Fernand Boden: Die Preisspirale brechen

Luxemburger Wort: Die Preise für Bauplätze schnellen in die Höhe. Der Traum vom Eigenheim ist für viele Menschen in weite Ferne gerückt. Wie sehen Sie als Ressortminister die Lage am Wohnungsmarkt?

Fernand Boden: Das Problem ist einfach und kompliziert zugleich. Es besteht ein Problem zwischen Angebot und Nachfrage: Die Nachfrage ist stark. Aber das Angebot entspricht zurzeit nicht dieser Nachfrage.

LW: In den vergangenen Jahren hat sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt zugespitzt. Wie erklären Sie sich die steigende Nachfrage?

F. Boden: Die Bevölkerung nimmt ständig zu. In den vergangenen zwölf Jahren etwa um 1,5 Prozent pro Jahr. Jetzt scheint es etwas langsamer zu gehen. Die Haushalte werden zudem kleiner. Es werden mehr Wohnungseinheiten benötigt.

LW: Aber das eigentliche Problem liegt doch eher auf der Angebotsseite?

F. Boden: Es gibt nicht genug Bauplätze auf dem Markt. Deshalb sind auch die Preise explodiert. Besonders um Luxemburg-Stadt und im Zentrum.

LW: Und nun sind Sie in die Wohnungsbau-Offensive gegangen?

F. Boden: Wir wollen die Preisspirale brechen. Wir wollen eine aktive Wohnungsbaupolitik betreiben. Deshalb haben wir das Programm "Action logement" gestartet.

LW: Hätten Sie nicht schon früher reagieren müssen?

F. Boden: Das haben wir doch. Wir haben viel getan in den vergangenen Jahren. Etwa beim subventionierten Wohnungsbau. 1990 haben wir 1,5 Milliarden alte Franken an staatlichen Bauhilfen gewährt. Heute sind wir bei rund 0,125 Milliarden Euro.

LW: Sie haben also nun einen Gang höher geschaltet?

F. Boden: Besonders bei den Steuererleichterungen. Es wird nicht genug in den Markt investiert. Wir werden diese Maßnahmen aber zeitlich begrenzen.

LW: Können Sie einige Maßnahmen konkret beschreiben?

F. Boden: Wir haben in einer ersten Phase im Juli 2002 bereits Steuermaßnahmen verabschiedet. Wir haben den Erlös beim Verkauf von Bauland praktisch steuerfrei gestellt. Wir haben den "billigen Akt" eingeführt. Wir haben Investitionen in den Bau von Mietwohnungen begünstigt. In einer zweiten Phase haben wir im Oktober die "Aide au logement" hochgefahren, um so das Angebot zu stimulieren.

LW: Sie haben auch ein Wohnungsbauprogramm mit den öffentlichen Bauträgern ins Leben gerufen?

F. Boden: Genau. Normalerweise schaffen die so genannten öffentlichen Promotoren – u. a. die Gemeinden, der "Fonds du logement" – rund 4.500 Wohnungen im Jahr. Wir haben diese Zahl verdoppelt. Es werden nun 9.000 Wohnungen geschaffen. Auch Menschen mit mittleren Einkommen werden davon profitieren können.

LW: Wie sehen Sie eigentlich die Rolle der Gemeinden in der Wohnungsbaupolitik?

F. Boden: Auch die Gemeinden stehen in ihrer Verantwortung. Wir haben die Gemeinden gebeten, ihre Lotissementprojekte schneller voranzutreiben. Auch die Bauhilfen für Gemeinden haben wir hochgefahren.

LW: Stellen nicht auch die langen Prozeduren bei Lotissements ein Problem dar?

F. Boden: Wir wollen im Rahmen des neuen Gesetzes über den "Amenagement communal", dass bei einfachen "Projets d'amenagement particulier" (PAP) der Gemeinderat direkt entscheiden kann. Ohne langen Umweg über die "Commission d'amenagement". Oft wollen nämlich die Bauträger bauen, dürfen aber aus prozeduralen Gründen nicht.

