"Der Solidaritätsgedanke steht im Zentrum". Jean-Louis Schiltz au sujet du sommet UE-Afrique

d'Wort: Warum liegen mehr als sieben Jahre zwischen diesem EU-Afrika-Gipfel und dem vergangenen?

Jean-Louis Schiltz: Es wird höchste Zeit, dass dieser Gipfel stattfindet. Dieser lange Abstand lag vor allem an politischen Problemen zwischen der EU und Afrika oder zwischen einigen Mitgliedstaaten und einigen afrikanischen Staaten. Wichtig ist aber, dass dieser Gipfel jetzt stattfindet. Jedoch bedeutet dieser Abstand nicht, dass es unterdessen keine Beziehungen gegeben hätte - diese sind weitergeführt worden, so auch in der Entwicklungskooperation.

d'Wort: Ist das wiedererwachte Interesse Europas an Afrika auch darauf zurückzuführen, dass andere Mächte wie China und Indien der EU Konkurrenz machen - sowohl als Exportmarkt als auch als Energieabnehmer?

Jean-Louis Schiltz: Es ist kein Wiedererwachen. Die Beziehung ist durch große Kontinuität gekennzeichnet, der jedoch ein feierlicher Moment fehlte, der von Zeit zu Zeit nötig ist, um einem Verhältnis eine neue Dimension, Intensität und Qualität zu geben und breit gefächerte Beziehungen aufzubauen. Dass China und Indien in Afrika präsent sind, ist der breiten Öffentlichkeit erst Ende vergangenen Jahres bewusst geworden, als in Peking ein China-Afrika-Gipfel stattfand. Diejenigen, die in Afrika herumkommen, sehen dies schon viel länger.

d'Wort: Was bedeutet die zunehmende chinesische Präsenz in Afrika für das Engagement Europas auf dem Schwarzen Kontinent?

Jean-Louis Schiltz: Wenn sich der Handel zwischen Afrika und China in den vergangenen fünf Jahren verfünffacht und rund 50 Milliarden Dollar im Jahr 2006 erreicht hat, dann sieht man, dass China ein ernst zu nehmender Akteur in Afrika ist. Man sollte jedoch nicht von der Prämisse ausgehen: entweder China oder Europa; stattdessen von: China und Europa mit Afrika.

d'Wort: Ein Dreierdialog zwischen Afrika, China und Europa?

Jean-Louis Schiltz: Mit Blick auf Afrika sollte es einen Dialog zwischen Afrika, China und Europa geben. Wenn wir es schaffen, zu dritt an einem Strang zu ziehen, dann können wir es im Sinn einer nachhaltigen Entwicklung voranbringen. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass Afrika ein Kontinent mit 800 Millionen Einwohnern ist, von denen rund die Hälfte mit weniger als einem Dollar am Tag auskommen muss.

d'Wort: Wie wichtig ist das Einfordern von guter Regierungsführung?

Jean-Louis Schiltz: Es wird immer gesagt, die Europäer achten auf gute Regierungsführung und die Chinesen nicht. Damit macht man es sich zu einfach. Es stimmt, dass gute Regierungsführung und Menschenrechte ein zentrales Element der EU-Außenpolitik sind - nicht nur in Afrika. Wenn wir, als EU-Land oder als EU, mit einem afrikanischen Land zusammenarbeiten und wir haben Elemente guter Regierungsführung in den politischen Dialog und Entwicklungsprojekte eingebaut, dann ist das ein Teil der Zielsetzung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass derselbe Staatschef im Dialog mit den Chinesen auf einmal sagt, "gute Regierungsführung interessiert mich nicht". Wenn die Regierung sich verbessert, dann geschieht das überall im Land. Dies soll auch durch die Strategie, die wir auf dem Gipfel verabschieden werden, gestärkt werden.

d'Wort: Ist Chinas Einfluss in Afrika insgesamt mit den Interessen der EU kompatibel?

Jean-Louis Schiltz: Wenn die Chinesen in Afrika Infrastrukturen bezahlen, dann ist das positiv, denn damit werden die Infrastrukturen in Afrika ausgebaut. Ich sehe Sachen, die mir nicht so gefallen wie manche Nutzung von Ressourcen, die Vergabe mancher Kredite oder die Abwicklung mancher Projekte, aber ich sehe auch gemeinsame Chancen zu dritt.

d'Wort: Im Vorfeld des Gipfels ist heftig kritisiert worden, dass die Menschenrechte in Afrika vielfach noch mit Füßen getreten werden - Stichwort Robert Mugabes Herrschaft in Simbabwe - was den britischen Premier Gordon Brown zum Boykott des Treffens veranlasst hat.

