Le Premier ministre, président de l'Eurogroupe, au sujet de la réunion des ministres des Finances du G7 à Washington

WDR5: Herr Juncker, die G7-Chefs haben ein umfangreiches Aktionsprogramm verabschiedet, um die Folgen der Finanzkrisen in den Griff zu bekommen. Ist es gut genug um das zu schaffen?

Jean-Claude Juncker: Dies ist ein sehr erhebliches, wenn nicht beeindruckendes Massnahmenpaket. Noch vor 7 Monaten gab es weder Konsens noch Bereitschaft, um derartige Massnahmen zu ergreifen. Es kommt uns jetzt darauf an, und dies wird in 100 Tagen zu bewerkstelligen sein, die Marktfunktionen wesentlich zu verbessern, für eine Offenlegung von Risiken und Abschreibungsnotwendigkeiten zu sorgen, Kapitalbasisbestände mit den neuen Aufstockungsregeln zu versehen, die Rating Agenturen in einen verantwortlicheren Kanal einzuweisen. All dies war vor Monaten nicht denkbar. All dies muss schnellstens gemacht werden, damit Vertrauen wieder hergestellt werden kann.

WDR5: Aber all das, was Sie jetzt genannt haben, wie Risikomanagement verbessern, mehr Transparenz schaffen, angemessene Risikobewertung sicherstellen, Aufsicht über die Banken verbessern: alles Punkte die nach einem solchen Reinfall selbstverständlich sind, oder? Ich meine die Finanzkrise begann vor einem Jahr, hätte sie nicht viel früher zur Chefsache werden müssen?

Jean-Claude Juncker: So schnell ist die Jugend mit dem Wort auch am Morgen. Die Finanzkrise begann im August. Man musste sich erst mal analytisch mit ihr beschäftigen, um dann zu eigenen Festlegungen zu kommen. Diese Festlegungen, diese Analysen, gibt es seit einigen Monaten. Dann haben wir das Finanzmarktstabilitätsforum damit beauftragt konkrete Arbeitsvorlagen vorzulegen, dies ist jetzt passiert.

Die internationale Gemeinschaft reagiert eigentlich viel schneller, als ich ihr das zugetraut hätte. Ich hätte mir nur gewünscht, wir hätten uns im Vorfeld, im prophilaktisch präventiven Sinn mit derartigen Krisenszenarien beschäftigt, dann wären wir bereit gewesen das Richtige zu tun, als das Richtige getan werden musste – so haben wir Verspätung. Aber trotz aller Verspätung, wir können jetzt konkret und zielorientiert handeln.

WDR: Sind Sie sicher, nachdem wie Sie die Diskussion auch in Washington miterlebt haben, dass alle tatsächlich bereit sind, sich auch an diese neuen Verabredungen zu halten, und diese mit gleicher Intensität in den verschiedenen Staaten durchgesetzt werden?

Jean-Claude Juncker: Dies ist mein Eindruck. Es ist so, dass auf der G7-Ebene, und die Eurogruppe gehört zur G7-Ebene, schnellstens mit der Umsetzung begonnen werden soll. Es ist so, dass die 185 Mitgliedstaaten des internationalen Währungsfonds diese Notwendigkeiten genau so sehen, auch auf der zeitlichen Schiene genau so geparkt sehen möchten. Nein, ich gehe davon aus, dass dies überall mit gleicher Energie betrieben wird.

WDR: Bislang haben die Banken rund 225 Milliarden US-Dollar Verlust gemeldet. Der IWF geht davon aus, dass sich der Schaden noch auf mindestens 565 Milliarden summieren wird. Was kommt denn noch auf Europa zu?

Jean-Claude Juncker: Also davon wird ein Teil auf Europa entfallen. Ohnehin ist es so, dass sich aus dieser amerikanischen Immobilienkrise Auswirkungen auf die amerikanische Realökonomie ergeben haben, die selbstverständlich auch die europäische Wirtschaftszone, die Eurozone erreichen werden.

Wir werden im Jahre 2008, im jetzigen laufenden Jahr, mit weniger starkem Wachstum rechnen müssen, als dies noch 2006 und 2007 der Fall war. Die Eurozone und ihre Wirtschaft wird kaum über 1,5%, 1,6% dieses Jahr wachsen können. Das ist fast zweimal weniger als noch 2007. Wir werden also unter dieser Krise leiden müssen, weil wir von ihr betroffen werden.

