"Wilkommen im Neuland". Jean-Marie Halsdorf au sujet de la Présidence luxembourgeoise de la Grande Région et de la problématique de l'aménagement du territoire au Luxembourg

Luxemburger Wort: Herr Minister, das Parlament diskutierte vergangene Woche über den Nutzen und die Chancen einer Zusammenarbeit in der Großregion. Welche Impulse gingen von dieser Debatte aus?

Jean-Marie Halsdorf: Die Debatte hat bewiesen, dass sich alle Fraktionen auf Krautmarkt darüber im Klaren sind, dass die Großregion eine immer wichtigere Rolle für die Zukunft unseres Landes spielt. Es wurde deutlich, dass wir den integrativen und vernetzten Ansatz unserer Landesplanung auf die Großregion ausweiten müssen.

Luxemburger Wort: Luxemburg hat am 1. Februar den Vorsitz des 11. Gipfels der Großregion übernommen. Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?

Jean-Marie Halsdorf: Die Regierung hat sich vorgenommen, diese Herausforderung mit viel Einsatz in Angriff zu nehmen. Wir wollen aus der Großregion ein Modell der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Europäischen Union machen. Der Schwerpunkt des Luxemburger Vorsitzes soll bei der grenzübergreifenden territorialen Entwicklung und Planung liegen. Zudem wollen wir das Zugehörigkeitsgefühl der rund 11 Millionen Bürger zum Kooperationsraum Großregion stärken. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist eine Notwendigkeit für unser kleines Land. Wir brauchen die Großregion für unsere wirtschaftliche und harmonische Entwicklung in allen Bereichen. Ob Tourismus, Kultur, Hochschulwesen, Forschung, Gesundheit, Umwelt oder Transport. Die Partner der Großregion, Rheinland-Pfalz, Saarland, Wallonie und die Lorraine brauchen uns natürlich ebenso. Diese enge Zusammenarbeit kann nur erfolgreich sein, wenn sich eine Wm-Wm-Situation einstellt. Jeder muss Gewinner sein.

Luxemburger Wort: Aus Luxemburger Sicht dürfte die Kooperation mit den Nachbarn vor allem Sinn machen, um das Verkehrsproblem in den Griff zu kriegen. Tut sich da was?

Jean-Marie Halsdorf: Das stimmt. Über 139 000 Pendler kommen aus der Großregion, um in Luxemburg zu arbeiten und ihre Zahl steigt rasant. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass sich viele junge Luxemburger in der Grenzregion niederlassen, weil sie sich die Grundstücks- und Wohnungspreise im Großherzogtum nicht mehr leisten können. Dies hat dazu geführt, dass die Immobilienpreise bei unseren Nachbarn steigen. Nicht unbedingt zu deren Zufriedenheit. Verkehrswesen und Wohnungsmarkt sind also in der Tat zwei wichtige Baustellen für die Großregion. Es geht darum, Wege, Möglichkeiten und Lösungsvorschläge aufzuzeichnen und auszuarbeiten. Der steigende Pendlerverkehr beeinträchtigt die Lebensqualität und belastet die Umwelt. Hier muss die Zusammenarbeit ausgebaut werden. Ohne Zweifel. Die Wohnungsnot war bisher noch nie ein Thema für den Gipfel der Großregion. Wir wollen diesen Vorsitz nutzen, um gemeinsam mit unseren Partnern - vor allem aus dem nahen Grenzgebiet - nach Lösungen zu suchen. Wohlwissend, dass es keine Zauberformel gibt.

Luxemburger wort: Böse Zungen könnten der Regierung aber vorwerfen, dass sie es nicht einmal schafft, die Landesplanung national zu koordinieren. Wie wollen Sie denn eine grenzüberschreitende Planung bewerkstelligen?

Jean-Marie Halsdorf: Die OECD hat bestätigt, dass unsere Landesplanungspolitik innovativ und anspruchsvoll ist. Vor allem für die Bereiche Verkehrswesen und Wohnungsnot macht die OECD darauf aufmerksam, dass jede politische Anstrengung nur erfolgreich sein kann, wenn sie mit der Grenzregion abgestimmt wird. Wir müssen eine IVL-ähnliche Logik, einen integrativen und vernetzten Ansatz der Landesplanung mit unseren Nachbarn hinbekommen. Das geschieht sicherlich nicht von heute auf morgen. Wir müssen zuerst mit unseren Partnern diskutieren, Überzeugungsarbeit leisten und sie für diese Herangehensweise gewinnen.

