Xavier Bettel au sujet des premiers 100 jours de son gouvernement

"Die Koalition wird fünf Jahre halten - mindestens"

"Durch den Wegfall der Mehrwertsteuereinnahmen aus dem elektronischen Handel könnte ab 2015 bis zu einer Milliarde Euro im Haushalt fehlen. Diesen Betrag müssen wir irgendwie ausgleichen. Wenn wir das nicht mit kleinen Gegenmaßnahmen tun, würde uns langfristig nichts anderes übrig bleiben, als die Motorsäge hervorzuholen, um alles einen Kopf kürzer zu machen. Das ist aber nicht unser Wunsch. Wir kommen nicht um eine Mehrwertsteuererhöhung herum."

Luxemburger Wort: Welche Zensur würden Sie der Koalition nach 100 Tagen ausstellen?

Xavier Bettel: Ich halte nichts davon, Zensuren auszustellen; wer das tut, ist ein Besserwisser.

Luxemburger Wort: Sie haben nie in Ihrer Zeit als Oppositionschef die Arbeit der Regierung mit Ungenügend benotet?

Xavier Bettel: Es ist nicht an mir, die Regierungsleistung zu beurteilen, sondern an den Wählern, die dies alle fünf Jahre tun. Es wäre bedauerlich, die Europawahlen als Test für die Regierungsarbeit umzuwandeln. Es geht dabei nicht um mich oder um die Koalition oder um ein Urteil über François Hollande in Frankreich oder Mark Rutte in den Niederlanden, sondern darum zu entscheiden, welches Europa wir in den kommenden Jahren wollen. Was die nationale Politik angeht, so stehen ein paar harte Entscheidungen an, die wir den Menschen erklären müssen. Ich bin mir sicher, die Bürger sind bereit, ihren Teil dazu beizutragen, um das Haushaltsdefizit zu begleichen und die Schuldenlast abzumildern.

Luxemburger Wort: Um das Defizit zu begleichen und die ausfallenden Mehrwertsteuereinnahmen aus dem elektronischen Handel auszugleichen, sollen die allgemeinen TVA-Sätze angehoben werden; dabei wollte die DP im Wahlkampf vor allem sparen. Wie rechtfertigen Sie eine Maßnahme, die von vielen als äußerst unsozial kritisiert wird?

Xavier Bettel: Durch den Wegfall der Mehrwertsteuereinnahmen aus dem elektronischen Handel könnte ab 2015 bis zu einer Milliarde Euro im Haushalt fehlen. Diesen Betrag müssen wir irgendwie ausgleichen. Wenn wir das nicht mit kleinen Gegenmaßnahmen tun, würde uns langfristig nichts anderes übrig bleiben, als die Motorsäge hervorzuholen, um alles einen Kopf kürzer zu machen. Das ist aber nicht unser Wunsch. Wir kommen nicht um eine Mehrwertsteuererhöhung herum. Am 2. April werde ich in der Erklärung zur Lage der Nation darlegen, wlche sozialen Gegenmaßnahmen mit dieser Anhebung einhergehen werden, sodass diejenigen, die am meisten von dieser Maßnahme belastet werden, weniger darunter leiden müssen.

Luxemburger Wort: Wieso ist es so schwierig, den genauen Zeitpunkt für die Mehrwertsteuererhöhung festzulegen?

Xavier Bettel: Weil wir noch die Ergebnisse einiger Studien abwarten wollen, die wir zu dieser Frage in Auftrag gegeben haben. Es gibt noch einige offene Punkte zu klären, von denen der Index ein Bestandteil ist.

Luxemburger Wort: OGBL-Präsident Jean-Claude Reding hat sich über die mangelnde Dialogbereitschaft der Regierung beschwert.

Xavier Bettel: Ich werde die Gewerkschaften natürlich im Vorfeld über die Leitlinien des "Etat de la nation" informieren; und natürlich werden sie auch in die Arbeiten am Etatentwurf 2015 einbezogen, wobei die Tripartite ein Teil dieser Gespräche sein wird. Es ist aber noch immer an der Politik, die Entscheidungen zu treffen.