LW: Arbeiten Regierung und Gemeinden Hand in Hand, um das Problem in den Griff zu bekommen?

F. Boden: Ja. Die Gemeinden sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Ausnahmen bestätigen die Regel.

LW: Wie sehen Sie die Relation Wohnungsbaupolitik und Landesplanung?

F. Boden: Wichtig ist, gegen eine zu starke Konzentration im Raum Luxemburg-Stadt vorzugehen.

LW: Sie planen als Staat auch die direkte Schaffung von Wohnraum?

F. Boden: Ja. Etwa auf den Industriebrachen im Süden oder auf Kirchberg.

LW: Wie helfen Sie den Menschen konkret beim Sparen?

F. Boden: Um das Sparen zu erleichtem, haben wir den "Epargne-logement" eingeführt. Die Menschen bekommen von uns 100 Euro Startkapital. Und wenn sie monatlich sparen, können sie von uns zusätzliche Beihilfen bekommen. Die staatlichen Garantien für Anleihen haben wir von 15 auf 40 Prozent hochgesetzt.

LW: Wird eigentlich die bestehende Bausubstanz optimal ausgenutzt?

F. Boden: Nein. Wir sind dabei, Anreize zu schaffen, um die bestehende Bausubstanz zu renovieren. Ein entsprechendes Reglement für einen Check-Up nach 15 Jahren liegt beim Staatsrat. Hier werden wir bis zu 75 Prozent der Kosten übernehmen.

LW: Sind nicht auch alte Wohnviertel interessant in diesem Zusammenhang?

F. Boden: Sehr sogar. Darum wollen wir auch die Gemeinden ermutigen, ihre alten Wohnviertel zu renovieren.

LW: Nicht jeder kann sich gleich eine Eigentumswohnung leisten. Was haben Sie für die Mieter getan?

F. Boden: Wir haben auch hier die Beihilfen erhöht. Oft müssen ja drei Mieten im Voraus als Kaution gezahlt werden. Der Staat bietet im Bedarfsfall Garantien für finanzschwache Mieter an.

LW: Und auf der Vermieter-Seite?

F. Boden: Wir wollen Anreize für Investitionen schaffen. Momentan gibt es noch einen Unterschied zwischen Häusern, die vor 1944 und denen, die danach gebaut wurden. Diesen gesetzlichen Unterschied wollen wir abschaffen. Bei den so genannten Luxuswohnungen wollen wir Bürokratie abbauen.

LW: Viele Vermieter klagen über ein Ungleichgewicht in der Geschäftsbeziehung Mieter-Vermieter? Sehen Sie das auch so?

F. Boden: Wir wollen dieses Verhältnis wieder ins Gleichgewicht bringen. Wir werden dem Vermieter etwas mehr Rechte geben. Allerdings ohne den Mieterschutz aufzugeben.

LW: Kommt Ihnen eigentlich in einem gewissen Sinn die schwache Konjunktur entgegen?

F. Boden: Die konjunkturelle Situation dürfte zumindest eine Bremse für die Preise sein.

LW: Ausreichend Bauland scheint es ja zu geben?

F. Boden: Es ist ausreichend Bauland vorhanden. Auch in den bestehenden Perimetern. Wir müssen es nur erschließen und auf den Markt bringen. Ausnahmen gibt es natürlich immer.

LW: Stehen noch weitere Maßnahmen an, um Investitionen zu fördern?

F. Boden: Das Parlament diskutiert im Vorfeld der anstehenden Orientierungsdebatte ein Vorkaufsrecht der Gemeinden für Grundstücke, die demnächst in den Perimeter kommen. Interessant sind auch die diskutierten Steuererleichterungen für Investitionen in Wohnungsbau-Sicavs.

LW: Alleine ist also auch die Regierung machtlos?

