Interview de Xavier Bettel avec le Luxemburger Wort

"Verpflichtungen geht man ein, und dann erfüllt man sie"

Interview: Luxemburger Wort (Pierre Leyers/Marc Schlammes)

Luxemburger Wort: Griechenland wird einmal mehr ein Gipfelthema. Was können die EU-Chefs jetzt noch zur Lösung der Krise beitragen, wo doch die EU-Finanzminister in mehreren Treffen die Reformpläne der Regierung in Athen angenommen haben?

Xavier Bettel: Jeden Tag frage ich mich aufs Neue, wie es in der griechischen Schuldenkrise weitergehen soll. Verpflichtungen geht man ein, und dann erfüllt man sie. Ich habe den Eindruck, dass der Diskurs, den ich in Brüssel von griechischen Politikern höre, nicht der gleiche ist, den diese Politiker zu Hause in Athen halten. Bei der Echternacher Springprozession geht man zwei Schritte vor, und einen zurück. Mit Griechenland scheint mir, dass wir einen Schritt nach vorne tun, und dann zwei zurück. Es geht um Vertrauen. Ich muss sicher sein, dass mein Verhandlungspartner den Verpflichtungen, die er eingeht, auch nachkommt. Dieses Vertrauen gegenüber der griechischen Regierung wird immer brüchiger. Wir rennen geradewegs gegen die Wand, wenn das so weitergeht!

Luxemburger Wort: Wenn man auf fünf Jahre Krisenbewältigung in Griechenland zurückblickt: Ist es letztlich nicht realistischer, einen Schlussstrich zu ziehen und sich dem Schuldenschnitt zu stellen, als immer neue Hilfsprogramme aufzulegen, die in erster Linie der Tilgung vergangener Kredite dienen?

Xavier Bettel: Auch hier in Luxemburg gibt es Steuerzahler! Warum sollen mit deren Steuergeldern andere Länder finanziert werden, die Verpflichtungen eingehen, und die nachher sagen: Wir pfeifen drauf? Wir können gerne über die Streckung von Fälligkeitsraten diskutieren, aber nicht über die Löschung einer Schuld, die auf Kosten des europäischen Steuerzahlers geht. Ich mache da nicht mit! 

Luxemburger Wort: Die Griechenland-Krise ist aber auch eine Krise des Umgangstons. Wäre die EU mit ihren Instanzen und Mitgliedstaaten nicht gut beraten, ihren manchmal überheblichen Ton zu hinterfragen, statt die neue und unerfahrene griechische Regierung an den Pranger zu stellen?

Xavier Bettel: Was für ein überheblicher Ton? Das hier ist keine Veranstaltung bei Kaffee und Kuchen. Es geht um die Zukunft eines Landes, das sich am Rande des Staatsbankrotts befindet. Die Troika - oder "die Institutionen", wie sie jetzt genannt wird hat eine präzise Mission, die sie durchführen muss.

Luxemburger Wort: Hat Premier Alexis Tsirpas den Ernst der Lage erkannt?

Xavier Bettel: Davon gehe ich aus. Er hat allerdings ein Wahlprogramm, und muss alles daransetzen, dieses zu erfüllen. Wegen dieses Wahlprogramms können aber die 27 anderen Mitgliedsländer nicht so ohne Weiteres ihre Regeln ändern.

Luxemburger Wort: Auch die Lage in der Ukraine ist Gipfel-Thema: Sind weitere Sanktionen ein Mittel, um Russland zur Einsicht zu zwingen, oder ist dieses Druckmittel ausgeschöpft?

Xavier Bettel: Luxemburg hat sich seit Beginn des Konflikts dafür eingesetzt, dass Sanktionen je nach Entwicklung der Lage verhängt werden. Seit den Friedensgesprächen von Minsk befinden wir uns in einer Phase der Deseskalation. Neue Sanktionen wären dieser Entwicklung, die in die richtige Richtung zeigt, nicht förderlich. Beide Seiten müssen sich bewegen, der Beschluss des Parlaments in Kiew, den Regionen im Osten mehr Autonomie zu gewähren, ist ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung.

Luxemburger Wort: Was halten Sie in dem Zusammenhang von Forderungen nach einem Boykott der Fußball-WM 2018?