WDR: Die Finanzkrise wird dann insgesamt rund eine Billion US-Dollar gekostet haben, oder kosten. Damit hätte man gut den Anstieg der Nahrungsmittelpreise verhindern können, oder?

Jean-Claude Juncker: Das stimmt mengenmässig, wenn auch nicht kompartimental und inhaltlich. Ich halte die Zahl „eine Billion Dollar“, und der deutsche Finanzminister sieht das ähnlich, auch für übertrieben. Aber immerhin, es findet eine relativ substantielle Vermögenszermalmung durch die Finanzkrise statt. Nun haben wir eine regelrechte Hungersnot vor der Tür stehen, und damit müssen wir uns dringend beschäftigen.

WDR: Wie beschäftigen wir uns damit? Wir jammern in Europa wenn wir über all das reden, ja verglichen mit vielen anderen Ländern ja noch auf wirklich sehr hohem Niveau. Es gibt schon jetzt Revolten in Haiti, Demonstrationen in Tunesien. Die Preise für Mais, Reis und Weizen sind so rapide gestiegen. Wie kann Europa auf diese Entwicklung Einfluss nehmen?

Jean-Claude Juncker: Die Nahrungsmittelpreise sind in drei Jahren um 83% angestiegen, allein bei Weizen stellen wir eine Preissteigerung von 181% fest. Dies ist keine Erfindung, dies ist ein real erlebtes Umverteilen, das dabei ist um sich zu greifen.

Wir haben jetzt ein dringendes kurzfristiges Problem. Wir brauchen dringend 500 Millionen Dollar, wenn nicht 700 Millionen Dollar um das Schlimmste auf dem afrikanischen Kontinent zu verhindern.

Und wir müssen wissen, wenn wir die Preisgestaltungskrise, und auch die Spekulation um Rohstoffe herum nicht in den Griff kriegen, dann werden wir nächstes Jahr noch einmal 700 Millionen Dollar zusätzliches Geld brauchen, um eine Hungersnot zu verhindern.

Wir laufen jetzt Gefahr, dass mehrere hunderttausend Menschen entweder an Hunger sterben, zusätzlich an Hunger sterben, so schlimm dies auch ist, und dass viele, viele Kinder heranwachsen werden und unterernährt sind, mit den mentalen und physischen Auswirkungen, die Unterernährung nun mit sich bringt.

Deshalb muss dieses Kurzzeitprogramm dringend, und ohne langes Herumreden auf die Wege gebracht werden, um uns dann mit der Spekulation die Rohstoffe betreffend auseinander zu setzen, weil in diesen Preisansteigungen steckt auch ein gehöriges Mass an Spekulation. Spekulation bei Rohstoffen und bei Nahrungsmittel, das ist im höchsten Sinne unmoralisch.

WDR: Spekulation bei Nahrungsmitteln, auch eine grössere Nachfrage nach Biotreibstoffen, die werden ja aus Agrarprodukten wie Mais hergestellt, sollen für diese Preissteigerung verantwortlich sein. Muss man langfristig auch noch einmal was die Klimapolitik und die Massnahmen diesbezüglich nachdenken, und vielleicht neudenken?

Jean-Claude Juncker: Die Biokraftstoffe sind Teil des Verursachungspotentials dieses Anstieges der Grundernährungsmittel. Und mir hat der indische Finanzminister gesagt, Europa wäre dabei sich auf eine sehr unmoralische Art und Weise mit den Klimafolgen bei sich auseinanderzusetzen – auf Kosten der ärmeren Länder. Und das ist so. Wir müssen einfach über diese Bio-Diesel Approach, die wir in der Europäischen Union gewählt haben, neu nachdenken. Wir können nicht auf Kosten der Anderen, der Ärmeren, unsere Klimaschutzpolitik hier in Europa organisieren. Darüber müssen wir noch einmal reden.

WDR: Zum Treffen der G7-Finanzminister und Notenbanker in Washington, und zu den Aussagen des internationalen Währungsfonds, war das Jean-Claude Juncker, der Ministerpräsident von Luxemburg, und Chef der Eurogruppe. Vielen Dank für das Gespräch.

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