Jean-Claude Juncker au sujet d'une gouvernance économique renforcée et du pacte pour l'euro plus

Silvia Engels: Das sind ja durchaus beachtliche Verhandlungsergebnisse. Man hat sich auf die Perspektive für die Euro-Stabilisierung geeinigt. Aber der deutsche Steuerzahler, der sorgt sich natürlich, dass er nun demnächst, wenn auch zeitlich gestaffelt, 22 Milliarden Euro in den Kapitalstock zahlen soll für den neuen Krisenmechanismus. Was sagen Sie dem Steuerzahler, dass er nun künftig für Schuldenstaaten der EU zahlen muss, und zwar für immer?

Jean-Claude Juncker: Ich sage dem deutschen Steuerzahler zuerst, dass er nicht der einzige Steuerzahler in der Europäischen Union und in der Eurozone ist, dessen Beitrag hier notwendig sein wird. Die Debatte in Deutschland läuft so, als ob hier nur Deutschland einspringen würde für sogenannte klamme Staaten. Und allen Steuerzahlern in der Eurozone sage ich, dass in der Eurozone eine Schnittmenge erreicht werden muss zwischen der Solidaritätsbereitschaft vernünftig wirtschaftender Staaten und der Soliditätsleistung der Staaten, die in der Vergangenheit zu lasch mit ihren öffentlichen Finanzen umgesprungen sind, und aus diesem Mixtum compositum von Solidität und Solidarität ergibt sich die Geschäftslage, auf die wir uns zubewegen.

Silvia Engels: Ist das denn nicht de facto die Transferunion von den reichen an die hoch verschuldeten Euro-Länder, die man eigentlich nie wollte?

Jean-Claude Juncker: Nicht jede Geste der Solidarität und nicht jedes Mitmachen in einem Solidarwerk zur Erhaltung der Finanzstabilität in der Eurozone ist gleichzusetzen mit einer Transferunion. Es wird ja hier nicht einfach Geld über die Theke geschoben, sondern wenn es zur Hilfestellung, zur Inanspruchnahme der Hilfestellung des dauerhaften Krisenmechanismus kommt, wird nur dann geholfen, wenn auf der Nehmerseite, wenn ich mich so ausdrücken darf, die Bereitschaft besteht, die verabredete Bereitschaft besteht, ein sehr solides Konsolidierungsprogramm vorzulegen. Es kommt also nicht einfach zu, um es salopp zu sagen, Geldschieberei; es kommt zu einem wirtschaftspolitisch fein abgestuften Konsolidierungsprogramm, das als Vorleistung erbracht werden muss.

Silvia Engels: Sie sprechen es an, Herr Juncker: Der neue Pakt, das neue Abkommen sieht auch vor, dass man eben die Staaten, die sich zu stark verschuldet hatten, in den Haushaltsbewegungen diszipliniert. Aber automatische Sanktionen bei Verstößen hat man im Vorfeld ausgeklammert. Die Haushaltskontrolle ist auch nicht so scharf, wie sich das einige gewünscht hätten. Macht man es da undisziplinierten Staaten auch in Zukunft zu leicht?

Jean-Claude Juncker: Ich hatte mir etwas strengere Sanktionsregelungen automatischen Zuschnittes gewünscht. Dies konnten einige Mitgliedsstaaten so nicht mittragen. Aber ich mache darauf aufmerksam, dass wir vor dem 11. März entschieden hatten, dass wenn die Kommission Sanktionen gegen Mitgliedsstaaten vorschlägt, der Rat diesen im Prinzip zustimmt und schriftlich begründen muss, wenn er sich nicht auf derselben Linie zu bewegen gedenkt als die Kommission. Dies wird, wenn es zu Sanktionen kommt und zu Sanktionsandrohungen kommt, für den betroffenen Staat mit größten Unannehmlichkeiten verbunden sein. Der Pakt hat einige zusätzliche Zähne gekriegt, die Sanktionen werden quasi automatisch und der gesamte Pakt wird griffiger und zubeißender, als er in der Vergangenheit war. Also man sollte die Reform des Stabilitätspaktes nicht unterbewerten.

Silvia Engels: Herr Juncker, das sind ja Regelungen, über die wir sprechen, die ab 2013 greifen. Nun haben wir ja schon einen bestehenden Rettungsschirm; der hat bis jetzt 440 Milliarden Euro an Garantien bereitgestellt, konnte aber nur 250 Milliarden davon ausgeben, um eben diesen hohen Bonitätsstatus des Gesamtfonds nicht zu gefährden. Ab Juni, so war nun zu vernehmen, soll dieser nun aufgestockt werden. Das bedeutet doch de facto, dass, wenn künftig der Fonds 440 Milliarden auch tatsächlich ausgeben soll, die Garantien erhöht werden müssen. Wie viel muss Deutschland daran tragen?

Jean-Claude Juncker: Er soll bis zum Juni diesen Jahres auf 440 Milliarden erhöht werden können, weil wir diese effektive Anleihekapazität von 440 Milliarden brauchen. Aber wir haben nicht beschlossen, dass er diese Garantien auch nutzen wird. Dies ist nur die Bereitstellung einer Summe, eines Volumens, die den Märkten bedeuten soll, dass wir fest entschlossen sind, kein Mitgliedsland der Europäischen Union sich selbst zu überlassen, sondern dass wir in solidarischer und solider Art und Weise diesem Mitgliedsland, wenn es denn in diese Lage käme, beispringen werden. Es handelt sich hier um keinen neuen Beschluss, der in der Nacht geboren worden wäre. Genau die Festlegung, dass bis zum Juni das Kreditvolumen des Rettungsfonds aufgestockt werden sollte, haben die Finanzminister der Eurozone schon am vergangenen Montag beschlossen.

