"Preisentwicklung konnte bereits leicht abgebremst werden" Interview avec le ministre des Classes moyennes, du Tourisme et du Logement, Fernand Boden

Luxemburger Wort: Das Thema Wohnen floss in den Wahlkampf ein, indem behauptet wurde, Wohnen in Luxemburg sei für viele nicht erschwinglich. Stimmt diese Behauptung oder muss man dies nuancierter betrachten?

Fernand Boden: Das Recht auf Wohnen zählt zu den grundlegenden Rechten des Menschen. Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass eine der Familienstruktur angepasste Wohnung nachhaltig zur persönlichen Entfaltung und sozialen Integration des Individuums beiträgt.

Nun, die sehr hohe Wachstumsrate unserer Bevölkerung während der vergangenen Dekade – dies im Windschatten einer sehr dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes – brachte es mit sich, dass das einzig nicht vermehrbare Gut, nämlich Grund und Boden, einer bisher nie erreichten Preissteigerung ausgesetzt war. In der Tat ist es heute schon fast geschäftsüblich, dass bei gut gelegenen Eigentumswohnungen die Grundstückskosten mit l 000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche angesetzt werden. Das ergibt für eine 120 m2-Wohnung eine so genannte "Charge foncière" von 120 000 Euro, ein Betrag, mit dem man vor Jahren noch ein reparaturbedürftiges Einfamilienhaus kaufen konnte. Diese Entwicklung führte zwangsläufig dazu, dass viele Familien heute mehr als ein Drittel ihres verfügbaren Einkommens für das Wohnen ausgeben müssen. Dass dies unzumutbar ist, versteht sich von selbst, und deshalb ist Ihre Frage hinsichtlich des Engpasses auf dem Wohnungsmarkt mit einem deutlichen Ja zu beantworten.

Wie sieht die Lage heute auf dem Wohnungsmarkt aus?

Fernand Boden: In den vergangenen zehn Jahren wurden insgesamt 27 000 neue Wohneinheiten geschaffen. Rund 70 000 Haushalte kamen während dieser Zeit in den Genuss von staatlichen Kapitalbeihilfen, Zinszuschüssen und Mehrwertsteuerrückzahlungen. Heute sind 67 Prozent unserer Familien Eigentümer ihrer Wohnung. Im Durchschnitt verfügt jeder Bürger über zwei Zimmer. Diese Zahlen sind einmalig in Europa.

Trotz aller Anstrengungen der öffentlichen Hand bleibt der Wohnungsbedarf hier zu Lande jedoch hoch. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist weiterhin angespannt, da die Nachfrage nach Wohnraum immer noch größer ist als das Angebot, dies insbesondere im Mittelpreisbereich. Aufgabe des neu geschaffenen "Observatoire de l'habitat" ist es, den Wohnungsmarkt intensiv zu beobachten und der Politik Detailanalysen zu liefern, damit diese das Marktgeschehen besser erkennen und lenken kann.

Kurzum: Um dem bestehenden Bedarf gerecht zu werden, ist vorgesehen, dass von öffentlicher Seite zusätzliche Anstrengungen unternommen werden, sei es im Bereich der Landesplanung, der örtlichen Raumplanung oder im Bereich der Bereitstellung von preiswerten Grundstücken und Wohnungen.

Welches sind die Auswirkungen jener Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren zur Entschärfung der Lage auf dem Wohnungsbaumarkt bereits getroffen wurden?

Fernand Boden: Um das Angebot an Bauland zu fördern, die Preissteigerung beim Kauf eines Eigenheims zu bremsen und den Bau von Mietwohnungen interessanter zu gestalten, hat die Regierung laufend konkrete, marktregulierende Maßnahmen beschlossen. So wurde z. B. die Besteuerung des auf dem Verkauf einer Immobilie erzielten Mehrwerts, zeitlich begrenzt, um mehr als die Hälfte herabgesetzt. Diese Ermäßigung soll laut neuem Koalitionsprogramm um eine weitere Periode von drei Jahren verlängert werden. Ein Freibetrag von 20 000 Euro pro Person auf den Eintragungsgebühren (droits d'enregistrement) beim Kauf einer Immobilie wurde eingeführt. Der superreduzierte Mehrwertsteuersatz von drei Prozent auf den Baukosten kann direkt vom Unternehmer in Rechnung gestellt werden.

