, in andere Projekte zu investieren als wieder in konventionelle Waffen.

Rolf-Dieter Krause: Auf Afrika komme ich gleich. So und jetzt will ich die schon versprochene Cornelia […] wieder aufrufen, Hallo ich grüsse Sie Frau […]

Anrufer: Ja, ich grüsse Sie auch, guten Tag an die Runde. Ich habe in einem Fernsehbericht gesehen, dass eine der Hauptdrogenrouten von Afghanistan über Albanien und das Kosovo nach Europa führt. Jetzt habe ich die Frage, gibt es da Konflikte mit der KFOR, und was wird die EU tun, um hier einzugreifen, insbesondere wenn das Kosovo sich einseitig für unabhängig erklärt?

Jean Asselborn: Habe ich jetzt richtig verstanden, Drogen?

Rolf-Dieter Krause: Drogen, wir können es noch erweitern. Ich meine, das Kosovo gilt als eine Hochburg des organisierten Verbrechens.

Jean Asselborn: Wir hatten schon im Jahre 2006 in Moskau eine grosse internationale Konferenz, um eben die Eindämmung der Drogenproduktion in Afghanistan, dann wie die Madame richtig sagt, diesen Fluss, Drogentransport durch Russland, auch durch Kosovo, durch die Türkei, durch Kosovo nach Europa, um das einzudämmen.

Wichtig ist zu wissen, dass in Afghanistan ungefähr 80% des Opiums angebaut wird. Und dass die Bekämpfung des Anbaus des Opiums eine der grossen Aufgaben auch der NATO wäre [unterbrochen]

Rolf-Dieter Krause: Wäre, gelingt nicht so.

Jean Asselborn: Aber, ich glaube wenn man im Afghanistan war, weiss man auch, dass das eine Sache sein müsste der afghanischen Autoritäten, um wirklich den Abbau, oder den Nichtaufbau, von Drogen zu verhindern.

Jetzt haben wir, letzte Woche hatten wir eine OSZE-Sitzung, wo Russland, Amerika, mit sehr vielen Europäern, und auch den Republiken der früheren Sowjetunion am Tisch sassen. Wir haben auch auf dem Gebiet genau der Drogen, im Rahmen der OSZE, eine Initiative ergriffen, auch Geld zur Verfügung gestellt, damit man den Abbau dieser Plage, die unmenschliche Auswirkungen hat, um die zu unterbinden. Hier sind wir als Europa aber darüber hinaus, zum Beispiel als OSZE, auch gefordert einzugreifen.

Rolf-Dieter Krause: Wird das, zum Beispiel wenn man Kosovo nimmt, wäre das leichter für die EU eine kosovarische Regierung in die Pflicht zu nehmen, zu sagen, hey, Ihr müsst da mehr tun gegen die organisierte Kriminalität in eurem Land?

Jean Asselborn: Also, die Madame hat Recht Kosovo zu nennen, aber man könnte auch Albanien nennen, zum Beispiel. Auf dem Balkan und über die Türkei kommt sehr viel von diesem Produkt Droge nach Europa. Ich glaube, das ist nicht eine spezifische Frage jetzt des Kosovos, selbstverständlich auch. Und eine Stabilisierung des Kosovo - ja, wenn wir eine Direktstaatlichkeit im Kosovo ausbauen können, und auch diesen Autoritäten Befugnisse, mehr Befugnisse geben, ist das sicherlich ein Weg um diesen Drogenabbau besser zu bekämpfen als jetzt.

Rolf-Dieter Krause: Okay, weil die Frage so aktuell ist, will ich auch noch Frau […] in Düsseldorf anrufen. Sie wollen auch zum Thema Kosovo sich äussern. Hallo, ja, Frau […]?

Anrufer: Hallo, mein Name ist […] Ich rufe Sie an wegen dem Kosovo. Sie sagen, ein Drittel wird den Albanern gegeben. Wissen Sie auch die Geschichte wie die Albaner nach Kosovo gekommen sind? Das waren damals alles Flüchtende. Da haben wir, alle Leute, Solidarität geleistet, genau wie jetzt in der DDR. Es wird von dem Gehalt abgezogen, das haben wir auch - meine Eltern, ich nicht, ich lebe hier schon 40 Jahre - für den Kosovo getan. Und dann sollen wir denen noch einen Drittel von Serbien schenken. Sollen die Ausländer - Türken, Jugoslawen, Griechen, ist egal - die hier in Deutschland leben, und das sind Millionen, sollen auch die ein Drittel von dem Deutschland kriegen?

