"Wir mögen Konkurrenz." Luc Frieden au sujet de la place financière du Luxembourg, de la directive sur les revenus de l'épargne et de la crise financière internationale

FAZ: Aus deutscher Sicht ist Ihr Ressortzuschnitt ungewöhnlich und originell. Er legt die Politik in eine Hand. Eine Komponente des Erfolgs?

Luc Frieden: Premierminister Juncker hat diesen Ressortzuschnitt für mich gewählt. Allerdings weiß ich als Anwalt um die wirtschaftliche Bedeutung von klaren juristischen Rahmenbedingungen für einen Standort. Deshalb passt die Kombination von Justizministerium, wo man sich um Gesetzgebung im Gesellschaftsrecht und den Kampf gegen Geldwäsche kümmert, gut zu den anderen Rahmenbedingungen, die wir speziell für den Finanzplatz ausarbeiten. Ich glaube, dass ein klarer Rechtsrahmen ein Schlüsselinstrument für einen erfolgreichen Finanzplatz darstellt. Dazu kann ich in beiden Funktionen beitragen.

FAZ: Für liberale Gesetzgebung ist Luxemburg bekannt. Staat und Lobbyverbände arbeiten Hand in Hand an der Stärkung des Standortes.

Luc Frieden: Regieren kann man nicht einfach aus der Theorie heraus, sondern man muss auf die konkreten Bedürfnisse der Wirtschaft hören. In der Tat arbeiten wir verschiedene Gesetze gemeinsam mit Akteuren des Finanzplatzes aus, was nicht heißt, dass wir immer der gleichen Ansicht wären. Aber wir machen die Gesetze so, dass sie in der Realität den Finanzplatz stärken. Wir wollen einen rechtlichen Rahmen, der nicht Hürde ist, sondern Stütze.

FAZ: Gelegentlich geraten Mustereuropäer mit der EU aneinander. Mit Österreich stehen Sie bei der Neuregelung der Zinsbesteuerung isoliert da. Das provisorische Abkommen zur Quellenbesteuerung von 2003 steht wieder in Frage.

Luc Frieden: Ich sehe insofern keine Isolation, da wir 2003 nicht als Luxemburger, sondern zu 15 damaligen Mitgliedstaaten beschlossen haben, ein System einzurichten, das die Freizügigkeit des Kapitals und dessen Besteuerung im Ausland herbeiführen soll. Damals wurden zwei Systeme - Informationsaustausch und Quellensteuer - als gleichwertig angesehen. Ich stelle im Übrigen fest, dass die bei uns und in Österreich angewendete Quellensteuer auch in anderen Ländern als effektiv angesehen wird. Ich gehe nicht davon aus, dass Luxemburg in dieser Frage isoliert ist. Ich glaube, dass man auch in dieser Frage europäisch denken muss. Wir finden auch, dass wir eine Kapitalflucht aus Europa unbedingt vermeiden sollten. Das ist für uns ein wichtiger Punkt, auf den es bei der Konkurrenzfähigkeit Luxemburgs und Europas in den nächsten Monaten zu achten gilt. Wir sind der Meinung, dass auch der Schutz der Privatsphäre in Drittländern diskutiert werden muss.

FAZ: Die OECD bescheinigt Ihnen ein "exzessives Bankgeheimnis". Wollen Sie daran in der aktuellen Form festhalten?

Luc Frieden: Ich glaube, dass das Bankgeheimnis in der Kombination mit der Quellensteuer sowohl den Bedürfnissen der Kunden als auch der Finanzminister Rechnung trägt.

FAZ: Also weiterhin keine Informationsweitergabe an die Steuerbehörden?

Luc Frieden: Das Regelwerk von 2003 ist gut. Damals haben alle zugestimmt. Auf das etablierte System des Bankkundengeheimnis wollen wir nicht verzichten.

FAZ: In der Liechtenstein-Krise fiel von deutscher Seite kaum das Wort Luxemburg. Im US-Wahlkampf wurde der luxemburgische Finanzplatz härter kritisiert. Spüren Sie einen Imageverlust?

Luc Frieden: Erfolg führt immer zu einem gewissen Neid. Ich möchte darüber sachliche Diskussionen mit unseren Freunden in Europa und den USA führen. Dort weiß man genau, dass das Bankgeheimnis aufgehoben wird, sobald es um kriminelle Machenschaften geht. Wir können also gute Gründe für das Gesetz geltend machen. Unsere Beziehungen sind ausgezeichnet, weil die ausländischen Banken in Luxemburg Tochtergesellschaften haben. Dort weiß man ganz genau, wie professionell die Bankgeschäfte in Luxemburg und wie gut die Überwachungssysteme sind.

FAZ: Das Abkommen von 2003 sieht einen Anstieg der Quellensteuer bis 2011 bis auf 35 Prozent vor. Das würde den Vermögensstandort Luxemburg unattraktiver machen. Verhandeln Sie jetzt nach?

Luc Frieden: Wir haben dem zugestimmt und werden uns daran halten. Im Übrigen ist abgemacht, dass drei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie ein Gutachten über das Funktionieren der Richtlinie gemacht wird. Ich bin etwas überrascht, dass einige schon jetzt ganz genau wissen, was geändert werden soll, ohne dass die Kommission gesagt hat, wie die Richtlinie eigentlich funktioniert. Ich bin gern bereit, über Änderungen zu diskutieren, aber erst auf Grundlage der Fakten. Diese sollen im Herbst kommen. Ich lade alle zu etwas Geduld ein und dazu, die qualitative und quantitative Bewertung der Ergebnisse durch Kommission und Rat abzuwarten.

