Jean Asselborn au sujet de la situation économique

Deutschlandfunk: Der luxemburgische Aussenminister und Vizepremier. Guten Morgen.

Jean Asselborn: Guten Morgen Herr Schütte.

Deutschlandfunk: Bei der Finanzkrise haben die EU-Länder noch mit einer Stimme gesprochen, bei der Wirtschaftskrise reden jetzt wieder alle durcheinander. Sieht so ein positives Signal für Europa aus?

Jean Asselborn: Herr Schütte, wir sollten jetzt nicht wieder die ganze Schuld auf die Europäische Union schieben. Wir hoffen dass das, was jetzt in der Europäischen Union trotzdem positiv war bei der Finanzkrise, dass das auch bei der Wirtschaftskrise zu bewältigen ist.

Das erste was man sagen muss, ist, dass wir wirtschaftspolitisch zwar den Euro in 15 Länder der 27 Mitgliedsstaaten haben, dass wir aber keine institutionalisierte, gemeinsame Wirtschaftspolitik haben. Um das allerdings vertraglich zu ändern, wissen Sie, müsste man Glück auf wünschen! Erinnern wir uns nur an den Verlauf der komplizierten Verhandlungsdiskussionen um den Lissabon-Vertrag. Das ist also ein Fakt.

Es ist lebenswichtig, dass wir in der Europäischen Union in Sachen Wirtschaftsfragen zusammen arbeiten. Wir müssen versuchen zuerst diese ganzen Verzerrungen auch wieder begradigen. Wirtschaftsregierung heisst für manche Abbau der Autorität der Zentralbank. Konjunkturprogramme heisst für die einen etwas sehr Positives, für die anderen Schulden für die kommenden Generationen. Als Deutsche könnte man gar sagen, "Deutschland bezahlt, die EU entscheidet".

Was wir jetzt brauchen, und daran glaube ich auch, ist, dass die Kommission ein Papier vorlegt, eine "Toolbox" wie das jetzt genannt wird, also eine "Geschirrkiste" wie bei der Finanzkrise, wo jeder national und auch europäisch das tun kann, oder tun soll was für Ihn, für sein wirtschaftliches Umfeld das Beste ist.

Deutschlandfunk: Herr Asselborn, reden wir noch einmal über die nationalen Projekte. Grossbritannien senkt Steuern, Deutschland gibt sich mit schnellen Entlastungen eher zurückhaltend. Welcher Weg führt Europa aus der Krise?

Jean Asselborn: Der Weg, der Europa aus der Krise führt, ist ein doppelter Weg. Zuerst gibt es die nationalen Massnahmen. Deutschland hat Nationalmassnahmen beschlossen und wird heute darüber im Bundestag reden. Die Engländer haben auch Massnahmen beschlossen. Ich habe Gordon Brown gehört. Man kann allerdings nicht die deutsche Wirtschaft gleichstellen mit der englischen Wirtschaft. Die englische Wirtschaft ist ja mehr auf Finanzdienstleistung aufgebaut. Die deutsche Wirtschaft mehr auf Produktion. Wenn die Engländer glauben, dass durch ihre Massnahmen Arbeitsplätze gerettet werden können, und dass der Konsum, sagen wir mal das böse Wort, "angetrieben" werden kann, und dass dies zum Vorteil Englands ist, dann sollen sie das tun. Sie dürfen aber nicht glauben, dass alle anderen in Europa das nachahmen. So geht das ja nicht.

Das was wichtig ist, ist dass die nationalen Massnahmen koordiniert werden mit den Wirtschaftslagen in den einzelnen Ländern. Und dann, dass wir uns jetzt aufgrund des Vorschlags der Kommission einen Weg finden, die europäischen Impulse auch anzubringen.

Und da ist das Papier von Aussenminister Steinmeier zum Beispiel ein sehr gutes Papier. Es zeigt, dass Beschäftigung Vorfahrt hat, und dass man rasch reagieren muss. Energieinfrastrukturen, Breitbandinfrastrukturen sind Infrastrukturen, die zeitig vorgezogen werden können. Desweiteren brauchen wir eine Forschungsoffensive, damit auch die protektionistischen Tendenzen, und da denke ich vor allem an die DOHA-Runde, abgeschafft werden.