Jean Asselborn: Ich habe ziemlich schlecht verstanden was die Frage eigentlich ist.

Rolf-Dieter Krause: Die Frage war, was eigentlich die Anruferin meint, da sind Menschen eingewandert auf den Balkan, und verlangen jetzt ein Drittel von Serbien, nämlich Kosovo als Eigenstaat, und sagt: Warum eigentlich? Sollen denn die Ausländer die in Deutschland leben auch die Hälfte von Berlin - oder, es sind kein Drittel bei uns, aber [unterbrochen]

Jean Asselborn: Also, ich finde die Madame, die hat bestimmt eine schwierigere Vergangenheit, auch für die Familie war das bestimmt schwierig was sie hinter sich hat. Aber ich will Ihr nur sagen, dass leider die Geschichte, wenn Sie die schauen: aus Serbien heraus ist Krieg angezettelt worden, das kann man nicht leugnen. Das ist so, und da gibt es Verantwortungen zu übernehmen.

Ich weiss, dass zum Beispiel im Papier von Ahtisaari die Serben, die Minoritäten im Kosovo, die dort noch leben, das sind ungefähr 100.000-150.000 Menschen, dass die selbstverständlich in derselben Würde leben müssen können wie die Albaner, dass auch die Monasterien, die Kultstätten und so weiter, die den Serben gehören, dass die protegiert sind, und dass die auch unter internationalen Schutz gestellt werden.

Nun es gibt keine 100 Wege, es gibt keine 100 Wege. Ich hätte für mich selbst am liebsten, wenn die Kosovo-Frage hätte können gelöst werden im Weltsicherheitsrat. Das wäre das Sauberste gewesen. Vielleicht hätte man 1999 auch ein wenig mehr Mut haben sollen.

Ich bin auch überzeugt, dass die Serben, vor allem die junge Generation, und die Aufgeschlossenen, froh sind, wenn diese Frage einmal nicht mehr auf der Tagesordnung steht, wenn sie gelöst ist. Denn, wenn ich sage, die Zukunft der Serben liegt nicht im Kosovo, muss man sich ja die Realität anschauen, und wirklich anschauen, dass ein Kosovo unter serbischer, sagen wir, Autorität, keinen Millimeter vom Platz mehr kommt. Und darum steht es der internationalen Gemeinschaft zu, vor allem Europa zu, hier eine Antwort zu finden, die gangbar ist. Auch wenn sie weh tut.

Rolf-Dieter Krause: Ich habe versprochen, dass wir kurz, dass wir auch noch über Afrika reden wollen. Die EU steht vor einem Gipfeltreffen mit afrikanischen Staats- und Regierungschefs. Der französische Präsident hat gerade von einer neuen Mittelmeerpolitik gesprochen, die er da entwickeln will. Die deutsche Bundeskanzlerin ist nicht mehr so ganz so dafür. Was tut sich da Herr Minister?

Jean Asselborn: Also, es sind ja jetzt zwei Sachen. Wenn wir kurz über die Mittelmeerpolitik reden dürften und dann über Afrika.

Mittelmeerpolitik ist so, dass ich ganz auf der Seite der deutschen Linie bin. Es ist klar, dass wir ein Instrument haben seit 12 Jahren, das heisst Barcelona-Prozess, dass heisst Euromed [unterbrochen]

Rolf-Dieter Krause: Euromediterrane, ist die europäische Mittelmeerpolitik.

Jean Asselborn: … wo alle europäischen Staaten drin sind, und auch alle Anrainer des Mittelmeers, vom nördlichen Afrika bis hin zu Syrien und so weiter. Das ist ein Instrument was wir haben. Und im Rahmen dieses Instrumentes kann sich sehr viel bewegen, können sehr viele Initiativen erschlossen werden. Aber es wäre falsch dieses Instrument beiseite zu setzen, und eine neue Institution, einen neuen Organismus, einen neuen Mechanismus zu schaffen.