Jean-Louis Schiltz: Die Einhaltung von den Menschenrechten ist ein zentrales Element im Dialog zwischen Europa und Afrika. Sie werden daher auch auf dem Gipfel thematisiert werden. Wenn man in puncto guter Regierungsführung oder Menschenrechte Fortschritte erzielen will, tut man dies, indem man sagt: "Wir reden überhaupt nicht miteinander" oder probiert man, diese Frage zu einem zentralen Element der Verhandlungen zu machen und so die Situation zum Besseren zu wenden?

d'Wort: Ist die EU der wichtigste Geber von Hilfsgeldern weltweit?

Jean-Louis Schiltz: 0,56 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) werden für Entwicklungskooperation bis 2010 als globales Engagement bereitgestellt beziehungsweise 0,7 Prozent des BIP bis 2015 als Engagement der EU noch unter Luxemburger EU-Präsidentschaft.

d'Wort: Rund die Hälfte der EU-Hilfe fließt nach Afrika. Nun hat die Hilfe in der Vergangenheit nicht immer funktioniert; mittlerweile gibt es selbst Kritiker in Afrika, die stattdessen Hilfe zur Selbsthilfe fordern. Müsste Afrika nicht eine größere Eigenverantwortung übernehmen, die entwickelten Länder im Gegenzug Handelshemmnisse abbauen?

Jean-Louis Schiltz: Hat die traditionelle Entwicklungshilfe - besser: Entwicklungszusammenarbeit - versagt? Nein, weil wir in Ländern, Regionen und Städten konkret sehen, dass sie vielschich- tig - sei es Wasserversorgung, Sanierung, Gesundheit, Erziehung oder integrierte lokale Entwicklung - den Lebensstandard hebt. Die traditionelle Entwicklungszusammenarbeit hat dazu beigetragen, dass sie die Lage zum Besseren gewendet hat.

d'Wort: Ist dies ausreichend, dass Afrika selbst seine Entwicklung in die Hand nimmt?

Jean-Louis Schiltz: Nein, es ist eine nötige, aber keine hinreichende Bedingung dafür. Wenn wir zusammen erreichen wollen, dass die Afrikaner am Horizont 2020-2030 ihre Entwicklung weitgehend selbst in die Hand nehmen, dann müssen wir mit den zusätzlichen Verpflichtungen auf dem Weg vorangehen, es müssen vor allem Fortschritte bei der guten Regierungsführung gemacht werden und wir müssen dazu beitragen, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Afrikaner auch am Welthandel teilnehmen können. Dies erfordert langen Atem, aber wir müssen jetzt damit anfangen - etwa mittels den jetzt vorliegenden Abkommen zur Wirtschaftpartnerschaft. Das heißt auch, dass die Exportsubventionen der EU fallen müssen.

d'Wort: Was ist für Sie im Verhältnis EU-Afrika in Zukunft entscheidend?

Jean-Louis Schiltz: Für mich ist das zentrale Element im Verhältnis EU-Afrika für die nächsten 10 bis 15 Jahre die Partnerschaft, die nicht allein auf dem Paper steht, sondern auch gelebt wird. Das heißt zunächst einmal, dass man dem anderen zuhört. Es ist eine Partnerschaft über die klassische Zusammenarbeit hinaus: auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet sowie in puncto Frieden und Sicherheit, Energie, Klima, regionaler Zusammenarbeit, guter Regierungsführung, Menschenrechte. Hinzu kommt, dass die Strategie, die auf dem Gipfel verabschiedet wird, gemeinsam ausgearbeitet worden ist. Das ist ein positiver Ausgangspunkt für eine wirkliche Partnerschaft zwischen Gleichen.

d'Wort: Wo liegt Luxemburgs spezifisches Interesse in Afrika und seiner Entwicklung?

Jean-Louis Schiltz: Luxemburgs Kooperation mit Afrika konzentriert sich auf die Ärmsten von den Armen. Burkina Faso, Niger, Mali, Senegal - mit den Kapverden verbindet uns eine besondere Beziehung, auf die ich hier heute nicht eingehen möchte. Diese Kooperation ist der Ausdruck der Solidarität der Einwohner Luxemburgs mit ihren afrikanischen Cousins. Keiner soll glauben, dass die Jugendlichen in Dakar und anderen Orten sich zum Spaß in Barken setzen, um hierher zu kommen. Sie machen es, weil sie keine Perspektiven haben.

d'Wort: Ist das Einwanderungsproblem mit Kooperation alleine zu lösen?

Jean-Louis Schiltz: Die Kooperation kann darauf die nachhaltigste Antwort liefern; selbstverständlich kann sie jedoch nur ein Teil der Antwort sein. Für mich ist der Solidaritätsgedanke das zentrale Element. Wenn wir nicht auf den verstärkten Weg von der Kooperation gehen - sprich 0,7 Prozent des BIP für Hilfe geben und Fortschritte im Handel und in guter Regierungsführung machen - dann ist die extreme Dramatik, die wir jetzt erleben - Menschen, die auf dem Meer sterben oder auf den Kanaren halb tot ankommen - gar nichts im Vergleich zu dem, was wir in 15 bis 20 Jahren erleben werden.

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