Die "total motivierte" Superministerin

Interview: Lëtzebuerger Journal (Pascal Steinwachs)

Lëtzebuerger Journal: Sie verantworten gleich drei Ministerien: Verteidigung, Mobilität und öffentliche Arbeiten, und dann auch noch Gleichstellung und Diversität. Muten Sie sich da nicht zu viel zu?

Yuriko Backes: Meine Partei, wie auch die Regierung haben mir das zugemutet, und ich habe die Herausforderung angenommen. Ich muss jedoch zugeben, dass mir hier extrem viel abverlangt wird, aber ich arbeite an sieben Tagen die Woche - von morgens früh bis abends spät.

Lëtzebuerger Journal: Wie teilen Sie sich die Arbeit zwischen den Ministerien eigentlich auf? Von 8.00 bis 12.00 Uhr widmen Sie sich der Verteidigung des Landes, von 12.00 bis 16.00 Uhr dann der Mobilität und der Infrastruktur, und von 16.00 bis 19.00 Uhr der Gleichstellung und der Diversität - und dazwischen schnell mal ein Sandwich, einige Pressetermine, und am Abend dann noch der ein oder andere Empfang?

Yuriko Backes: Ich versuche, für jedes Ministerium über die Woche verteilt fixe Zeitspannen einzuplanen. Dass ich drei Büros habe, macht die Sache allerdings nicht einfacher, aber in all meinen Ministerien kann ich auf gute Leute zurückgreifen. Dazu gesellen sich dann noch die Truppenbesuche und Auslandsreisen, die mich in den vergangenen Wochen unter anderem nach Litauen, Brüssel, Ramstein, Berlin und New York geführt haben, aber alles ist eine Sache der Organisation.

Lëtzebuerger Journal: Wie hält man so ein Pensum überhaupt durch? Sie sind, so glauben wir uns jedenfalls zu erinnern, eine begeisterte Yogini, oder?

Yuriko Backes: Ich fange meinen Tag, wann immer möglich, morgens zwischen 5.00 und 6.00 Uhr mit Yoga und Pilates an, was mir über all die Jahre auch mentale Kraft gegeben hat.

Lëtzebuerger Journal: Macht Ihnen ein derartiger Knochenjob eigentlich noch Spaß? Fragen Sie sich nicht manchmal selbst, warum Sie sich das überhaupt noch antun. Andere Leute in Ihrem Alter zählen ja bereits die bleibenden Tage bis zur Pension.

Yuriko Backes: (lacht) Meinen Ruhestand kann ich mir im Moment wirklich noch nicht vorstellen...

Lëtzebuerger Journal: Ruhestand klingt nach Langeweile...

Yuriko Backes: Ich bin jedenfalls total motiviert, weil ich in allen drei Ressorts mit absoluter Begeisterung und Überzeugung arbeite.

Lëtzebuerger Journal: Im Vergleich zu ihren aktuellen Aufgaben war wahrscheinlich sogar die Leitung des Finanzministeriums ein Kinderspiel, auch wenn Sie seinerzeit als politische Quereinsteigerin und Nachfolgerin des amtsmüden Pierre Gramegna regelrecht ins kalte Wasser geworfen wurden.

Yuriko Backes: Als Kinderspiel würde ich meine Arbeit als Finanzministerin definitiv nicht bezeichnen. Das mit dem kalten Wasser ist aber richtig. Es war ein Sprung ins kalte Wasser der Politik, und ein Sprung in kalte Wasser der Finanzthemen, in die ich mich erst reinknien musste. Das war alles andere als einfach. Und dann begann auch noch der russische Angriff auf die Ukraine, stieg die Inflation an und folgten eine Reihe von Tripartite-Runden. Das war schon sehr heftig.

"Ich blicke immer nach vorn und schaue nicht zurück. " Yuriko Backes

Lëtzebuerger Journal: Wie eignet man sich so ein technisches Wissen wie im Finanzwesen eigentlich in so kurzer Zeit an? Es geht hier ja schließlich um die Finanzen des Landes.

Yuriko Backes: Ich habe Tag und Nacht gearbeitet, und ich hatte eine super Mannschaft. Die Entscheidung muss abschließend aber immer der Minister treffen.

Lëtzebuerger Journal: An Selbstvertrauen scheint es Ihnen auf jeden Fall nicht zu fehlen.

Yuriko Backes: Ah bon?

Lëtzebuerger Journal: Das sieht jedenfalls so aus.

Yuriko Backes: Ich stelle mich permanent selbst in Frage, kann aber nicht einschätzen, wie das jetzt rüberkommt. Ich versuche jedoch immer, ich selbst zu sein und das auch zu bleiben.

Lëtzebuerger Journal: Sie waren nicht nur die erste Frau an der Spitze des Finanzministeriums, sondern auch die erste Hofmarschallin, demnach eine Art Pionierin in Luxemburg. Unter Ihrer Ägide kam es auch zur Reform des großherzoglichen Hofs. Dazu werden Sie jetzt bestimmt nichts sagen?