Ich glaube, da sind sehr viele, die sich ganz klar, sagen wir, auf der Schiene bewegen, wenn in Europa eine Politik besteht, wo Europa und Mittelmeerländer zusammen kooperieren, dann muss auch jeder in Europa mit am Tisch sitzen, wenn es um Entscheidungen geht, vor allem grosse Länder wie England, oder Deutschland.

Was Afrika angeht, nur ein Wort - ich kam ja gestern Abend aus Sharm-el-Sheikh - es ist klar, dass dieser Gipfel, der nach 7 Jahren der erste ist, der wieder stattfinden wird, ein sehr grosses Evenement ist, ein sehr grosses Event, Ereignis ist. Wir haben in Europa uns verwandelt seit 2000. Wir sind jetzt 27 anstatt 15, wir sind vor allem aber ein global Player geworden auf dem Globus. Und in Afrika hat sich auch vieles verändert. Die afrikanische Union hat sich hier durchgesetzt, und Afrika hat heute nicht nur einen Partner, hat viele Partner. Darum müssen wir in Europa vom Karitativen wegkommen, Donateur bénéficiaire sagt man das auf Französisch, also der Geber und der Empfänger [unterbrochen]

Rolf-Dieter Krause: Also es ist nicht die Frage der Almosen sozusagen.

Jean Asselborn: Es ist nicht mehr die Frage der Almosen. Wir müssen jetzt einen strategischen Dialog aufbauen, auf allen Ebenen - politischer Ebene, Kooperation selbstverständlich, aber auch Energie, Umwelt, und so weiter - und da soll ein Startschuss stattfinden in Lissabon mit einem Rahmen, der sehr gut aufgestellt ist, dass wir auch institutionelle Beziehungen haben zwischen der Kommission hier in Brüssel und der afrikanischen Kommission, zwischen den Troikas, aber auch zwischen den Zivilgesellschaften vor allem. Ich glaube das ist ein sehr, sehr wichtiger Punkt. Und wir müssen das machen im Rahmen der Menschenrechte, in Afrika wie in Europa wollen wir die Menschenrechte verteidigen.

Darum wenn ich ein Wort sagen dürfte noch zu Simbabwe. Es ist gut, dass dieser Afrikagipfel mit Europa nicht mehr ein Gipfel ist zwischen den Engländern und Simbabwe. Es ist nicht Mugabe und Brown, die die wichtigsten Figuren sind, vor allem nicht Mugabe, diese Ehre darf man diesem Mann nicht machen, und Brown hat seinen Entschluss getroffen, das ehrt Ihn, aber die anderen Staatschefs [unterbrochen]

Rolf-Dieter Krause: Dass er nicht kommt zu diesem Gipfel.

Jean Asselborn: Die Staatschefs werden da sein.

Und jetzt sind wir in einer Dynamik, wo zwei multilaterale Organisationen - Europäische Union und afrikanische Union - sich begegnen, und eine Dynamik aufbauen, die sehr im Interesse ist der beiden grossen Erdteilen. Diese beiden grossen Erdteile, Europa und Afrika, stellen mehr als die Hälfte der UNO-Mitglieder dar, und das ist auch fast 1,5 Milliarden Menschen. Darum ist das wichtig was wir jetzt tun in Lissabon.

Rolf-Dieter Krause: Wir kommen, da bin ich sicher, mit unserer nächsten Frage wieder mehr in unsere Nähe. Gerd […] in Dresden, so ich hoffe, ich habe Sie jetzt in der Leitung. Ich grüsse Sie.

Anrufer: Ja, ich grüsse Sie ebenfalls. Herr Minister, ich habe folgende Frage, und zwar, den Widerspruch zu klären, die strategischen Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union sind zwar konkurrent, aber was das Raketenabwehrschild anbetrifft, wo Raketen, beziehungsweise technische Institutionen stationiert werden in der Tschechischen Republik, und in Polen, welchen Zweck hat das im Prinzip eine Abwehr zu schaffen gegen Iran, obwohl hier gerade geklärt wurde, im Gespräch, dass diesbezüglich keine eventuelle Absichten des Irans bestehen europäisches Territorium zu treffen?

