Jean-Louis Schiltz: "Bandbreite ist der Schlüssel zum Erfolg". Le ministre des Communications au sujet du secteur IT au Luxembourg

Andreas Holpert: Luxemburg hat sich im Bereich der Informationstechnologien stark verbessert. Wo genau wurden Fortschritte gemacht und wo gibt es noch Nachholbedarf?

Jean-Louis Schiltz: Wir haben zunächst eine Bestandsaufnahme durchgeführt, um generell zu erfahren, wo Luxemburg Nachholbedarf hat. Dabei kam zu Tage, dass die sogenannte "Connectivity" Schwachstellen aufweist. Mittelfristig hätten ohne eine Aufrüstung Probleme auftauchen können. Diese punktuellen Defizite wurden mit den verschiedenen Akteuren am Markt diskutiert. Die Privatwirtschaft allein hat die Lücken nicht geschlossen. Daher haben wir innerhalb von sechs Monaten "Luxconnect" aus dem Boden gestampft. Der staatliche Netzbetreiber soll die Internet-Infrastruktur ergänzen. Ich gehe davon aus, dass "Luxconnect" im Januar voll Operationen sein wird. Inzwischen konnte die Bandbreite schon auf 3,5 Terabit erhöht werden.

Andreas Holpert: Und welches Ziel verfolgte die Deloitte-Studie?

Jean-Louis Schiltz: Die Studie von Deloitte hat eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Kapazitäten und Kompetenzen im IT-Sektor erstellt. Ergebnis ist, dass Luxemburg im Großen und Ganzen gut positioniert ist. Es gibt jedoch keinen Grund sich auf dem Erreichten auszuruhen. Von tausend Arbeitsplätzen sind 4,1 im Telekomsektor tätig. Auch im Bankensektor ist die Dynamik im IT-Sektor groß. Das sind enorme Kapazitäten und Kompetenzen, die wir bisher weder aufgelistet noch nach außen kommuniziert haben. Auch die Verbindungskapazität Luxemburgs ist gut. Im europäischen Vergleich der Breitbandanschlüsse steht Luxemburg auf dem fünften Platz. Vor wenigen Jahren waren wir noch Schlusslicht.

Andreas Holpert: Warum ist die Bandbreite von so großer Bedeutung?

Jean-Louis Schiltz: Laut einer Studie der amerikanischen Marktforschungsfirma Nemertes droht der Datenautobahn schon im Jahr 2010 der Verkehrsinfarkt. Wenn nicht über 100 Milliarden Dollar in die globale Infrastruktur investiert werden, drohe den Internet-Nutzern möglicherweise wieder die Einwahl über langsame Modems, heißt es in dieser Studie. Auf der Datenautobahn kann es mit zunehmendem Verkehr eng werden.

Andreas Holpert: Wie reagiert der Luxemburger Kommunikationsminister auf den drohenden Verkehrskollaps?

Jean-Louis Schiltz: Der Verkehrsinfarkt auf der Datenautobahn findet nicht unbedingt in Luxemburg statt. Trotzdem wären wir von einem Kollaps betroffen. Wir müssen also vorbereitet sein. Für mich ist die erste Antwort daher Bandbreite, die zweite Antwort lautet Bandbreite und auch die dritte heißt Bandbreite. Ich denke, dass dies der Schlüssel zum langfristigen Erfolg des IT-Standorts Luxemburg ist.

Andreas Holpert: Ist der staatliche Netzbetreiber Luxconnect eine Antwort auf einen potenziellen Datenstau?

Jean-Louis Schiltz: Luxconnect ist ein Teil der Antwort. Der andere Teil muss vom Privatsektor kommen. In einer dienstleistungsorientierten Wirtschaft mit einem starken Bankenplatz, einem E-Commerce-Sektor und anderen Branchen, die Bandbreite brauchen, ist Luxconnect ein zusätzliches Mittel für den Markt.

Andreas Holpert: Welchen Stellenwert hat der Bereich Forschung und Entwicklung?

Jean-Louis Schiltz: Wir müssen die Entwicklung auch im Bereich Forschung und Innovation vorantreiben. Skype war z.B. ein Innovations-Projekt, das von Luxemburg aus gestartet wurde. Ich habe zudem sichergestellt, dass die Forschung im IT-Sektor im kommenden Jahr zu den Prioritäten der öffentlichen Forschung gehört.

Andreas Holpert: 30 Millionen Euro hat die Regierung in Luxconnect investiert. Ist das Investment nicht reichlich hoch für einen kleinen Markt wie Luxemburg?

Jean-Louis Schiltz: Ich denke nicht. Ich schätze, dass der Bedarf an Bandbreite noch viel größer sein wird. Das zeigt auch das Engagement der Post, die 70 Millionen Euro in die Verbesserung ihres Glasfasernetzes investiert. Vor diesem Hintergrund hat Luxconnect nur einen kleinen Umfang. Man könnte sogar sagen, es ist noch nicht genug.

Andreas Holpert: Ist ein staatliches Engagement Voraussetzung dafür, Unternehmen aus dem E-Commerce in Luxemburg zu halten und neue anzuziehen?

Jean-Louis Schiltz: Geschwindigkeit und Leistungsfähigkeit des Netzes sind für alle wichtig, Unternehmen und Verbraucher. Eine Segmentierung findet nicht statt. Die Datenautobahnen, die wir bauen, sind für jeden - Privat- und Geschäftsmann.

