"Umweltpolitik hat ihren Preis". Lucien Lux au sujet du sommet de Bali et des négociations de l'ONU sur l'avenir du protocole de Kyoto

Tageblatt: Wie viele Bäume werden Sie anpflanzen, um den CO2-Ausstoß durch ihre Reise nach Bali zu kompensieren?

Lucien Lux: Wir haben uns einem Projekt in Indien angeschlossen, das unsere Reise in Sachen CO2 neutralisieren wird. Wir investieren in ein Vorhaben zur Nutzung von Agrarabfällen zur Stromproduktion. Damit werden 25 Tonnen CO2 kompensiert. Die nächsten zwei Klimaschutzkonferenzen werden 2008 in Warschau und 2009 in Kopenhagen stattfinden. Dann wird man nicht uns beschimpfen, sondern die Gäste aus Indonesien.

Tageblatt: Ist es denn überhaupt notwendig, 10.000 Menschen aus rund 190 Ländern zu dieser Konferenz nach Bali zusammenzubringen? Könnten die EU-Länder nicht mit einer Stimme dort vorsprechen?

Lucien Lux: Es ist höchst symbolisch, dass sich alle Länder unter der Ägide der UNO treffen werden. Außerdem werden auch viele Vertreter von ONG und der Wirtschaft anwesend sein. Es wird dort zu vielen Treffen kommen. Wir selbst werden uns mit den europäischen Kollegen absprechen und an der Plenarversammlung teilnehmen, wo ich das Wort ergreifen werde. Außerdem sind bilaterale Zusammenkünfte vorgesehen. Zum Beispiel mit Chile, El Salvador und Senegal. Persönlich bedeuten diese Treffen mir sehr viel. Sie erzeugen einen enormen Motivationsschub. Vor allem, weil man mit Ländervertretern zusammenkommt, die heute schon wegen der Klimaerwärmung enorme Probleme haben.

Tageblatt: Sie wollen auf Bali ans Rednerpult gehen. Aber Luxemburg gibt in Sachen Kioto-Bilanz ein schlechtes Bild ab. Wie soll man da als gutes Beispiel auftreten?

Lucien Lux: Wir haben einen guten Ruf. Der stammt aus der Zeit der Luxemburger EU-Präsidentenschaft. Die ersten konkreten Reduktionsziele der EU wurden im Umweltministerrat am 10. März 2005 formuliert.

Eine andere Frage ist unsere eigene Situation. Und die ist auch unterschiedlich zu betrachten. Berücksichtigt man die Kioto-Regel, ist es klar, dass wir nicht ganz gut dastehen. Im Vergleich zum Referenzjahr 1990 haben wir einen Zuwachs an CO2-Emissionen von 0,7 Prozent. Es ist lediglich ein schwacher Trost, dass es den meisten Ländern so ergeht. Wir hatten ein ambitiöses Ziel. Ich glaube, auch in der EU setzt sich jedoch die Erkenntnis durch, dass wir uns in einer atypischen Situation befinden.

Im Jahr 1990 bestritt der Treibstoffexport, also der Tanktourismus, 15 Prozent unserer Emissionen. 2005 waren das schon 43 Prozent. Wenn man den Tanktourismus herausrechnet, haben wir 2005 im Vergleich zu 1990 einen Emissionsrückgang von 33 Prozent.

Ehrlichkeitshalber muss jedoch der Import von Strom, für dessen Produktion ja auch CO2 anfällt, der uns jedoch nicht angerechnet wird, berücksichtigt werden. Dann bekommen wir einen Überblick über den tatsächlichen nationalen Konsum. 1990 belief sich dieser auf 14,45 Millionen Tonnen CO2 und 2005 auf 11,6 Millionen. Ein absoluter Rückgang von 2,85 Millionen Tonnen, das heißt 19,7 Prozent.

Da liegen wir praktisch so gut wie Deutschland. Doch sowohl in Deutschland als auch in Luxemburg ist dieser Rückgang auf den industriellen Bereich zurückzuführen. Deshalb sage ich, die Initiativen zur Reduktion des Verbrauchs in den Haushalten und im öffentlichen Bereich müssen fortgesetzt werden.

Unser Problem mit der Kioto-Bilanz ist der Export von Sprit. Man sollte aufhören, sich selbst zu belügen. Wir wissen, was dieser Treibstoffexport für den Staatshaushalt bedeutet. Und deshalb war meine politische Linie stets die eines schrittweisen Herangehens an dieses Problem. Wir können nicht die Axt ansetzen. Wer fordert, wir müssten die Kioto-Ziele national anwenden, der muss auch den Mut haben, eine massive Preisanhebung beim Treibstoff zu fordern. Diesen Weg gehe ich nicht mit. Kurzfristig würden dem Staat hunderte Millionen fehlen.

Tageblatt: Fast eine Milliarde ...

Lucien Lux: Eine Milliarde nur beim Sprit. Wenn man noch die Steuereinnahmen aus Tabak und Alkohol hinzurechnet, kommt man auf weit größere Beträge. Nachdem wir 1997 das Ziel von 28 Prozent unterschrieben, ließen wir uns viel Zeit, um das Problem in Angriff zu nehmen. Erst Ende 2004 wurde die Kioto-Direktive in die nationale Gesetzgebung übernommen und der Klimaschutzfonds gebildet. Unsere Kioto-Verpflichtungen können wir nur durch die Realisierung bilateraler Projekte in anderen Ländern, durch den Einkauf von Emissionsrechten einhalten. Was konform zum Kiotoprotokoll ist. Dafür braucht man sich nicht zu schämen.

