Interview de Carole Dieschbourg avec le Luxemburger Wort

"Wir benötigen einen Paradigmenwechsel"

Interview: Luxemburger Wort (Marc Schlammes)

Luxemburger Wort: Darf man trotz der Attentate vom 13. November und der akuten Terrorbekämpfung davon ausgehen, dass sich die Staatengemeinschaft der Klimaproblematik mit der notwendigen Ernsthaftigkeit widmet?

Carole Dieschbourg: Sowohl die Tatsache, dass die Konferenz stattfindet als auch der Umstand, dass viele Staats- und Regierungschefs zum Auftakt nach Paris kommen, belegen, dass die Klimathematik ernst genommen wird. Sicherlich spielt dabei auch eine Rolle, dass der Klimawandel und seine Konsequenzen mittlerweile als eine Ursache für Armut, Hunger, Flucht und Instabilität wahrgenommen werden. Aus dieser Warte betrachtet bietet Paris die Chance zu zeigen, dass wir handlungsbereit und handlungsfähig sind. Der Wille dazu ist jedenfalls ungebrochen. 

Luxemburger Wort: Aufgrund der EU-Présidence steht auch Luxemburg im Rampenlicht. Die EU soll mit einer Stimme sprechen.

Carole Dieschbourg: Wir haben uns am 18. September auf EU-Ebene auf ein gutes Mandat verständigt. Dieses Mandat umfasst wie gesagt ein geeintes Auftreten. Es beinhaltet des Weiteren unsere Forderung nach einem klaren Langzeitziel, die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten mit entsprechenden Maßnahmen, und regelmäßigen Zwischenetappen, wo dieses Ziel überprüft wird. Dieses Monitoring soll erlauben, unsere Ambitionen schrittweise anzuheben.

Luxemburger Wort: Für das europäische Engagement wird die Stunde der Wahrheit nach Paris schlagen, wenn es um die Lastenverteilung zwischen den 28 EU-Ländern geht ...

Carole Dieschbourg: ....und da müssen wir uns auf heftige Auseinandersetzungen einstellen. Jetzt gilt unsere ganze Aufmerksamkeit erst einmal Paris; wie das europäische Ziel von -40 Prozent CO2 unter den 28 Mitgliedsländern aufgeteilt wird, ist dann eine schwierige Aufgabe für 2016.

Luxemburger Wort: Im Gegensatz zu vorherigen Klimakonferenzen sind die Hausaufgaben im Vorfeld gemacht worden, liegen CO2-Einsparversprechen vor. Wo sehen Sie noch Knackpunkte?

Carole Dieschbourg: Wir verfügen über eine ordentliche Grundlage, denn die CO2-Vorgaben entsprechen über 90 Prozent der weltweiten Emissionen. Eine Herausforderung besteht nun darin, einen weit reichenden, legal-bindenden Vertrag zu bekommen, der von möglichst vielen Staaten getragen und also ratifiziert wird. Das war letztlich eine der Schwächen des Kioto-Abkommens. Es geht um die Balance zwischen ehrgeizigen Zielen und zahlreichen Akteuren, die diese Ziele auch umsetzen wollen. Zu den Knackpunkten gehört sicher auch die Frage der Finanzierung. Seit Kopenhagen 2009 gibt es das politische Versprechen, jährlich 100 Milliarden Dollar gegen den Klimawandel aufzubringen. Wir sollten die Wechselwirkung zwischen finanzieller Unterstützung und CO2-Einsparungen nicht unterschätzen. Die jetzigen CO2-Vorgaben sind ziemlich konservativ. Mehr Geld eröffnet den Dritt-Welt-Ländern Perspektiven, ambitiöser zu werden. Außerdem können sie sich am europäischen Modell inspirieren, dass Wachstum und Wohlbefinden losgekoppelt von Emissionen schrittweise möglich sind.

Luxemburger Wort: Bei der Finanzfrage hat Luxemburg seine Antworten gegeben.

