Xavier Bettel au sujet de son nouveau rôle en tant que Premier ministre

Luxemburger Wort: Herr Bettel, wie fühlen Sie sich als Premierminister?

Xavier Bettel: Mir geht es gut. Der Druck der Wahikampagne und der Koalitionsverhandlungen ist nun vorbei. Nun entsteht aber ein anderer Druck, jetzt kommen die Dossiers, die wir angehen müssen. Ich weiß, dass ich am 19. und 20. Dezember beim Gipfel in Brüssel die Interessen des Landes verteidigen muss. Ich werde natürlich die Engagements, die die alte Regierung eingegangen ist, respektieren. Das werden sicherlich nicht die amüsantesten Stunden meines Lebens.

Luxemburger Wort: Die Koalition steht. Die Regierung ist, wie man so schön sagt, zum Erfolg verdammt. Macht Ihnen das Angst?

Xavier Bettel: Nein, Angst habe ich nicht. Allerdings gebe ich offen zu, dass ich mir in den letzten Wochen die Frage gestellt habe: Bist du fähig, diesen Job zu machen? Ich habe mir diese Frage übrigens auch gestellt, als ich mein Amt als Bürgermeister antrat. Als ich sah, wie geschlossen die Regierungsmannschaft dasteht, stand für mich fest: Das wird funktionieren. "Zum Erfolg verdammt" trifft es nicht. Wir haben den Willen zum Erfolg. Wir wollen beweisen, dass wir das Vertrauen der Wähler ernst nehmen. Die größte Herausforderung in den kommenden Wochen besteht darin, die Menschen wieder zusammenzubringen.

Luxemburger Wort: Wäre die Dreier-Koalition ohne die Srel-Affäre überhaupt möglich gewesen? Immerhin hat sie die Parteien zusammengeschweißt...

Xavier Bettel: Die Srel-Affäre hat uns näher zusammengebracht, zusammengeschweißt würde ich nicht sagen. Wir haben vor den Wahlen nichts ausgeschlossen, doch am Ende hat das Wahlresultat diese Koalition möglich gemacht. Ich habe vor den Wahlen gesagt, dass ich nicht in die Regierung will, außer, ich würde sie bilden, doch ich habe, ehrlich gesagt, nicht damit gerechnet. Das sollte nicht als Überheblichkeit verstanden werden. Ich war sehr glücklich als Bürgermeister und es fiel mir schwer, Abschied zu nehmen. Ich weiß nicht, was mich erwartet, doch ich hoffe, dass ich an meinem neuen Job genau so viel Freude habe werde wie als Bürgermeister.

Luxemburger Wort: Eine Dreierkoalition ist für Luxemburg ein absolutes Novum. Wann stand fest, dass DP, ISAP und Grüne gemeinsam eine Regierung bilden wollen?

Xavier Bettel: Die ersten Gespräche fanden noch am Wahlabend statt. Allerdings hatten wir bereits während des Wahlkampfes über die Möglichkeit eines Dreierbündnisses diskutiert. Auch mit der CSV hatten wir Gespräche. Einen Tag nach den Wahlen habe ich von den Parteigremien grünes Licht für Sondierungsgespräche bekommen. Bei den ersten Treffen haben wir zunächst ausgelotet, wo die Knackpunkte sind. Ich wäre nämlich keine Koalitionsgespräche eingegangen, wenn sich gleich zu Beginn herausgestellt hätte, dass bei verschiedenen. Punkten keine Einigung möglich ist.

Luxemburger Wort: Die drei Parteien hatten sich im Vorfeld aber sicherlich über die Bedingungen ausgetauscht, die erfüllt sein mussten, um überhaupt das Wagnis einer Dreierkoalition einzugehen Mit 31 Sitzen verfügt man im Parlament über eine Mehrheit. Doch ich muss ehrlich sagen, mit 31 Mandaten wäre ich nie eine Koalition mit der LSAP und den Grünen eingegangen. Auch 32 Sitze sind alles andere als eine komfortable Mehrheit. Eine knappe Mehrheit kann aber dazu führen, dass die drei Partner enger zusammenrücken. Solide Mehrheiten können zur Folge haben, dass sich die einzelnen Parteien zu sicher fühlen. Die knappe Mehrheit bedeutet auch, dass man im Vorfeld sehr eng mit den Fraktionen zusammenarbeiten muss. Wir können nicht hingehen und den Abgeordneten sagen, das ist jetzt so, weil die Regierung es so beschlossen hat. Wir haben uns auf ein Koalitionsabkommen verständigt und wir müssen den Inhalt auch umsetzen. Es werden aber sicherlich Dossiers auf uns zu kommen, die im Regierungsprogramm nicht berücksichtigt wurden. Und genau hier wird es sehr wichtig sein, die Fraktionen einzubinden.

Luxemburger Wort: Das neue Kabinett ist mit 15 Ministern und drei Staatssekretären eines der größten, die es je gab. Ist die Größe dem Proporz und der Frauenquote geschuldet?