Andreas Holpert: Infrastruktur ist das eine, qualifizierte Leute das andere. Was macht Luxemburg, um die notwendigen Mitarbeiter für den IT-Sektor anzulocken?

Jean-Louis Schiltz: Luxemburg ist eine offene Gesellschaft, hier lässt es sich gut leben. Man wird nicht zu einem IT-Standort, wenn man nur eine Betonwüste auf dem flachen Land aufbaut. Zu einem internationalen Standort gehört mehr. Wir schaffen ein Umfeld, damit die Leute, die nach Luxemburg kommen, sich wohlfühlen können. Wir werden die Einbürgerung vereinfachen. Das hilft der Entwicklung der Wirtschaft insgesamt. Wenn wir zudem mehr Wert legen auf Forschung und Entwicklung im IT-Sektor, dann investieren wir indirekt auch in die Ausbildung.

Andreas Holpert: Zu den aktivsten Akteuren im Telekomsektor gehört die EU-Kommission mit ihren Initiativen. Jüngster Vorschlag aus Brüssel ist die Bildung einer paneuropäischen Regulierungsbehörde. Wie beurteilen Sie diesen Vorschlag?

Jean-Louis Schiltz: Ziel der Brüsseler Initiativen ist es grundsätzlich, im Interesse der Verbraucher die Verbindungskapazität zu verbessern und die Preise zu senken. Diese Ziele teile ich. In Bezug auf den Ausbau der Infrastrukturen ist Luxconnect im Grunde ein Vorgriff auf Bemühungen der EU-Kommission, die Inter-Konnexion zu optimieren. Zum Aspekt einer paneuropäischen Aufsichtsbehörde möchte ich sagen, dass sich schon im Vorfeld die Gemüter auf internationalem Parkett erhitzt haben. Wenn die Kommission eine solche Initiative ergreift, gleich zu Beginn einige Mitglieder dagegen sind und zusätzliche Bürokratie befürchten, dann haben wir ein Problem. Das ist in niemandem Interesse. Es gibt also noch reichlich Diskussionsbedarf.

Andreas Holpert: Eine Initiative aus Brüssel betrifft die Speicherung der Verbindungsdaten von Mobilfunkgesprächen. Das hat in Deutschland zu heftigen Diskussionen geführt. Wie verfährt Luxemburg mit den Mobilfunkdaten?

Jean-Louis Schiltz: Die europäischen Innenminister haben eine Direktive über die Speicherung der Verbindungsdaten von Mobilfunkgesprächen ausgearbeitet. In dieser Richtlinie ist ein zeitlicher Spielraum vorgesehen, die Daten mindestens sechs und längstens 24 Monate zu speichern. Auf Initiative des Kommunikationsministers hat Luxemburg die Sechs-Monats-Spanne gewählt, also die Mindestvorgabe. In der Praxis werden bestimmte Verbindungsdaten lediglich im Rahmen einer gerichtlichen Untersuchung abgerufen und das ist zum Glück noch immer ein Ausnahmefall.

Andreas Holpert: Luxemburg hat die Aktivitäten im Bereich TMT - Telekommunikation, Medien, Technologien ausgebaut. Wie geht es weiter? Gibt es in naher Zukunft neue Akteure?

Jean-Louis Schiltz: Wir haben über AOL den E-Commerce in Luxemburg auf- und ausgebaut. Wir wollen den Standort in drei Richtungen weiterentwickeln. Zum einen setzen wir auf Innovation wie "Voice over IP" oder Skype in der Vergangenheit. Zum anderen soll Luxemburg attraktiv werden als zentraler Ausgangspunkt von europäischen Geschäften wie es z.B. Amazon macht und als Standort für globale Funktionen, was auf den Fall Vodafone zutrifft. Der dritte Weg ist eine stärkere Verzahnung von ITund Finanzwelt, wofür Paypal steht. Auf diesen drei Gebieten sehen wir noch reichlich Potenzial für Luxemburg.

Andreas Holpert: Von welchen neuen Trends -Wimax, Web-TV, Web 2.0 - im Telekomsektor versprechen Sie sich hohes Potenzial?

Jean-Louis Schiltz: Nehmen wir das Beispiel Mobile TV. Es wurde behauptet, dass mit der Füßball-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr der Durchbruch kommt. "Public Viewing" war der Renner. Jetzt soll es 2008 bei der Europameisterschaft passieren. Vor drei Jahren hat kaum jemand Nachrichten über sein Handy abgerufen, heute gehört es fast schon zur Gewohnheit. Es gibt immer mehr Anwendungen für Mobilfunktelefone. Interaktivität wird von der jungen Generation immer stärker genutzt. Potenzial für Luxemburg besteht vor allem in der zentralen Lage des Landes, von wo aus sich bestimmte Dienstleistungen europaweit steuern lassen.

Andreas Holpert: Im März 2005 haben Sie im Interview darauf hingewiesen, dass es gerade mal drei Daten-Center in Luxemburg gibt. Wie sieht die Situation heute aus?

Jean-Louis Schiltz: Deloitte hat in seiner Studie 13 Daten-Center aufgeführt. Das ist zum Teil auch Ausdruck der wachsenden Bedeutung der IT für das Dienstleistungsgeschäft in Luxemburg.

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