Carole Dieschbourg: Luxemburg verhält sich vorbildhaft. Wir bringen seit Jahren ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Kooperationshilfe auf. Bis 2020 werden wir darüber hinaus 120 Millionen Euro in die Klimafinanzierung investieren, 35 Millionen Euro in den Green Climate Fund, 85 Millionen Euro in bilaterale Projekte, z. B. auf den Kapverden oder im Senegal.

Luxemburger Wort: Ein Schwachpunkt der CO2-Vorgaben ist aber, dass sie nicht ausreichen, um die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu bändigen...

Carole Dieschbourg: ... was sich auch dadurch erklärt, dass viele Staaten Neuland betreten und sich eher zaghaft herantasten. Eine Strategie samt gesetzlichen Leitlinien, über die die EU seit Jahren verfügt, kennen sie nicht. Diese Länder haben folglich konservative Schätzungen mit einem "Business-as-usual"-Szenario als Referenz eingereicht und werden sicherlich mehr tun können, wenn sie die nötige Unterstützung erhalten, ob nun finanziell oder durch Technologietransfers. Auch aus diesem Grund ist das alle fünf Jahre vorgesehene Monitoring so wichtig.

Luxemburger Wort: Besteht hier nicht die Gefahr, dass man weniger ehrgeizige Ziele ausgibt, sollte das Monitoring ergeben, dass man Vorgaben nicht erreicht?

Carole Dieschbourg: Wir haben schon in Lima darauf gepocht, dass es kein Zurück geben darf. Das muss sich auch im künftigen Klimaabkommen so herauslesen. Wir benötigen ein dynamisches Instrument und keinen Deal um jeden Preis. Die Klimapolitik muss progressiv ausgerichtet sein.

Luxemburger Wort: Wie realistisch ist die Festlegung eines weltweit einheitlichen CO2-Preises, als Grundlage für einen fairen Emissionshandel?

Carole Dieschbourg: Das soll ein Fernziel sein. Erst einmal müssen wir in der Europäischen Union die Lehren aus dem nicht zufrieden stellend funktionierenden Emissionshandel ziehen und eine entsprechende Reform reüssieren. Mit einem weltweit einheitlichen Emissionspreis würden wir der Wirtschaft entgegen kommen, da sie stets vor einem ungleichen Wettbewerb warnt. Ein einheitlicher Preis würde nämlich alle Kostenfaktoren beinhalten. Auch wenn es noch eine Weile dauern kann, sollten wir uns auch in diesem Punkt von der Ambition treiben lassen, global und vernetzt zu handeln.

Luxemburger Wort: Luxemburg soll sich eine Strategie geben, um die Emissionen bis 2050 um 80 Prozent zu senken, bis 2100 soll die Welt emissionsfrei sein: Inwieweit kann man den Bürgern derartige Langzeitziele vermitteln?

Carole Dieschbourg: Das ist alles sehr weit weg und schwer vereinbar mit einem auf Kurzfristigkeit ausgerichteten Lebensstil. Und doch benötigen wir einen Paradigmenwechsel. Denken Sie bloß an Infrastrukturen, die für mehrere Jahrzehnte gebaut werden oder die Städteplanung von morgen: Da müssen heute die Weichen für eine Dekarbonisierung gestellt werden. Und dann geht es schlicht um das Signal, dass Klimapolitik eine langfristige Angelegenheit ist.

Luxemburger Wort: Den Blick nach vorne gerichtet: Wann würden Sie sagen, die Konferenz ist erfolgreich verlaufen?

Carole Dieschbourg: Damit die Konferenz das Prädikat erfolgreich verdient, benötigen wir ein Abkommen mit glaubwürdigen, fortschrittlichen Zielen, bei denen die 195 Staaten mitspielen, erst in Paris und dann bei den nationalen Umsetzungen. Von daher ist es auch wichtig, die "agenda des solutions" fortzuschreiben. Die Aufbruchstimmung, eine emissionsfreie Gesellschaft zu schaffen, die heute schon vielerorten greifbar ist, müssen wir fördern.

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