Silvia Engels: Aber gerade die Märkte wollen ja gewiss wissen, wie viele Milliarden tatsächlich an neuen Garantien dafür bereitstehen, damit man eben die Ausgabesumme von maximal 440 Milliarden Euro erreicht. Da wird doch über Zahlen gesprochen, da wird doch gefragt, wie viel muss Deutschland an neuen Garantien zahlen.

Jean-Claude Juncker: Ich wundere mich über die Beharrlichkeit, mit der man Deutschland sich immer nur für die deutschen Beiträge interessiert.

Silvia Engels: Na gut! Sagen Sie, wie viel insgesamt dazukommen muss.

Jean-Claude Juncker: Ja. Von 250 auf 440, das ist die Rechnung, die gemacht werden muss.

Silvia Engels: Aber im Hintergrund muss doch mehr stehen, denn nach wie vor muss ja auch der Fonds eine Summe in Petto behalten an Garantien, um eben die höchste Bonität zu halten?

Jean-Claude Juncker: Wir werden dafür Sorge tragen, dass die Finanzkapazität auf 440 Milliarden effektive Anleihekapazität erhöht wird. Dies bedingt eine Aufstockung, aber dies bedingt nicht eine massiven Aufstockung.

Silvia Engels: Und wie der Schlüssel dazu aussieht, wer was trägt, dazu wollen Sie noch nichts sagen?

Jean-Claude Juncker: Was den Rettungsfonds anbelangt, den Rettungsfonds von 440 Milliarden, so wird der Einzahlungsschlüssel genau dem Beteiligungsschlüssel am Kapital der Europäischen Zentralbank entsprechen. Das ist genau die Festlegung, die wir im Mai letzten Jahres getroffen haben, als wir den ersten Rettungsfonds auf den Weg schickten.

Silvia Engels: Aber festhalten können wir schon, dass die Beitragszahler, darunter Deutschland, die Garantien erhöhen werden?

Jean-Claude Juncker: Ja! Das ist so und das betrifft nicht nur Deutschland und nicht nur die Triple-A-Staaten, also die sechs Staaten der Eurozone mit gehobener Bonität; das betrifft alle Mitgliedsstaaten der Eurozone.

Silvia Engels: Nun haben wir ja einen Kandidaten, nämlich leider Portugal, der den bestehenden Rettungsschirm möglicherweise bald in Anspruch nehmen muss. War dazu in der Sitzung schon etwas zu hören, wann es so weit sein wird?

Jean-Claude Juncker: Ich gehe nicht davon aus und es gibt auch keine Hinweise in die Richtung, dass Portugal einen Antrag auf finanziellen Beistand stellen wird. Die Lage in Portugal ist natürlich sehr kompliziert, dadurch, dass das Sparprogramm, das die austretende portugiesische Regierung vorgelegt hatte, vom Parlament zurückgewiesen wurde. Aber nichts deutet darauf hin, dass jetzt in Kürze ein portugiesischer Antrag gestellt würde. Es ist auch nicht unsere Sache, die Portugiesen zu bitten, dass sie einen Antrag stellen sollten. Dies ist Sache der portugiesischen Regierung.

Silvia Engels: Aber, Herr Juncker, Ministerpräsident Sokrates in Portugal ist im Ringen darum, sein Sparpaket durchzusetzen, mit dem er ja die Inanspruchnahme europäischer Hilfe noch verhindern wollte, gescheitert und um sein Amt gekommen. Da ist doch abzusehen, dass die Märkte den Druck auf Portugal erhöhen. Können Sie wirklich sagen, Portugal hat kein Problem?

Jean-Claude Juncker: Nein, das sage ich nicht. Also ich möchte ja die Zuhörer nicht an der Nase herumführen. Portugal hat selbstverständlich ein Problem, und wir haben in Gesprächen sowohl mit dem austretenden portugiesischen Premierminister als auch mit dem Oppositionschef in Portugal deutlich gemacht, dass Portugal selbstverständlich seinen Haushaltskonsolidierungskurs fortsetzen muss. Und in einem längeren Gespräch, das ich mit dem portugiesischen Oppositionschef hatte, wurde deutlich, dass auch eine zukünftige portugiesische Regierung, die andere Mehrheitsverhältnisse kennen würde, dafür Sorge tragen wird und Sorge tragen muss, dass die Haushaltsziele, die verabredet worden sind, strikt eingehalten werden. Das heißt, egal wer an den Schalthebeln der Macht in Lissabon sitzen wird, weiß und muss wissen, dass die genannten Haushaltsziele strikt zu respektieren sind. Das heißt, jede portugiesische Regierung wird dafür Sorge tragen müssen, dass das Haushaltsdefizit auf 4,6 Prozent des portugiesischen Bruttoinlandsprodukts in 2011 abgesenkt werden muss, auf drei Prozent 2012 und auf zwei Prozent 2013. Der portugiesische Oppositionschef weiß, dass, falls er die Macht übernähme, er sich genau mit dieser Aufgabe konfrontiert sieht, und hat auch in Einzelgesprächen versprochen, dass er sich an diese Haushaltsvorgaben halten wird. Der Streit in Portugal ist ein Streit über die Details des Konsolidierungsprogramms, nicht über die Stoßrichtung und nicht über die Zielmenge.

Silvia Engels: Der Premierminister von Luxemburg und Vorsitzender der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker. Vielen Dank für das Gespräch heute Früh.

Jean-Claude Juncker: Ich danke Ihnen.

Dernière mise à jour