FAZ: Der Finanzplatz hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Von den Euro-Bonds der 60er, über Private Banking in den 80ern zu Fonds seit den 90ern. Von Souveränitätsnischen in Kompetenznischen wollte sich Luxemburg entwickeln. Wer sind die Konkurrenten? Die großen Finanzplätze oder die kleineren Offshore-Zentren?

Luc Frieden: Wir kämpfen gegen niemanden, sondern für uns. Wir wollen einen international orientierten, stark diversifizierten Finanzplatz, der wegen seiner Offenheit und Fokus auf internationale Märkte als unumgänglich angesehen wird. Ich glaube nicht, dass es unser Ziel ist, andere wegzuschieben. Wir möchten durch ordentliche Rahmengegebenheiten und die besondere luxemburgische Geschichte ein wichtiger Akteur sein. In diesem Land finden Sie keinen nationalen, sondern natürlich einen europäischen Markt. Hier finden Sie die stärksten Befürworter Europas und Knowhow in vielen Bereichen, das nicht aus Luxemburg kommt, sondern aus vielen europäischen Ländern hier zusammengetragen wurde. Deshalb möchten wir auch jede einzelne dieser Sparten weiterentwickeln. Das ist der besondere Charakter dieses Finanzplatzes. Wenn andere das ähnlich machen wollen, sollen sie das tun. Ich glaube, dass in Europa Platz für mehrere Finanzplätze ist. Aber es gibt wenige, die so international sind wie wir - auch und gerade in der Gesetzgebung.

FAZ: Bisher hat Luxemburg Nackenschläge durch Neuausrichtungen kompensiert. Das eigentliche Geschäftsmodell?

Luc Frieden: Wir sind überzeugte Europäer und mögen die Konkurrenz. Konkurrenz zwingt uns dazu, uns immer wieder den Gegebenheiten anzupassen und nicht auf dem Lorbeer der Vergangenheit sitzenzubleiben, sondern diesen durch Arbeit und Weiterentwicklung aufrechtzuerhalten. Der Finanzplatz lebt zunehmend auch von Möglichkeiten außerhalb Europas. Etwa in Indien, China und den Golfstaaten. Ich glaube, dass sich hier sehr gute Möglichkeiten für die EU und damit auch für Luxemburg ergeben. Vor zehn Jahren sagte man durch die europäische Harmonisierung das Ende des luxemburgischen Finanzplatzes voraus. Heute hat sich die Anzahl der Arbeitskräfte verdoppelt. Auch die Summe der verwalteten Anlagevolumina hat substantiell zugenommen.

FAZ: Bislang ruht der Finanzplatz weitgehend auf Private Banking und Investmentfonds. Bei vielen kleineren Bereichen wie Pensionsfonds hat die geplante weitere Diversifikation nicht so funktioniert wie erhofft. Welche Felder sind für Sie Wachstumsträger der Zukunft?

Luc Frieden: Ich glaube, dass Investmentfonds und Vermögensverwaltung auch in den nächsten Jahren weiter wachsen werden. Ein Scheitern bei Pensionsfonds sehe ich nicht. Der Markt für internationale Pensionsfonds wird wachsen, wenn in den nächsten Jahren die steuerlichen Hürden wegfallen. Daneben gibt es eine Reihe kleinerer Bereiche, die man weiter entwickeln muss etwa das Pfandbriefgeschäft. Auch andere Typen von Fonds, die in der Summe alle kleiner bleiben werden, gehören dazu, ebenso Electronic Banking, Clearing und Settlement, eine relativ spezialisierte Börse. Ich würde sogar die Europäische Investitionsbank dazuzählen. Das alles gehört zum Gesamtbild des Finanzplatzes.

FAZ: Ein Blick auf die internationale Finanzkrise. Wie fällt Ihre erste Bilanz aus?

Luc Frieden: Im Vergleich zu anderen Finanzplätzen relativ gut. Es ist natürlich klar, dass sich die Ausläufer der Krise auch auf die Ergebnisse der Luxemburger Banken als Teil internationaler Konzerne auswirken werden. Wir gehen aber nicht von einer Katastrophe aus. Bislang hält sich die Wirkung in Grenzen. Ich bin relativ optimistisch, dass wir in der zweiten Jahreshälfte 2008 wieder einen Aufwärtstrend erleben werden, denn Vertrauenskrisen sind erfahrungsgemäß von begrenzter Dauer.

FAZ: In vielen Ländern ist von einer Konsolidierung des Bankensektors die Rede. Davon wäre Luxemburg in besonderer Weise betroffen. Bis auf vier Banken stammen alle Banken aus dem Ausland, ein Drittel aus Deutschland. Machen Sie sich Sorgen um die Arbeitsplätze?

Luc Frieden: Darin sehe ich überhaupt keine größere Gefahr. Auch in der Vergangenheit haben wir als internationaler Finanzplatz immer wieder Restrukturierungen erlebt. Daraus ergaben sich stets stärkere Akteure. Das sollten wir als etwas Natürliches ansehen. Das hat in der Vergangenheit nicht zu einem Weniger an Arbeitsplätzen geführt. In den vergangenen zwölf Monaten hatten wir einen Zuwachs an Arbeitsplätzen.

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