Tageblatt: Was heißt schrittweiser, gradueller Prozess? Eine stetige Erhöhung der Spritpreise? Auf welcher Zeitschiene?

Lucien Lux: Beim Tanktourismus werden einige Entwicklungen dazu führen, dass der Spritverkauf zurückgehen wird. Da ist erstens die Akzisenharmonisierung in der EU. Zweitens der technische Fortschritt, der den Spritverbrauch reduzieren wird. Drittens versuchen wir, Fracht von der Straße auf die Schiene zu verlagern, Stichwort 'Autoroute ferroviaire' Luxemburg-Perpignan, und viertens haben wir ab Januar 2007 den Kioto-Cent eingeführt, eine Klimaschutzabgabe. Bisher bedienten wir uns beim Treibstoff, um die Pflegeversicherung und den Beschäftigungsfonds zu finanzieren.

Tageblatt: Sie wollen nicht die Axt ansetzen. Wir warten also passiv ab, dass der Spritverbrauch zurückgeht?

Lucien Lux: Beim Kioto-Cent rechnen wir mit rund 80 Millionen Euro Einnahmen. Erstmals überlegen wir gemäß dem Verursacherprinzip, logisch und kohärent, indem wir sagen, dass das Geld für Klimaschutz aufzuwenden ist. Abgesehen davon hängen wir immer auch von der Politik der anderen Länder ab. Als wir unseren Kioto-Cent einführten, hob Deutschland seinen Mehrwertsteuersatz an.

Tageblatt: Wird Luxemburg seine Kioto-Ziele dank Projekten in Drittländern und dem Kauf von Emissionsrechten tatsächlich erreichen?

Lucien Lux: Es bleibt uns nichts anderes übrig. Insgesamt werden wir an die 30 Millionen Euro dafür aufwenden müssen. Das alles wird aus dem Kioto-Fonds finanziert. Es ist interessant, dass immer von Abzocke geredet wird. Was wir aber über den Kioto-Cent und die Autosteuer einnehmen, dient nicht zum Ausgleich des Staatsbudgets. Diese Einnahmen fließen ausschließlich in den Kioto-Fonds. Dazu kommen noch rund 10 Millionen aus dem Staatsbudget hinzu. Daraus werden Klimaschutzmaßnahmen finanziert. U.a auch das Subsid von 750 Euro für schadstoffarme Autos, insgesamt 11 Millionen Euro.

Tageblatt: Immer häufiger bringen die Menschen Umweltschutz mit Mehrausgaben in Verbindung: Das Wasser wird teurer, die Autosteuer, die Abfallbeseitigung usw. Was entgegnen Sie diesen Kritikern?

Lucien Lux: In allen Umfragen sagen rund 90 Prozent der Bevölkerung, dass Umwelt- und Klimaschutz für sie enorm wichtig seien. Man kann über Klimaschutz die schönsten Reden halten, das einzige, was jedoch hilft, sind konkrete Maßnahmen. Wer von mir lediglich schöne Reden erwartet hätte, hätte sich vor drei Jahren einen anderen als Umweltminister suchen müssen.

Die Menschen müssen sich bewusst werden, dass Umweltpolitik ihren Preis hat, wenn sie als gleichwertig zu anderen Politikfeldern behandelt werden soll.

Kioto heißt doch nicht anderes, als dass die Verschmutzung unserer Atmosphäre erstmals bewertet wurde, einen Preis bekommen hat.

Wir haben uns zwei Instrumente gegeben, um in Sachen Klimaschutz das Verursacherprinzip anwenden zu können. Einmal beim Kauf eines Pkw und zweitens beim Benzinverbrauch. Man wirft mir vor, der Vielfahrer zahle so viel Steuern wie der Autobesitzer, der seinen Wagen oft in der Garage stehen lässt.

Die zwei Maßnahmen muss man jedoch zusammen betrachten. Die Autosteuer soll den Autokauf beeinflussen, die zweite den Verbrauch. Wer 50.000 km fährt, zahlt wegen des Kioto-Cent entsprechend mehr als der Pkw-Besitzer, der nur 5.000 km im Jahr zurücklegt.

Außerdem: Unsere Autosteuer wurde niemals anders berechnet. Auch bei der früheren Berechnung aufgrund des Hubraums war schon ein bisschen Verursacherprinzip drin. Wie viel man mit seinem Auto fuhr, hat bei der alten Autosteuer nie eine Rolle gespielt. Warum ist diese Frage plötzlich von Bedeutung?

Tageblatt: Aber die höhere Autosteuer belastet doch vor allem kleinere Einkommen?

Lucien Lux: Genau das Gegenteil haben wir nun versucht, zu machen. Es ist doch nicht so, dass Sozialschwache mit dicken Cabriolets durch die Gegend fahren und nun 300 oder 400 Euro zahlen müssen, während die Vermögenden mit einem Kleinwagen durch die Gegend fahren und nur 100 Euro entrichten müssen. Ich möchte noch daran erinnern, dass die Autosteuer 1986 zum letzten Mal angepasst worden ist. Allein der Rückstand durch die Preisentwicklung liegt bei 61 Prozent. Und auch die neue Autosteuer ist im Vergleich zu unseren Nachbarländern die niedrigste.

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