Xavier Bettel: So ein Boykott wäre mit Sicherheit keine Entscheidung, die ein Europäischer Rat treffen sollte. Würde er das tun, wo wäre das Ende? Es ist nicht Aufgabe der Politik, zu entscheiden, wo eine Sportveranstaltung stattfinden soll. Das ist Aufgabe der Sportverbände.

Luxemburger Wort: Können Sie die Sorgen der baltischen Staaten vor einer russischen Aggression nachvollziehen?

Xavier Bettel: Luxemburg hat eine andere Geschichte. Ich kann aber gut die Reaktion der baltischen Partner oder auch Polens verstehen, die nach langen Jahren der Fremdherrschaft jegliches Vertrauen in ihren großen Nachbarn verloren haben.

Luxemburger Wort: Mit der Energieunion will die EU die Unabhängigkeit ihrer Energieversorgung sicherstellen. Wie kann sie das bewerkstelligen?

Xavier Bettel: Sieben Jahre nach dem Vertrag von Lissabon, wo wir eine engere Zusammenarbeit in Energiefragen beschlossen, bewegen wir uns jetzt auf eine Energieunion zu. Das ist ein neues Moment. Einige Mitgliedsländer sind völlig abhängig von russischen Energielieferungen, andere nicht. Wir brauchen untereinander mehr Solidarität in der Energieversorgung. Die Vernutzung der Infrastrukturen muss vorangetrieben werden, um Engpässe zu verhindern. Im Gegensatz zur Kommission sieht Luxemburg die Kernkraft als nicht zukunftsfähig an. Es ist und bleibt keine sichere Technologie, deshalb sollten wir uns in Europa davon loslösen. Luxemburg steht allerdings voll hinter den Plänen der Kommission, aus den erneuerbaren Energien eine ihrer zehn Prioritäten zu machen. Andere Aspekte der Energieunion gefallen mir weniger ...

Luxemburger Wort:... welche meinen Sie?

Xavier Bettel: Energie wird mit Klimaschutz verbunden, wie aber steht es mit der Landesplanung, oder mit der Landwirtschaft? Haben die nichts mit Klimaschutz zu tun?

Luxemburger Wort: Das umstrittene Handelsabkommen TTIP steht auch auf der Gipfelagenda. Die EU -Kommission erwartet sich von den Mitgliedsstaaten eine positivere Darstellung bzw. ein klares Bekenntnis. Wie wird die luxemburgische Regierung vorgehen?

Xavier Bettel: Die luxemburgische Regierung ist nicht gegen TTIP, wir sind allerdings dagegen, dass europäische Werte über Bord geworfen werden wegen TTIP. Wir wünschen eine Beteiligung breiter Schichten der Bevölkerung an dieser Diskussion. TTIP gehört nicht in die Dunkelkammer, das wollen wir auch während der kommenden Luxemburger EU-Ratspräsidentschaft klarstellen.

Luxemburger Wort: Wie stehen Sie zu den jüngsten Kommissionsvorschlägen, die auf mehr Zusammenarbeit und Transparenz in der Steuerpolitik hinauszielen?

Xavier Bettel: Wir wollen Regeln, die für alle 28 gelten. Ist das der Fall, steht die Luxemburger Regierung voll und ganz hinter den Vorschlägen der Kommission. Wir sind für ein "leyel playing field", auf EU-Ebene, am besten sogar auf Ebene der OECD-Länder.

Luxemburger Wort: Im Vorfeld des EU-Gipfels treffen Sie mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zusammen. Wie darf man sich die Unterredung mit Ihrem Amtsvorgänger vorstellen?

Xavier Bettel: Ich freue mich auf das Wiedersehen. Wir haben ein gutes Verhältnis zueinander.

Luxemburger Wort: Welche luxemburgischen Projekte können vom sogenannten Juncker-Plan bezuschusst werden? Oder besteht der einzige Mehrwert für Luxemburg in zusätzlichen Arbeitsstellen bei der EIB?

Xavier Bettel: Es gibt noch keine Entscheidung über konkrete Projekte, weder in Luxemburg noch anderswo. Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass mehr investiert werden muss. Sich zu Tode sparen ist keine Option. Eine zu exzessive Austeritätspolitik führt in die Deflation. Die Luxemburger Regierung ist dabei zu prüfen, ob sie sich mit eigenem Geld an dem Projekt beteiligen will. Die staatliche Investitionsgesellschaft SNCI könnte dabei eine wichtige Rolle übernehmen.

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