Der Bauherr braucht also nicht mehr die Rückzahlung der Differenz von 15 Prozent auf drei Prozent zu beantragen. Es wurden auch steuerliche Maßnahmen zur Anregung des privaten Mietwohnungsbaus in die Wege geleitet.

Alle diese Maßnahmen haben schon zu einer gewissen Beruhigung der Preisentwicklung auf dem Wohnungsbaumarkt beigetragen und dieser Trend müsste sich weiterhin verstärken.

Wie kann man eventuell die Gemeinden dazu bewegen, mehr Wohnfläche zu schaffen, damit die Preise für Bauland in Zukunft stabil bleiben?

Fernand Boden: Auch hier war die Regierung bereits aktiv! Um die Gemeinden anzuregen, sich stärker als bislang am Angebot von Bauland oder Wohnungen zu günstigen Preisen zu beteiligen, wurden die Beihilfen an die öffentlichen Bauträger für solche Projekte wesentlich erhöht. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 8. November 2002 kann der Staat bis zu 70 Prozent und unter gewissen Umständen gar bis zu 75 Prozent der anfallenden Kosten beim Bau von Mietwohnungen übernehmen. Darüber hinaus können Gemeinden bis zu 25 Prozent ihres Mietparks nach dem allgemeinen Mietrecht vermieten. Ebenso kann die Regierung in Zukunft 70 Prozent der anfallenden Kosten für die Gestaltung von Freiflächen im Rahmen der Baulanderschließungsprojekte übernehmen. Auch kann der Staat sich bis zu 50 Prozent an den Baukosten von Kindertagesstätten innerhalb derartiger Siedlungsgebiete beteiligen.

Diese neuen Maßnahmen sind letztlich dafür verantwortlich, dass das Mehrjahresprogramm des Wohnungsbauministeriums, statt der üblichen 4 500, nunmehr die Schaffung von mehr als 10 000 Wohnungen vorsieht. Um generell aber den Wohnungsbau in den entwicklungsfähigen Gemeinden zu fördern, wird die Regierung die staatlichen Beihilfen für die anfallenden Nachfolgekosten größerer Siedlungsprojekte überdenken.

Wo wird man in Zukunft noch weiter ansetzen müssen? Welche Maßnahmen müssen zusätzlich getroffen werden?

Fernand Boden: Unser Land wird weiterhin einem großen Bedarf an Siedlungsfläche ausgesetzt sein. Hieraus ergibt sich die absolute Notwendigkeit, das Wohnungswesen im Rahmen von integrativen, kommunalen Entwicklungskonzepten zu gestalten und die Prinzipien der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Deswegen sollen Stadterneuerung und Agglomerationserweiterung phasengleich sowie einander gegenseitig ergänzend gestaltet werden.

Durch die Reform des Mietgesetzes sollen eine Reihe von Anreizen geschaffen werden, um Hauseigentümer zu Investitionen im Interesse des Mietwohnungsbaus und der Stadterneuerung zu motivieren. So soll u. a. bei der Berechnung der Miete kein Unterschied mehr bestehen zwischen jenen Wohnungen, die vor und denjenigen, die nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurden. Der Abschreibungssatz auf Mietwohnungen wurde, wie bereits erwähnt, erheblich angehoben und der Begriff "Luxuswohnungen", bei denen eine freie Mietvereinbarung zu Grunde liegt, soll neu definiert werden.

Der als öffentlicher Bauherr wirkende "Fonds du logement" hat seit seiner Gründung im Jahre 1979 über 2 500 Wohnungen errichtet, davon 1500 Mietwohnungen und etwas mehr als l 000 Wohnungen, die zum Verkauf an minderbemittelte Familien angeboten wurden.

Um den koordinierten Einsatz der öffentlichen Mittel sicherzustellen, könnte der "Fonds du logement" künftig auch aktiver in der Grundstücksbeschaffung und der Siedlungserneuerung tätig werden. Damit könnten der Ankauf von Grundstücken intensiviert und Spekulationsgewinne ausgeschaltet werden.

Im Sinne einer Herabsetzung der Anschaffungskosten des Eigenheims wird die Regierung die Anwendung des Erbpachtvertrags (bail emphytéotique) weiter fördern. Hier sollten alle öffentlichen Bauherren eine wegweisende Rolle spielen.

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