F. Boden: Wir brauchen das Zusammenspiel aller Akteure auf dem Markt. Auch die Privatpromotoren müssen mitarbeiten.

LW: Glauben Sie, dass die von Ihnen beschriebenen Maßnahmen greifen?

F. Boden: Wir hoffen es sehr. Ich glaube, dass wir die Preisexplosion bremsen können. Besonders was die Baulandpreise angeht. Die Baupreise sind ja relativ stabil geblieben.

LW: Und wenn Sie die Preisspirale trotz aller Erleichterungen nicht brechen können?

F. Boden: Dann werden wir unsere Maßnahmen erheblich verschärfen müssen. Dann müssen wir die Eigentümer steuerlich praktisch zwingen, ihre Grundstücke auf dem Markt anzubieten. Beispielsweise über die Grundsteuer für Bauplätze. Das Damoklesschwert bleibt über dem Markt hängen. Aber so weit sind wir noch nicht.

LW: Welchen Stellenwert hat die Wohnungsbaupolitik für Sie?

F. Boden: Sie ist eine erste Priorität der Regierung. Doch leider wirken die meisten Maßnahmen nur langfristig.

LW: Ein Wort zur Ihrer Politik-Philosophie: Der freie Markt alleine kann es also nicht richten?

F. Boden: Ganz sicher nicht. Der Staat muss subsidiarisch einspringen.

LW: Wie werden sich die Preise in Zukunft entwickeln?

F. Boden: Dies ist nur sehr schwer vorherzusehen. Vieles hängt von der Konjunktur ab. Wir können ja keine Preise diktieren.

LW: Aber auf keinen Fall dürfen die Preise weiter steigen?

F. Boden: Sonst werden wir, wie gesagt, wirklich Ernst machen mit den "verschärften Maßnahmen".

LW: Ist eine dezente Wohnung eigentlich ein Menschenrecht?

F. Boden: Ja. Es gibt ein Recht auf eine dezente Wohnung für jeden. Ohne Wohnung ist man isoliert in der Gesellschaft. Die Wohnung ist ein wichtiger Integrationsfaktor.

LW: Gehen wir eigentlich vernünftig mit unserem Bauland um?

F. Boden: Der Landverbrauch ist besser und rationaler als früher. Es wird nachhaltiger gebaut. Aber wir haben hier noch ein gewisses Mentalitätsproblem zu überwinden. Wir können Luxemburg nicht größer machen, als es ist.

LW: Sind die hohen Baulandpreise nicht auch der Preis unseres Wohlstands?

F. Boden: Ganz klar: Die Preisspirale wurde durch das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre angeheizt. Jetzt haben wir die Grenze des Erträglichen überschritten.

LW: Wie fühlt man sich denn als Wohnungsbauminister heute in Luxemburg. Nicht doch etwas machtlos?

F. Boden: Nein. Man kann schon vieles bewegen. Es ist sehr befriedigend, wenn man besonders sozial schwächeren Menschen zu einem Eigenheim verhelfen kann. Unsere Beihilfen gehören zu den höchsten in Europa. Mein Job ist alles andere als langweilig.

LW: Was raten Sie jungen Menschen, die sich heute ein Haus anschaffen wollen?

F. Boden: Haben Sie Geduld! Heute wollen viele ja schon ein Haus haben, wenn sie von der Schule kommen. Das war jedoch auch früher nie der Fall. Man soll junge Menschen ermutigen, sich ein Eigenheim anzuschaffen. Leider sind viele Banken zu zurückhaltend, wenn es darum geht, einen Kredit zu gewähren.

LW: Stimmt die Beratung denn?

F. Boden: Wir haben einen sehr kompetenten "Service aide au logement". Da stimmt die Beratung.

LW: Also Licht am Ende des Tunnels?

F. Boden: Ja. Und manchmal wird das Thema auch überdramatisiert. Noch einmal: Wir müssen die Preisspirale brechen. Und das Angebot an Wohnungen und Bauland erhöhen. Ich bin guter Dinge, dass wir das gemeinsam schaffen.

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