Xavier Bettel: Das Land durchlebt im Moment äußerst schwierige Zeiten. Uns war von Anfang an daran gelegen, ganz große Ministerien zu schaffen. Mit den Ministerien von Etienne Schneider, Franois Bausch, Claude Meisch und Carole Dieschbourg und den Staatssekretären Francine Closener, Camille Gira und Andr Bauler haben wir sehr umfangreiche Ressorts geschaffen. Im Wahlkampf wurde über die politischen Beamten diskutiert, die einer Verwaltung vorstehen könnten. Das aktuelle Statut lässt dies allerdings nicht zu. Deshalb haben wir uns für die Funktion des Staatssekretärs entschieden, der ein Ministerium geschäftsführend leiten kann. Die Staatssekretäre sind für das gesamte Ressort zuständig und nicht nur für einen Teilbereich. Sie sind gewissermaßen die Chefs der Verwaltungen, und sie verlassen das Ministerium, wenn der Ressortminister wechselt. Der Staatssekretär ist eigentlich eine Mischung aus dem im Wahlkampf thematisierten politischen Beamten und einem stellvertretenden Minister. In Deutschland spricht man von einem parlamentarischen Staatssekretär.

Luxemburger Wort: Auf den Kongressen, aber auch aus den Oppositionsreihen kam Kritik, weil das Abkommen nicht veröffentlicht werden sollte. Ihnen wurde Mangel an Transparenz vorgeworfen. Etienne Schneider hat eingeräumt, dass es ein Fehler war. War es das auch in Ihren Augen?

Xavier Bettel: Am Freitag stand der Vertrag, doch er musste noch korrigiert werden. Die Korrekturen haben wir übers Wochenende gemacht. Dann haben einzelne Parteien eine Zusammenfassung veröffentlicht. Eine Zusammenfassung ist aber nicht immer objektiv in der Gesamtheit und führt zu Interpretationen. Wir wollten nicht, dass tagelang interpretiert wird in die eine oder die andere Richtung, ohne zu wissen, was tatsächlich stimmt. Andererseits wollte ich, aus institutionellen Gründen, dem Parlament den Vorzug lassen. Doch das wurde interpretiert, als hätten wir etwas zu verbergen, was nicht der Fall war. Wir leben heute in einer Gesellschaft, die unverzüglich informiert werden will. Deshalb steht für mich fest, dass wir, sollten wir in fünf Jahren erneut ein Regierungsabkommen ausarbeiten, den fehlerfreien Text sofort veröffentlichen müssen. Dann haben auch die Parteien Zeit, sich damit auseinanderzusetzen.

Luxemburger Wort: Die DP wurde kritisiert, weil sie auf einen Außenstehenden, in diesem Fall Pierre Gramegna, zurückgriff, um den Finanzposten zu besetzen. Warum hat Claude Meisch diese Aufgabe nicht übernommen?

Xavier Bettel: Zunächst einmal ist Pierre Gramegna DP-Mitglied. Er kommt also aus unseren Reihen. Dann hat Claude Meisch mir bereits vor Wochen mitgeteilt, dass er Interesse an einem großen Ministerium wie dem Bildungsministerium und kein Interesse am Finanzressort habe. Dann muss man eben jemand anderen finden. Pierre Gramegna hat viele Qualitäten, die mir sehr wichtig erschienen. Er ist Ökonom und Jurist und erfüllt somit Bedingungen, die in der Finanzwelt von großer Bedeutung sind. Pierre Gramegna ist auch Diplomat und hat dieses Fingerspitzengefühl, das man auf dem internationalen Parkett braucht. Ich schätze ihn sehr, weil er jemand ist, der sagt, wofür er steht, und versucht, die Dinge zu erklären. Er schien mir die geeignete Person für den Finanzposten zu sein. Es gab eine Reihe von Leuten in unserer Partei, die den Finanzministerposten gerne übernommen hätten, doch als Formateur und als Parteipräsident habe ich die Verantwortung, eine Mannschaft zusammenzustellen und sicherzustellen, dass die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle sind.

Luxemburger Wort: Die Dreierkoalition stößt nicht überall auf Begeisterung, vor allem weil die CSV als stärkste Fraktion in die Opposition gedrängt wurde. Besteht nicht die Gefahr, dass die Gesellschaft dadurch gespalten wird?