Ich glaube, dass Europa sich genau darauf konzentrieren muss, um auch den Konsumenten, um den Arbeitnehmer zu zeigen, dass reagiert wird. Denn ein Europa was nicht reagieren würde, weder national noch europäisch, das wäre höchst bedenklich.

Deutschlandfunk: In diesem Papier, das Sie ansprechen, schlägt Herr Steinmeier auch vor, eine engere Abstimmung der Wirtschafts- und Finanzpolitik aller Länder in der Eurozone. Damit kommt er ein bisschen der Forderung Frankreichs nach einer Wirtschaftsregierung entgegen. Ein Papier, das mit der Kanzlerin im übrigen auch nicht abgestimmt war. War das ein glücklicher Vorstoss?

Jean Asselborn: Also, ich bin ein kleiner Luxemburger, und ich werde mich hüten, mich in die grosse deutsche Politik einzumischen.

Was ich nur sagen kann, ist, dass dieses Papier für mich auf jeden Fall sehr positiv ist. Etwas was allerdings nicht direkt darin steht, welches aber darin "gedacht" wurde, ist dass der Stabilitätspakt, der 2005 unter dem Impuls von unserem Premierminister Jean-Claude Juncker reformiert wurde, und die Vorschläge der Kommission voll ausgeschöpft werden, ohne dabei das Prinzip in Frage zu stellen.

Ich habe gelesen, dass in Grossbritannien die Verschuldung jetzt bei 3% liegt. Sie könnte sich verdoppeln, wenn all diese Massnahmen jetzt nicht ergriffen würden.

Ich glaube auch hier ist beim Stabilitätspakt sehr darauf zu achten, dass wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, die sich uns anbieten, aber dass wir das Prinzip nicht auf den Kopf stellen.

Deutschlandfunk: Das heisst, Brüssel sollte kein Auge zudrücken, wenn die Euroländer, Grossbritannien ist ja kein Euroland, in den Euroländern die Maastrichter Kriterien gefährden, also mehr neue Schulden aufnehmen als die berühmten 3% des Bruttoinlandprodukts.

Jean Asselborn: Ja, die 3%, glaube ich, werden in einzelnen Ländern überschritten werden.

Deutschlandfunk: Auch in Deutschland?

Jean Asselborn: Das glaube ich nicht, denn zurzeit sieht es nicht danach aus, aber es sieht so aus, dass in einzelnen Ländern diese 3% überschritten werden. Das ist auch keine Katastrophe. Es geht ja darum, um es einmal auf luxemburger-deutsch zu sagen, dass für diese Länder, die Rückführung nicht in einem Jahr direkt geschehen muss, sondern dass diese Rückfahrt länger dauern kann. Das wäre ja auch ein Vorteil für die Länder, die jetzt grosse Schwierigkeiten haben, diese 3% zu beachten.

Deutschlandfunk: Sie plädieren auf eine europäische Lösung. Die Kanzlerin hat sich aber festgelegt nationale Rettungspakete haben Vorrang, erst dann geht es um ein abgestimmtes europäisches Vorgehen. Ist das die richtige Reihenfolge?

Jean Asselborn: Ich glaube, dass das eine ohne das andere überhaupt nicht funktioniert. Die nationalen Massnahmen, das haben wir gesagt, müssen getroffen werden, aber es kommt auch auf europäische Impulse an. Und Sie werden sehen, dass die Kommission sich morgen, ich bin zwar kein Hellseher, aber sie wird sich morgen bestimmt auf drei Punkte konzentrieren.

Erstens, der Punkt den ich vorhin schon aufgeführt habe zum Stabilitätspakt. Dann zweitens, wird die Kommission auf die Strukturfonds, die bestehen, der Sozialfond hinweisen, und andeuten, dass die benützt werden können, um die Investitionsprojekte vorzuziehen. Dazu braucht man kein neues Geld, sondern das Geld was schon vorhanden ist. Man könnte dies vielleicht vorziehen, das wäre wichtig. Und dann der dritte Punkt ist, dass die europäische Investionsbank Kredite gewährt, um Klimainfrastrukturen, Energieinfrastrukturen, Infrastrukturprojekten und moderne Technologien zu finanzieren.