Jean Asselborn: Ja, ich danke Ihnen für diese Frage. Der Herr Krause weiss, dass ich einer von denen war unter den Aussenministern, die sehr kritisch mit dieser Frage umgegangen sind, als sie akut wurde. Ich glaube zwei Sachen.

Das Erste ist, wenn es um europäische Sicherheit geht, ist es nicht eine bilaterale Vereinbarung, können nicht bilaterale Vereinbarungen getroffen werden, sondern muss auch [unterbrochen]

Rolf Dieter Krause: bilateral zwischen …

Jean Asselborn: … bilateral zwischen Amerika und zwei Ländern, Polen und Tschechei, sondern es ist eine Frage der Aussenpolitik der Europäischen Union. Das ist das Erste.

Es ist auch eine Frage die zwischen der NATO, oder in der NATO in diesem Moment, muss geklärt sein.

Und drittens, das Allerwichtigste ist, es waren am Sonntag Wahlen in Russland. Wir wissen alle, dass wir nicht zufrieden sind mit diesen Wahlen, dass die Wahlen nicht fair waren, dass man eigentlich diese ganze Verkrampfung von Putin nicht verstehen kann, denn die Russen wollen ja Putin haben. Aber die Wahlen waren nicht fair. Aber trotzdem, der strategische Kontakt, politisch gesehen, mit Russland, ist extrem wichtig. Und darum, alles was man tut, was das Zusammenleben auf diesen Kontinenten, geographisch gesehen angeht, zwischen Europäern und Russen, muss wohlüberlegt werden von den Europäern.

Und wir müssen die Amerikaner auch dazu bringen - ich glaube wir sind ja auch auf diesem Weg, Dank verschiedener Länder die mitgeholfen haben - dass eingesehen wird, dass wir, wenn so etwas notwendig ist, es auch mit Russland im Kooperationsrat der NATO zum Beispiel ausgedacht und ausgearbeitet werden muss. Ich hoffe, dass diese Frage an Aktualität verloren hat.

Es werden Wahlen sein in den Vereinigten Staaten im November, im nächsten Jahr. Wir werden bestimmt dieses Thema dann noch einmal diskutieren, und ich bin überzeugt, auch die Evolution, wie Sie gesagt hatten, im Iran. Im Iran ist zwar nicht entschieden worden, dass keine Raketen gebaut werden, sondern dass die Anreicherung von Uran, das Haben von Plutonium eigentlich zurückgesetzt wurde, dass das also nicht der entscheidende Punkt ist.

Aber entscheidend ist welches Bild geben wir, ja, doch als westliche Welt ab, als NATO, als Europäische Union, wenn wir auf Abwehr von hypothetischen Gefahren setzen, die in ihrer Hypothese trotzdem nicht klar definiert sind. Darum bin ich überzeugt, dass hier der Dialog mit unseren amerikanischen Freunden, der selbstverständlich sehr, sehr wichtig ist, aber auch im Kontext mit Russland, dass diese Frage noch muss ausdiskutiert werden.

Rolf-Dieter Krause: Herr Minister, da klingt schon die Abschiedsmusik. So schnell geht eine halbe Stunde vorbei, und ich hätte hier noch jede Menge Anrufe, die gerne mit Ihnen reden würden. Das tut mir wahnsinnig Leid, ich habe mich trotzdem gefreut, dass Sie heute bei uns gewesen sind.

Meine Damen und Herren, Sie haben gesehen, dass auch die grossen Fragen der Weltpolitik, man mag das gar nicht so denken, an einem vergleichsweise kleinen Land wie Luxemburg nicht vorbei gehen. Aber in der Tat, wie Jean Asselborn, der luxemburgische Aussenminister gesagt hat, Europas Sicherheit ist unteilbar.

Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Besuch, Herr Minister. Ihnen meine Damen und Herren für Ihre Anrufe, für Ihr Interesse, und diejenigen die nicht durchgekommen sind, die bitte ich einfach um Nachsicht, es waren zu viele. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.

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