"Die Dramatik hat nachgelassen", Jeannot Krecké au sujet de la situation économique actuelle et de la diversification de l'économie luxembourgeoise

Jenni Glaser: Herr Minister, ist der Wirtschaftsraum Luxemburg für die aktuellen Herausforderungen der Weltwirtschaft gut gerüstet?

Jeannot Krecké: Wir haben den Einbruch der Weltwirtschaft vor allem in den exportabhängigen Teilen unserer Wirtschaft zu spüren bekommen. Ich denke aber, dass die Dramatik nachgelassen hat. Wir haben in Luxemburg seit Jahren eine vorsichtige Haushaltspolitik betrieben, indem wir in den Jahren mit starkem Wirtschaftswachstum Rücklagen gebildet haben. Diese erlauben uns jetzt, ein starkes Konjunkturprogramm auf die Beine zu stellen. Trotzdem müssen wir dieses Jahr mit einem Minus von etwa drei Prozent in der Staatskasse rechnen.

Jenni Glaser: Welches sind für Sie die wichtigsten Standortfaktoren und Kernkompetenzen, die das Land von anderen unterscheiden?

Jeannot Krecké: Die Sprachenvielfalt und die ideale geografische Lage im Herzen Europas zählen sicherlich zu den wichtigsten Standortfaktoren. Wir werben verstärkt für den Standort, indem wir die hohen Investitionen der Regierung in die ITund Telekommunikations-Infrastruktur hervorheben. Wir arbeiten auch ständig daran, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so wirtschaftsfreundlich wie möglich zu gestalten. All dies trägt dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit weiter auszubauen.

Jenni Glaser: Was glauben Sie: Wird die Lockerung des Bankgeheimnisses den Finanzplatz Luxemburg gravierend verändern?

Jeannot Krecké: Ich sehe die Zukunft des Finanzplatzes durchaus positiv. Im Privatbankgeschäft bieten wir hervorragenden Service durch kompetente Mitarbeiter und innovative Produkte. Wir haben uns bereiterklärt, den Informationsaustausch auf Anfrage, wie er von den OECD-Standards vorgegeben wird, aufzunehmen. Das Privatkundengeschäft ist sicherlich wichtig - Luxemburg darauf zu reduzieren allerdings grundlegend falsch. Bei Investmentfonds sind wir weltweit Nummer zwei und sogar führend bei international vertriebenen Fonds.

Jenni Glaser: Welche Maßnahmen ergreifen Sie konkret, um die Wirtschaft zu diversifizieren?

Jeannot Krecké: Die starke Konzentration unseres Wachstums auf einen einzelnen Sektor macht ein Land anfällig. Deshalb verfolgen wir eine sogenannte multisektorielle Spezialisation: Wir wählen einige wenige Nischenaktivitäten aus, die wir verstärkt fördern und entwickeln. Seit meinem Amtsantritt 2004 hat die Regierung drei Aktionspläne ausgearbeitet und ist nun dabei, sie mit Erfolg umzusetzen. Sie betreffen ganz unterschiedliche Bereiche: Logistik, Umwelttechnologie und Gesundheitswissenschaften.

Jenni Glaser: Wie sehen die Maßnahmen bei den Gesundheitswissenschaften aus?

Jeannot Krecké: Wir arbeiten mit drei weltweit führenden Forschungszentren aus den Vereinigten Staaten zusammen und leisten eine öffentliche Anschubförderung von 140 Millionen Euro. Ende April wurde der Grundstein der International Biobank of Luxembourg gelegt. Mehrere Unternehmen haben bereits ihr Interesse angekündigt und planen, sich in Luxemburg niederzulassen.

Jenni Glaser: Wie stellt sich speziell die Logistikbranche auf den aktuellen wirtschaftlichen Negativtrend ein?

Jeannot Krecké: Wenn weniger Waren verbraucht werden, müssen auch weniger Waren von A nach B gebracht werden. Es ist jedoch auch klar, dass bei anspringender Konjunktur wieder Waren befördert werden müssen. Somit ist die Branche in ihrem Grundwesen zukunftssicher, auch wenn das nicht für jedes Unternehmen zutrifft. Die Regierung greift betroffenen Firmen unter die Arme, damit sie ihre Mitarbeiter halten können und diese zur Verfügung stehen, sobald sich die Weltwirtschaftslage bessert.

Jenni Glaser: Wie wird der Aktionsplan "Umwelttechnologie" umgesetzt?

Jeannot Krecké: Erstens unterstützen wir Unternehmen, die umweltfreundliche Produkte oder Technologien entwickeln oder sich in diese Richtung bewegen wollen. Zweitens wollen wir alle Wirtschaftsakteure motivieren, verstärkt auf umweltschonende Technik zurückzugreifen. Schließlich wollen wir die Forschung vorantreiben und stellen dafür mehr öffentliche Gelder zur Verfügung. Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Situation auf dem Binnenmarkt ein? Unser Binnenmarkt ist mit ungefähr einer halben Million Verbrauchern sehr klein, und nur wenige Branchen sind exklusiv hier tätig. Der Einzelhandel spürt die Krise zwar, aber ich habe bislang nicht den Eindruck, dass die gesamte Branche wirklich leidet. Es leidet vor allem die Industrie, denn sie hat kaum Absatzmöglichkeiten in Luxemburg und ist von der Nachfrage im Ausland abhängig.

Jenni Glaser: Für 2009 rechnen Sie mit einer Rezession. Wann wird es Ihrer Meinung nach wieder bergauf gehen?

Jeannot Krecké: Ich denke, dass wir Mitte dieses Jahres den absoluten Tiefpunkt erreicht haben werden. Für das Jahr 2010 bin ich eher optimistisch: Es besteht Hoffnung, dass es langsam wieder bergauf gehen wird, auch wenn wir wohl nicht sofort die gleiche Wirtschaftsleistung wie 2007 erreichen werden.

Jenni Glaser: Was meinen Sie: Welche drei Haupteigenschaften schreibt das Ausland dem Wirtschaftsraum Luxemburg zu?

Jeannot Krecké: Erstens: ein idealer, mehrsprachiger Industriestandort im Herzen Europas, von dem aus innerhalb einer Tagesfahrt 80 Prozent der Europäischen Union zu erreichen sind. Zweitens: ein Finanzzentrum, das auf Kompetenz, Solidität und Innovation baut und durch Qualität und Leistung überzeugt. Drittens: ein stabiles Umfeld ohne abrupte politische Kurswechsel oder soziale Konflikte, das den Unternehmen einen offenen, lösungsorientierten Dialog mit Politik und Verwaltung gewährleistet.

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