Xavier Bettel: In den ersten Tagen waren viele Bürger schockiert, weil sie sich nicht vorstellen konnten, wie man ein Land ohne die CSV regieren kann. Die Demokatie profitiert aber von einem Wechsel. Auch wenn einige Themen etwa das Verhältnis zwischen Staat und Kirche - polarisieren, so ist es nicht die Absicht der neuen Regierung, das Land zu spalten. Ich will auch nicht, dass die Menschen das Geflihl haben, dass es zu einer Trennung zwischen Arm und Reich kommen wird. Wir müssen alle solidarisch sein, um das Land gemeinsam voranzubringen. Der Zusammenhalt wird am 10. Dezember auch das Hauptthema meiner Rede vor dem Parlament sein. Meiner Einschätzung nach hat sich die Stimmung schon etwas gewandelt. Viele Bürger, die am Anfang schlicht Probleme mit einer Dreierkoalition hatten, sehen die neue Regierung nun differenzierter und wollen uns eine Chance geben. Wenn ich allerdings das Verhalten von einigen CSV-Verantwortlichen unmittelbar nach dem 20. Oktober analysiere, muss ich feststellen, dass sie immer noch nicht verstanden haben, dass man auch kleineren Parteien Respekt entgegenbringen muss. Die CSV sollte darüber nachdenken, wieso keine der Parteien, mit denen eine Mehrheit rein rechnerisch möglich gewesen wäre, mit ihr verhandeln wollte. Ich bin allerdings fest überzeugt, dass ich mit Jean-Claude Juncker im Parlament einen fairen Partner haben werde, mit dem eine konstruktive Zusammenarbeit möglich ist. Ich bin mir auch sicher, dass ich ihn in komplizierten Dossiers jederzeit um Rat fragen kann. Diese Regierung wird ihn unterstützen, wenn sich für ihn die Chance ergibt, die Interessen des Landes auf europäischer Ebene zu vertreten.

Luxemburger Wort: Die katholische Kirche hat vor zwei Tagen die Ergebnisse einer Umfrage zum Religionsunterricht veröf fentlicht. Ist mit Ihrer Regierung die Abschaffung des Religionsunterrichts noch aufzuhalten?

Xavier Bettel: Wie ich schon vorhin gesagt habe, ist es nicht meine Absicht, das Land zu spalten, doch wir müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass wir in einer pluralistischen Gesellschaft leben, in der die verschiedenen Religionen ihren Platz haben. Der Religionsunterricht bleibt nicht in seiner aktuellen Form bestehen. Ich werde das natürlich mit den Kultusgemeinschaften besprechen, doch im Regierungsabkommen steht, dass der Religionsunterricht abgeschafft und ein Werteunterricht eingeführt wird, in dem über alle Religionen und alle Werte gesprochen wird. Wenn Interesse an einem rein katholischen Unterricht besteht, werden wir dafür sorgen, dass er organisiert werden kann, z. B. in den Schulen, aber eben nicht im Rahmen des offiziellen Unterrichtsprogramms.

Luxemburger Wort: Beim Gipfel der EV-Staats- und Regierungschefs in Brüssel stehen für Luxemburg sehr wichtige Themen auf der Agenda. Reichen zwei Wochen aus, um die Verhandlungen vorzubereiten?

Xavier Bettel: Ich habe mich schon in die Materie eingearbeitet. Ich will aber betonen, dass eine Regierung keine Ich-AG ist. Bei der Vorbereitung des Gipfels werden alle eingebunden, die zustandigen Beamten, die Botschafter usw. Wichtig ist allerdings, dass wir in Brüssel geschlossen auftreten. Ich will übrigens noch vor dem Gipfel Kontakt mit den Regierungschefs der Nachbarländer aufnehmen. Ich werde mich in den nächsten Tagen mit dem französischen Präsidenten Franois Hollande und mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, aber auch mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy in Verbindung setzen.

Luxemburger Wort: Die drei Parteien haben der Opposition, in diesem Fall Paul-Henri Meyers (CSV), angeboten, den Verfassungsausschuss weiter zu leiten. Er hat abgelehnt...

Xavier Bettel: Paul-Henri Meyers hat als Präsident stets gut, objektiv und im Interesse der Verfassung gearbeitet. Er hat sehr viel Zeit und Arbeit in die Revision der Verfassung gesteckt. Das soll man anerkennen. Aus diesem Grund haben wir ihn gefragt, ob er Interesse daran hätte, die Präsidentschaft fortzuführen.

Luxemburger Wort: Ihre Regierung will einen Koalitionsrat einsetzen, in dem die Minister, die Fraktionschefs und die Parteipräsidenten vertreten sind. Was sind die Aufgaben dieses Gremiums?

Xavier Bettel: Die Kommunikation zwischen der Regierung und den Fraktionen ist von zentraler Bedeutung, besonders dann, wenn Probleme auftauchen. Es geht darum, Texte gemeinsam auszuarbeiten und zu diskutieren. Wir wollen, dass kollegial zusammengearbeitet wird, nicht nur in der Regierung, sondern in allen Gremien, die an der Gesetzgebungsprozedur beteiligt sind.

Luxemburger Wort: Werden Sie den Parteivorsitz abgeben oder bleiben Sie auch als Regierungschef DP-Präsident?

Xavier Bettel: Es gibt keine Unvereinbarkeit. Wir werden also in der nahen Zukunft in den Parteigremien entscheiden, ob es opportun ist, dass ich Parteivorsitzender bleibe.

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