Yuriko Backes: Ich war übrigens auch die erste Vertreterin der EU-Kommission in Luxemburg, dann erste Hofmarschallin, erste Finanzministerin und auch erste Verteidigungsministerin. Was nun die Reform des großherzoglichen Hofs anbelangt, so bin ich gefragt worden, diese umzusetzen, und das war auch nötig — im Interesse unserer Monarchie. Es war wirklich geboten, eine Struktur in die Personal- und die Finanzverwaltung reinzubringen.

Lëtzebuerger Journal: Sie haben sowieso eine beeindruckende Karriere aufzuweisen: Zwei Masterabschlüsse, langjährige Diplomatin in New York, Brüssel und Tokio, diplomatische Beraterin und Sherpa für die beiden Premierminister Juncker und Bettel, Vertreterin der EU-Kommission in Luxemburg, Hofmarschallin, und dann Ministerin, um jetzt nur die wichtigsten Etappen zu nennen. Gibt es in ihrer langen Karriere etwas, an das Sie besonders gerne zurückdenken?

Yuriko Backes: (denkt lange nach) Ich blicke immer nach vorn und schaue nicht zurück.

Lëtzebuerger Journal: Jaja, das tun wir auch, aber wir denken da eher an interessante Begegnungen...

Yuriko Backes: Ich war zum Beispiel bei Sitzungen mit Wladimir Putin mit dabei...

Lëtzebuerger Journal:... den haben wir seinerzeit auch im Kreml gesehen, als wir zusammen mit Jean-Claude Juncker in Moskau waren...

Yuriko Backes: Putin ist ja ein relativ kleiner Mann, aber er strahlt wirklich Macht aus. Viele Persönlichkeiten lernte ich während meiner Zeit bei der Ständigen Vertretung Luxemburgs bei den Vereinten Nationen in New York kennen. Vor kurzem bin ich übrigens Hillary Clinton begegnet.

Lëtzebuerger Journal: Sie wurde im japanischen Kobe geboren, gingen dort zur Schule und haben auch einen Masterabschluss in Japanstudien, den Sie allerdings in London machten. Was verbindet Sie heute noch mit Japan?

Yuriko Backes: Ich bin in Japan geboren und habe dort auch meine Kindheit und Jugend verbracht, nachdem ich als Kleinkind zudem einige Jahre mit meiner Familie in Deutschland war. Ich habe eine sehr gute Erinnerung an meine Zeit in Japan. Das war mein Zuhause.

Lëtzebuerger Journal: Sie treten in der Öffentlichkeit immer sehr kontrolliert und ausgesprochen höflich auf. Haben Sie das in Japan gelernt?

Yuriko Backes: Vielleicht. Für mich ist das eine Sache des Respekts gegenüber anderen Leuten.

"Wenn wir die Grenzen schließen, dann ist das nicht mehr das Europa, für das wir uns einsetzen, und für das sehr viele Menschen sehr lange gekämpft haben. " Yuriko Backes

Lëtzebuerger Journal: Sie scheinen eine regelrechte Faszination für alles Militärische zu hegen. Man könnte fast meinen, Sie wären Mitglied bei den Grünen. Im Gegensatz zu Ihrem grünen Vorgänger scheinen Sie sich sogar im Battledress wohlzufühlen. Woher kommt diese Begeisterung?

Yuriko Backes: Ich habe mich schon immer dafür interessiert, zumal das Militär ja auch ein Teil unserer Außenpolitik ist, die immer noch nach dem 3D-Prinzip funktioniert (die drei Ds stehen für Diplomacy, Development & Defence, d. Red.). Ich bin früher natürlich nie mit einer Armeejacke rumgelaufen, und wenn ich heute eine solche anziehe, dann erweise ich der Armee damit auch Respekt und Anerkennung.

Lëtzebuerger Journal: Und wie kamen Sie auf die Idee, eine Debatte zur Wiedereinführung der Wehrpflicht loszutreten? So was grenzt ja an politischen Selbstmord. Hat unser General da vielleicht etwas zu sehr auf Sie eingeredet?

Yuriko Backes: Absolut nicht, nein! Ich wurde in einem Interview gefragt, ob wir nicht auch in Luxemburg über die Wehrpflicht reden müssten. Da sage ich doch nicht direkt, 'nein, auf keinen Fall'. Ich habe nie gesagt, dass ich für eine Wehrpflicht wäre, sondern ich habe immer ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass das nicht im Koalitionsprogramm steht. Das heißt aber nicht, dass man in Zeiten, wo nicht weit von uns ein Krieg stattfindet, nicht darüber reden kann. Die entsprechende Parlamentsdebatte war ja schlussendlich ein Non-Event, da alle Parteien eine Wehrpflicht ablehnen.

Lëtzebuerger Journal: Ihre Arbeit als Armeeministerin dürfte unter einem Präsidenten Trump nicht unbedingt einfacher werden. Dessen Forderung, die Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, erfüllen nicht mal die USA selbst, wobei Luxemburg ja sowieso eine Sonderbehandlung bekommt, da für uns nicht das Bruttoinlandsprodukt, sondern das Bruttonationaleinkommen als Berechnungsgrundlage dient. Dabei sind die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen zwei Prozent schon schwer zu erreichen, wissen wir doch jetzt schon nicht, überspitzt ausgedrückt, wohin mit all den Dingos, die wir sowieso nicht brauchen.

