Interview de Xavier Bettel avec le Luxemburger Wort

"Wir brauchen eine nachhaltige Lösung in der Flüchtlingsfrage"

Interview: Luxemburger Wort (Dani Schumacher)

Luxemburger Wort: Herr Premierminister, welche Erwartungen setzen Sie in den UN-Nothilfegipfel in Istanbul?

Xavier Bettel: Der Gipfel kommt zur rechten Zeit. 125 Millionen Menschen sind weltweit auf humanitäre Hilfe angewiesen, 60 Millionen befinden sich auf der Flucht, so viele wie seit 70 Jahren nicht mehr. Ich erwarte mir von dem Gipfel aber kein Allheilmittel. Wenn ich die Teilnehmerliste durchsehe, stelle ich fest, dass viele Länder dem Gipfel leider keine all zu große Bedeutung beimessen. Einige Staaten sind nur mit ihren Staatssekretären vertreten. Ich bin mir sicher, dass beim Nato-Gipfel in Warschau im kommenden Monat mehr Spitzenpolitiker vertreten sein werden als in Istanbul.

Luxemburger Wort: Besteht nicht das Risiko, dass Ina es am Ende bei lauwarmen Absichtserklärungen bleibt, dass der Gipfel nicht zu konkreten Resultaten führen wird?

Xavier Bettel: Ich erwarte mir in der Tat keine verbindlichen Ergebnisse. Es geht eher darum, die Hilfe in Zukunft besser zu koordinieren. Es ist z. B. wichtig, dass den Vereinten Nationen genügend finanzielle Mittel für die Soforthilfe zur Verfügung stehen. Die UN braucht Reserven, ansonsten muss bei jeder größeren Katastrophe zuerst eine Geberkonferenz einberufen werden, um die erforderlichen Mittel aufzutreiben. Luxemburg hat sich übrigens verpflichtet, ab 2017 jedes Jahr sechs Millionen Euro an den betreffenden UN-Fonds zu überweisen. Man kann die humanitäre Soforthilfe aber nicht losgelöst von der Entwicklungshilfe sehen. Man darf sie aber auch nicht vermischen. Je mehr die Staatengemeinschaft in die Entwicklungshilfe investiert, desto weniger Mittel bedarf es bei der humanitären Hilfe. Die Soforthilfe sichert das Überleben, die Entwicklungshilfe schafft langfristig Perspektiven für die Menschen in ihrer Heimat. Cabo Verde ist ein gutes Beispiel. Luxemburg hat dort eine Hotelfachschule errichtet. Die Ausbildung ermöglicht es den jungen Menschen, einen Job in der aufstrebenden Tourismusindustrie zu finden. Und wenn sie Arbeit haben, müssen sie ihr Land nicht verlassen. Luxemburg wird übrigens weiterhin ein Prozent seines nationalen Einkommens in die Entwicklungshilfe investieren.

Luxemburger Wort: Der Gipfel wurde bereits vor drei Jahren einberufen, also noch vor der großen Migrationsswelle. Befürchten Sie nicht, dass die Flüchtlingskrise zum alles beherrschenden Thema wird, das die humanitäre Hilfe in den Hintergrund drängt?

Xavier Bettel: Die humanitäre Hilfe spielt in der Flüchtlingsfrage eine große Rolle. Auf den griechischen Inseln spielt sich zur Zeit eine humanitäre Krise ab. Zur Lösung der Flüchtlingsfrage braucht Europa die Türkei und die Türkei braucht Europa. Ich bin mir bewusst, dass der so genannte Türkei-Deal keine endgültige Lösung darstellt. Wir brauchen eine nachhaltige Lösung in der Flüchtlingsfrage. Was die vereinbarte Visa-Freiheit anbelangt, muss die Türkei sich an die Regeln halten. Wenn nämlich jeder sich die Regeln nach eigenem Gutdünken zurechtbiegt, kommt es zum Ausverkauf. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich Ankara in die richtige Richtung bewegen wird.

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