Deutschlandfunk: Stichwort Klimaschutz. Das haben Sie jetzt erwähnt, ich möchte das einmal aufgreifen. Die grossen Autonationen der EU sind sich einig, sie wollen den Autokonzernen etwas mehr Zeit geben, umweltfreundlichere Wagen zu bauen. Verbindliche Höchstgrenzen für CO2-Ausstoss ja, aber schrittweise. Ist das der richtige Umgang, die richtige Haltung gegenüber den Autokonzernen?

Jean Asselborn: Europa steht zurzeit unter Druck durch dieses amerikanische Projekt von 25 Milliarden, welche investiert werden, um die Autoindustrie in Amerika zu subventionieren. Wenn wir in Europa, das hat Präsident Sarkozy ja gestern noch gesagt, die Umweltauflagen für die Autoindustrie verschärfen, dann wird das Resultat eine Konkurrenzverzerrung sein. Ich glaube, man sollte es nicht so sehen.

Wenn ich mir erlauben darf, zum Thema Autoindustrie, vielleicht mit Blick von jenseits der Mosel, ein Wort zu Deutschland zu sagen. Denken wir an die Debatte über das Tempolimit:, ich glaube Deutschland ist das einzige Land in der Europäischen Union, wo es kein Tempolimit gibt. Dann versteht man vielleicht besser den Bezug des Deutschen zum Auto, und auch das Gewicht der Autobranche in Deutschland (ënnerbrach).

Deutschlandfunk: Ist die deutsche Politik zu nachsichtig?

Jean Asselborn: Ich glaube, dass in Deutschland, im Gegenteil zu, sagen wir einmal Frankreich, Italien, Spanien, wo die Lebensauffassung etwas "entkrampfter" ist, dass hier Autos schon viel früher gebaut wurden, die im Spritverbrauch, im Ausstoss von Gasen, viel mehr dem entgegenkommen was wir brauchen.

Das ist ein wenig paradoxal, denn Deutschland ist führend in ökologischen Fragen, in der ökologischen Einstellung. Und darum glaube ich, muss umgedacht werden. Und es wäre falsch, und das sagen ja auch die Kanzlerin und andere Politiker in Deutschland, dass jetzt mit der Giesskanne die Autobranche subventioniert werden würde. Man muss jetzt versuchen in die richtige Richtung zu investieren. Natürlich bringt dies wiederum einem Opel-Arbeiter, der seinen Arbeitsplatz zu verlieren riskiert, nicht ganz viel. Das muss man auch verstehen.(ënnerbrach).

Deutschlandfunk: Sie sagen, nicht mit der Giesskanne. Was bedeutet das zum Beispiel für die Bürgschaft, die die Bundesregierung prüft, ob es staatliche Hilfen geben soll. Sollte das an Bedingungen geknüpft sein?

Jean Asselborn: In Luxemburg, um dieses Beispiel zu geben, produzieren wir keine Autos, aber was unser Umweltminister gemacht hat und was unsere Regierung schon vor einiger Zeit vorgeschlagen hat, ist, dass für Autos die weniger als 120 Gramm (CO2/km) ausstossen, dass die Käufer eine Subvention von 750 Euro pro Auto bekommen. Das ist ein sehr positiver Impuls gewesen, um die Leute dazu zu bringen Autos zu kaufen die wirklich umweltfreundlicher sind. Ich sage jetzt nicht, dass das die Lösung ist, aber das ist ein Impuls, den man geben kann, auch vielleicht in einem grossen Land wie Deutschland, um auf eine andere Schiene zu kommen.

Deutschlandfunk: Jean Asselborn, luxemburgischer Aussenminister und Vizepremier, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Jean Asselborn: Bitte Herr Schütte.

Dernière mise à jour