Luxemburger Wort: Aber wie soll das denn in der Praxis über die Bühne gehen?

Jean-Marie Halsdorf: Wir haben bald mit dem neugeschaffenen Groupement europeen de cooperation territoriale (GECT) ein neues Instrument zur Verfügung, das uns erlaubt grenzüberschreitende Projekte auf bilateraler Ebene voranzutreiben. Wir versuchen eine solche Kooperationsform mit unseren Kollegen aus der Lorraine für den Standort Belval auf die Beine zu stellen.

Luxemburger Wort: Ist das Datenmaterial des IVL-Konzepts noch aktuell?

Jean-Marie Halsdorf: Nein. Die Erwartungen wurden bei weitem übertroffen. Unser Wirtschaftswachstum lag in den vergangenen Jahren deutlich über den Schätzungen. Eigentlich eine gute Nachricht. Das hatte aber zur Folge, dass mehr Arbeitsplätze geschaffen wurden. Immer noch eine gute Nachricht. Aber es fanden auch mehr Pendler den Weg nach Luxemburg. Obwohl wir das Einwohnerszenario erreicht und sogar übertroffen haben, stieg die Zahl der Pendler noch deutlicher.

Die Nordstad hat die Erwartungen nicht erfüllt. Hier fehlen nicht zuletzt die Mittel, um die Entwicklung in die gewünschten Bahnen zu lenken. Zudem hat der Ballungsraum Ettelbrück-Diekirch mit topografischen Schwierigkeiten zu kämpfen, die ein Wachstum nicht unbedingt erleichtern. Ich habe vor kurzem den Verantwortlichen der Nordstad ein Konzept zur Schaffung einer Communauté urbaine vorgestellt und freue mich über die hohe Akzeptanz.

Luxemburger Wort: Wie steht es um die Ausarbeitung der sektoriellen Leitpläne?

Jean-Marie Halsdorf: Wir arbeiten an der technischen Fertigstellung der vier Leitpläne Transport, Wohnraum, Aktivitätszonen und Naturschutzräume. Sobald diese vorliegen, wollen wir in eine Phase des Dialogs mit den Kommunen und der Zivilgesellschaft eintreten. Ich gehe davon aus, dass dies im Herbst der Fall sein wird. Es kommt bei der Ausarbeitung der sektoriellen Leitpläne allerdings zu einer Verzögerung, da laut europäischen Bestimmungen die Auswirkungen auf die Umwelt im Vorfeld zu prüfen sind. Wir sind bestrebt, die sektoriellen Leitpläne extrem gut vorzubereiten. Wir wollen keine halben Sachen machen. Widersprüche zwischen den Leitplänen müssen vermieden werden und die sektoriellen Pläne dürfen keine juristischen Angriffsflächen bieten. Diese Planung muss wohl durchdacht sein. Dabei liegt der Teufel wie so oft im Detail. Man darf nicht vergessen, dass wir mit dieser Art und Weise der Landesplanung absolutes Neuland betreten. Eine schnelle Planung ist sicherlich keine effiziente Planung.

Luxemburger Wort: Aber wie sollen sich die Gemeinden denn nun bei der Vorbereitung ihrer kommunalen Bebauungspläne verhalten, wenn die sektoriellen Leitpläne noch nicht vorliegen?

Jean-Marie Halsdorf: Die Lage ist, wie sie ist. Auf Grund unserer Erfahrungen hat sich herausgestellt, dass das Gesetz von 1999 über die Landesplanung zum Teil nicht präzise genug ist. Wir benötigen Klarstellungen und werden Leitlinien für die Gemeinden erlassen. Die nationale Kommission zur Flächennutzung begutachtet die kommunalen Bebauungspläne und soll nationale und lokale Planungen möglichst in Einklang bringen. Wir setzen auf eine pragmatische Herangehensweise und auf den guten Willen aller Beteiligten.

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