Luxemburger Wort: Die Regierung ist noch keine 100 Tage im Amt, da wird sie von den jungen Grünen wegen der Reform der Studienbeihilfen kritisiert; und die Sozialisten plädieren für die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, die so nicht im Koalitionsabkommen vorgesehen ist. Sind das nicht etwas zu viele Misstöne gleich zu Beginn der Amtszeit

Xavier Bettel: Jeder hat ein Recht auf seine Meinung. Was aber natürlich nicht heißt, dass ich mich sehr darüber freue, wenn ich jeden Tag auf Aussagen meiner Koalitionspartner reagieren muss, die die Regierungsarbeit kritisieren. Es ist aber nicht so, dass ich jedem für die kommenden fünf Jahre einen Maulkorb verpassen werde.

Luxemburger Wort: Ihrer Meinung nach wird die Koalition also fünf Jahre halten.

Xavier Bettel: Mindestens.

Luxemburger Wort: Eine Priorität der Regierung ist die Bereinigung der Lage am Wohnungsmarkt, dabei spielen unter anderem die Gemeinden eine wichtige Rolle. Ganz diplomatisch war es nicht unbedingt von der Ressortministerin, den Kommunen im Zusammenhang mit dem Pacte Logement Geldgier vorzuwerfen.

Xavier Bettel: Was Maggy Nagel gesagt hat, war richtig. Dass manche Kommunen das in den falschen Hals bekommen haben, ist normal. Es ist ohnehin nicht mein Wunsch, für alles und von jedem Beifall zu bekommen. Ich bin nicht angetreten, um der Liebling der Meinungsumfragen zu sein. Mir ist es wichtiger, nach fünf Jahren an dem gemessen zu werden, was wir für dieses Land geleistet haben, als bei der nächsten Illres-Umfrage ein paar Prozentpunkte mehr hinzuzugewinnen.

Luxemburger Wort: Hat die Regierung die Ausarbeitung der neuen Budgetprozedur unterschätzt, oder wieso wurden dazu die tJnternehmensprüfer von McKinsey verpflichtet?

Xavier Bettel: Ich gebe gerne zu, dass uns die erforderlichen Mittel für die Ausarbeitung der neuen Prozedur nicht zur Verfügung standen, auch wenn die zuständigen Beamten sehr guten Willens waren, und auch wenn ich davon überzeugt bin, dass der ehemalige Finanzminister Luc Frieden in seiner Amtszeit Studien über eine neue Budgetprozedur in die Wege geleitet hat. Aber auch in diesem Fall war es so, dass bei der Amtsübernahme die Schubladen des Finanzministeriums leerer waren als erwartet. McKinsey verfügt über die nötige Erfahrung, um die neue Methode aufzustellen. Diejenigen unter meinen Kollegen, die sich in den vergangenen Tagen mit den Unternehmensprüfern unterhalten haben, sind sehr zufrieden.

Luxemburger Wort: Inwiefern belastet der Abschied von drei hohen Beamten die Arbeit im Finanzministerium?

Xavier Bettel: Der Abgang der Beamten ist alles andere als angenehm. Wichtig ist, dass Pierre Gramegna auf ein motiviertes Team aufbauen kann. Er sucht jedenfalls noch nach Verstärkung für sein Ministerium.

Luxemburger Wort: Pierre Gramegna und Sie selbst hatten in den vergangenen Wochen das schwierige Dossier der erweiterten Zinsbesteuerungsrichtlinie zu meistern. Wie sicher können Sie sein, dass die Schweizer den möglichen Kompromiss mit der EU bei einer Volksabstimmung nicht ablehnen werden?

Xavier Bettel: Mein kleiner Finger sagt mir, dass die Schweizer es sich nach der Abstimmung über die Begrenzung der Zuwanderung einfach nicht mehr leisten können, die EU ein weiteres Mal zu brüskieren. Im Übrigen werde ich mich beim EU-Gipfel kommende Woche in Brüssel für die Festlegung eines verbindlichen Zeitplans einsetzen, in dem die Gespräche mit den fünf Drittländern abgeschlossen sein sollen.  

Dernière mise à jour