Yuriko Backes: Wir haben Verpflichtungen gegenüber der Nato, und wir brauchen inzwischen ganz andere Fahrzeuge als die von ihnen genannten Dingos. In der Abgeordnetenkammer wurde vor kurzem ein entsprechendes, 2,6 Milliarden teures Gesetzesprojekt verabschiedet. Das ist die bislang größte Investition in die Verteidigung in der Geschichte unseres Landes, und Teil unserer Nato Verpflichtungen zur Aufstellung eines binationalen Bataillons mit Belgien. Jetzt kommen aber neue Nato-Ziele auf uns zu, die auf dem Nato-Gipfel im Juni festgelegt werden.

Lëtzebuerger Journal: Und die zwei Prozent?

Yuriko Backes: Die sollen bis spätestens 2030 erreicht werden...

Lëtzebuerger Journal: Sie sind ja auch noch Transportministerin. Deshalb eine Frage, die uns persönlich sehr am Herzen liegt: Warum braucht der Zug nach Brüssel eigentlich immer noch so lange, sogar länger noch als vor Jahren?

Yuriko Backes: Das ist nicht zu erklären. Sogar wenn die Modernisierung der Bahnstrecke nach Brüssel im Jahre 2029 oder 2030 abgeschlossen ist, dann ist der Zug immer noch langsamer als vor 20 Jahren. Wenn Luxemburg hier alleine entscheiden könnte, dann würde die Situation mit Sicherheit anders aussehen.

Lëtzebuerger Journal: Sind Sie eigentlich auch schon mal mit der Tram gefahren, auch wenn nicht gerade eine Einweihung ansteht? Bei Ihrer Agenda können wir uns das nur schwer vorstellen.

Yuriko Backes: Natürlich. Ich bin ein großer Fan der Tram. Dessen Ausbau ist eine meiner Prioritäten. Wir arbeiten momentan auch an einem neuen nationalen Mobilitätsplan, zu dessen Vorbereitung aktuell eine Umfrage zum Mobilitätsverhalten durchgeführt wird — auch unter den Grenzgängern.

Lëtzebuerger Journal: Sie setzen sich stark für bessere Verbindungen mit der Grenzregion ein. Da müssen Sie die wiederaufgenommenen Grenzkontrollen, die bei unseren deutschen Nachbarn sogar dauerhaft bleiben sollen, umso mehr ärgern. Ist das der Todesstoß für Schengen?

Yuriko Backes: Wenn wir die Grenzen schließen, dann ist das nicht mehr das Europa, für das wir uns einsetzen, und für das sehr viele Menschen sehr lange gekämpft haben. Ich will jetzt aber nicht zu pessimistisch sein. Die Grenzschließungen sind ja auch nicht im Interesse Deutschlands.

Lëtzebuerger Journal: Wohl wahr!

Yuriko Backes: Unser Land und unsere Wirtschaft sind auf offene Grenzen angewiesen. Mehr als 200.000 Grenzgänger kommen jeden Tag nach Luxemburg, was schon enorm ist, und diese Leute müssen teilweise zweimal pro Tag für jeweils eine Stunde im Stau stehen, was natürlich eine Zumutung ist.

Lëtzebuerger Journal: Genau...

Yuriko Backes: Wir machen alles, um hier eine Verbesserung zu erreichen, was aber leider nicht von heute auf morgen gelingt. Wir investieren auch enorme Summen in die Schienen, was in unserem Interesse, im Interesse der Grenzgänger und im Interesse der Umwelt ist. Wir versuchen auf jeden Fall, so viele Leute wie möglich dazu zu bewegen, auf den öffentlichen Transport umzusteigen.

Lëtzebuerger Journal: Das MEGA, das Gleichstellungsministerium, feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Warum braucht es nach all der Zeit eigentlich überhaupt noch ein derartiges Ministerium, und warum stoßen Gleichstellungsthemen immer noch auf Widerstand?

Yuriko Backes: In einer idealen Welt bräuchten wir dieses Ministerium nicht.

Lëtzebuerger Journal: In einer idealen Welt würde ein Petent auch nicht während einer Parlamentsdebatte über zwei Petitionen zu LGBTQIA+-Themen behaupten, sich nicht erinnern zu können, dass irgendwelche homosexuellen Leute so angegriffen worden wären, dass ihnen etwas Schlimmes passiert wäre. Eine derartige Aussage ist einfach nur kriminell!

Yuriko Backes: Kriminell, unterirdisch und unvorstellbar! Dass ein Mensch in einem Parlament so was von sich geben kann...

Lëtzebuerger Journal: Was steht heute, nach uns, noch auf Ihrem Programm?

Yuriko Backes: Ich habe noch eine interne Sitzung über Cyberverteidigung, hier im Ministerium.